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Laufberichte

Ultra-Premiere beim Kultlauf im Karwendel

 

Die Hälfte der Wegstrecke ist erreicht. In Sachen Höhenunterschiede haben wir allerdings noch Nachholbedarf und müssen jetzt die nächsten 500 Höhenmeter zur Falkenhütte in Angriff nehmen. Aufheiterung verspricht die Ladiz-Alpe mit jeder Menge Fleckvieh samt Kälbern. Besonders die Mädels zücken hier die Foto-Handys. Es scheinen viele Städter unter den Teilnehmern zu sein. Rechts steht eine riesige Wand, die Ladizer Reisen. Bis auf 2.700 Meter türmen sich dahinter die Bergspitzen. Wir verlassen den steilen Fahrweg und begeben uns auf einen schweißtreibenden Pfad durch die Wiese. Auf den Fotos sieht das so harmlos aus. Die ersten Mitstreiter legen ein Päuschen am Wegrand ein.

Das nächste Zwischenziel, die Falkenhütte (1.848 m), gerät vor uns ins Blickfeld. Ein in der Luft schwebendes Fahrrad soll vermutlich andeuten, dass auch Mountainbiker hier gern gesehen sind. In der Folge werden wir einige schnaufende und bergauf strampelnde Vertreter dieser Spezies zu Gesicht bekommen. Der Weg ist breit, sie sind langsam, weshalb für beide Seiten keine Gefahr besteht.

Wie gewohnt erwartet uns auch hier eine perfekte Verpflegung, zur Abwechslung mit Hafersuppe. Gut, dass es viele Bänke zum Ausruhen gibt. Frisch gestärkt laufen wir direkt an den Laliderer Reisen vorbei, hier im Schatten bei angenehmer Temperatur. Mir macht das richtig Spaß, so knapp an einer 1.000 Meter hohen Wand entlang. Genauso schön ist der Blick ins Laliderertal mit seinen Almen. Noch mal ein kleiner Anstieg zum Hohljoch auf 1.750 m. Der zweite Höhepunkt ist abgehakt. Ein Blick zurück gilt der Falkenhütte und der kühlen Laufpassage.

Es geht bergab Richtung Eng. Ein schöner Wanderweg verläuft zwischen Latschenkiefern nach unten. Viele Fußgänger kommen uns nun entgegen. Die Eng kann aus Deutschland über eine Mautstraße vom Sylvenstein-Stausee erreicht werden und eignet sich damit als Basis für schöne Ausflüge per pedes. Mir fallen drei Typen von Wanderern auf:

- Die Begeisterten machen gerne Platz und feuern einen noch an, teilweise mit Klatschhänden.  Auf diese Weise werden sie zwar nie ihr Ziel erreichen, haben uns und sich aber viel Freude bereitet.

-  Die Uninteressierten gehen widerwillig etwas zur Seite und ärgern sich innerlich über die Veranstaltung, von der sie vorab nichts wussten. Sonst wären sie vermutlich heute ins Wettersteingebirge gefahren.

-  Die „Mia san mia“- Wanderer beanspruchen auch an den engsten Stellen Vorrang: Sie gehen schließlich bergauf. Letztendlich wird es für sie ein missglückter Wanderausflug werden, da ein hitziger Läufer sie bald umreißen wird. Am Montag bei der Arbeit haben sie dann Gelegenheit, sich über die „verrückten Gestalten“ im Gebirge zu ereifern.

Die Eng (1.227 m, also recht weit unten) mit ihrer großen Anzahl von Almen ist nach 35 km auch das Ziel der verkürzten Strecke. Davon kündet der Torbogen der Tiroler Tageszeitung. Einige Sanitäter begutachten den Gesundheitszustand der Eintreffenden. Sie könnten auch 52-km-Läufer aus dem Rennen nehmen. Die einzige Cut-off-Zeit wäre hier um 14:30 Uhr, ist also sehr großzügig bemessen. Wir sind gut drei Stunden vorher da.

Hier wird eine hervorragende Heidelbeersuppe ausgeschenkt. Der unfallfreie Verzehr ist allerdings Glückssache. Ob sich die blauen Flecken aus dem Laufhemd wieder entfernen lassen?

Frisch gestärkt geht es noch kurz durch den großen Ahornboden, bevor wir die nächsten 700 Höhenmeter in Angriff nehmen. Auf einer Forststraße erreichen wir nach 2,5 km die Binsalm (1.502 m). Eine Wandererfamilie diskutiert, ob sie den letzten Bus an der Gramaialm erreichen wird. Wenn die wüssten, was noch kommt! Ein Marschierer überholt uns, von seinem treuen vierbeinigen Freund an der Leine bergauf gezogen.

Die Binsalm erwartet uns mit der nächsten Komplettverpflegung. Auch ein Bierchen gäbe es dort, jedoch mit Alkohol. Dort könnte man auch im Vorbeigehen eine kurze „Dusche“ nehmen. 200 Meter weiter oben sieht man vor dem Binssattel eine Serpentinenkette von Läufern. Auf schönem Wanderpfad geht es weiter steil nach oben. Kennt ihr diesen tollen Geruch von Latschenkiefern in der sengenden Sonne? Viele müde Kämpfer sitzen am Wegrand. Mir kommt es vor, als hätte ich seit Stunden nichts getrunken. Ich bin völlig am Ende. Mein Puls passt sich meiner fast kriechenden Fortbewegung an und sackt nach unten. Gut, dass Judith noch ein Magnesiumtütchen für mich hat. Und etwas zu trinken aus ihrer Iso-Backup-Flasche. Dann zieht sie davon.

Vielen Teilnehmern geht es eher so wie mir: Bleibe ich stehen, überholen nur wenige. Endlich ist der Binssattel erreicht. 40 Minuten habe ich für die 400 Höhenmeter benötigt. Hört sich gar nicht so schlecht an. 1903 Meter ist der dritte und letzte Höhepunkt hoch. Kurz die Aussicht genießen und auf zum Gramaialm-Hochleger, der nächsten Labestelle, wo ich Judith dann wieder treffe. Hier schmücken schöne Blumen die Aussichtsterrasse. Die Wildblumen sind leider schon fast alle verblüht, was auf den nahen Herbst hindeutet.  Übrigens wurde etwas weiter südöstlich im Gebiet der Bärenrast am 14. Mai 1898 der letzte Bär in Tirol erschossen.

Ein Läufer, den ich überhole, ruft mir zu, dass der Weg nun schön steil bergab geht. Da hat er nur zu Recht. Zwei Mädels überholen uns, schlittern den sandigen Weg hinab, jauchzen vor Freude und reißen zwei Jungs vor ihnen noch mit. So kann man auch Kontakte knüpfen. Judith und ich sind da wesentlich vorsichtiger. Dann zeigen uns die geübten Bergläufer und Marschierer, wie es richtig geht. Sie lassen uns weit hinter sich. Wenigstens sind wir bald im Wald und es wird etwas kühler. An einem kleinen Wasserfall hat sich eine Badegumpe gebildet, die ziemlich einladend wirkt.

Ein Auto der Bergwacht kündigt den Übergang in eine Forststraße im Gramaier Grund an. Die verbleibenden Kilometer können wir nun regelmäßig von Schildern am Wegrand ablesen. Das breite Falzturntal wird von Pertisau her durch eine Mautstraße erschlossen, weshalb uns die Gramaialm nicht nur mit einer Labestelle, sondern auch mit einem großen Parkplatz und vielen Reisebussen samt spazierfreudigen Senioren empfängt. Um mit der motorisierten Zivilisation nicht so schnell in Kontakt zu kommen, halten wir uns auf einem Weg am rechten Talgrund.

Abwechslungsreich geht es durch ausgetrocknete Bergbäche, Wiesen und Wäldchen. Judith und ich rasen nur so dahin. Die letzten zehn Kilometer bei unserem ersten Ultra hatte ich mir eigentlich ganz anders vorgestellt. Läufer um Läufer wird eingesammelt, manch „alter Bekannter“ wird überholt, auch der Mann mit Hund hat keine Chance.

Trotz unseres späten Geschwindigkeitsrauschs freue ich mich auf die letzte Labestelle Falzturnalm. Hier steht sogar eine Flasche Obstler bereit. Ab jetzt laufen wir auf geteertem Radweg durch schönen Mischwald die letzten vier Kilometer ins Ziel. Unser flottes Tempo wird durch die nahezu 300 Höhenmeter begünstigt, die es auf den letzten acht Kilometern  bergab geht. Am Dorfrand von Pertisau wartet ein Bogen auf uns, kurz danach kann man in der Ferne schon den Achensee erkennen. „Tirols Sport & Vital Park Achensee“ ist die Zielregion des Laufs. Fast am See, beim historischen Fischergut, empfangen uns auf 932 m viele applaudierende Zuschauer. Nach 8:10 Stunden bekommen wir eine Medaille mit einem glitzernden Bergkristall umgehängt.

In der Scheune nebenan nehmen wir unsere Kleiderbeutel und die Finishertüte mit Infos, Funktionsstirnband, Massageöl und Fußsalbe von Tiroler Steinöl entgegen. Passend dazu könnte man auch das Informationszentrum auf der anderen Straßenseite besichtigen. Ist ja auch so eine Frage, wie man aus Steinen Öl macht... Ein Finisher-Shirt kostet 19 € extra.

Wir halten uns erst mal an die leiblichen Genüsse. Das alkoholfreie Bier aus München schmeckt wunderbar. Ich gestehe, dass ich zwei Liter davon trinke und dann noch jede Menge Holundersaft. Unglaublich, welchen Flüssigkeitsbedarf ich in den nächsten Stunden noch decken muss. Und Wurst- und Käsebrote verdrücke ich zusätzlich. Kekse, Obst und die schon erwähnten Wanderriegel sind weitere Optionen bei der Zielverpflegung.

Ich würde ja jetzt gerne in den wunderschönen Achensee hüpfen, aber Judith nimmt mich zu den (warmen) Duschen bei der Tennishalle mit.

Wir wollen uns am Abend in Leutasch noch mit einem Lauffreund aus der Schweiz treffen, treten also bald die Rückfahrt mit dem Bus an. Das Thermometer weist 31 Grad aus und bis 20:00 Uhr ist das Ziel noch geöffnet.

 

Fazit:  

 

Ein wirklich schöner Landschafts- und Berglauf mit sehr guter Verpflegung - 52 km sind ein guter Einstieg in den Ultra-Bereich - Die Wege sind ausnahmslos gut zu bewältigen, wenn auch oft sehr steil - Es gibt keine ausgesetzten Stellen - Großzügiges Zeitlimit (14:00 Stunden)  -  Drei 52-km-Bewerbe: Lauf, Marschieren, Nordic Walking; plus 35 km Marschieren und Walken - Erfahrene Marathonis mit etwas Bergerfahrung sollten mit dem Lauf zurechtkommen - Stöcke sind bei allen Disziplinen erlaubt -  Dieses Jahr wurde erstmalig das Teilnehmerlimit von 2.500 ausgeschöpft - Viele Verpflegungstellen mit großer Auswahl - Hochwertige Medaille - Massagen im Ziel -  Bustransfer zurück oder vor dem Start von Pertisau nach Scharnitz (ab 2:30 früh) über Innsbruck Hbf dauert 1,5 Stunden und kostet 15 €.


Ergebnisse des Laufbewerbs über 52 km:

Herren:
1.    Konrad Lex (GER) 4:11:24
2.    Markus Stock (AUT) 4:18:18
3.    Thomas Farbmacher (AUT) 4:22:35


Damen:
1.    Kristin Berglund (AUT/SWE) 4:57:03
2.    Friederike Müller (GER) 5:28:33
3.    Sandra Spörl (GER) 5:38:12

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Informationen: Karwendelmarsch
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