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Laufberichte

Brücken, Wein und Kirchen

 

In diesem Jahr starten Judith und ich zum zweiten Mal beim Marathon in Würzburg. Ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, die Qualifikation für den Boston-Marathon, ist dabei nicht unser hauptsächlicher Beweggrund. Die Anreise aus München geschieht per Bahn. Obwohl das 49-€-Ticket, auch Deutschlandticket genannt, erst in zwei Wochen eingeführt wird, ist es günstiger als mit dem Auto. Dank Bayernticket zahlen wir zu zweit ganze 67 € für die Hin- und Rückfahrt.

Würzburg ist Sitz der Regierung von Unterfranken und Bischofssitz der gleichnamigen römisch-katholischen Diözese. Die mit rund 127.000 Einwohnern nach München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt und Fürth siebtgrößte Stadt Bayerns liegt im sogenannten Maindreieck in einem Talkessel im mittleren Maintal. Die Hanglage und die klimatischen Bedingungen machen Würzburg zu einem bekannten Weinanbaugebiet, das sich an diesem Wochenende von seiner besten Seite zeigt: Frühsommerliches Wetter empfängt uns schon am Bahnhof. Wir steuern gleich die Startnummernausgabe im Congress Centrum Würzburg an, das direkt am Main liegt. Dort geht alles recht schnell. Wir prüfen unseren mitgebrachten Champion Chip und lassen uns die Nudeln schmecken, die im Startpreis enthalten sind.  

Dann genießen wir erst einmal das Treiben am Fluss, bevor es auf die Alte Mainbrücke geht. Das im 15. Jahrhundert begonnene Bauwerk war bis 1886 Würzburgs einziger Flussübergang und gilt als eines der wichtigsten Wahrzeichen der Stadt. Mit den Steinskulpturen aus dem 18. Jahrhundert erinnert es an die Prager Karlsbrücke und an die Engelsbrücke in Rom. Und da muss man wirklich hin: An den Brückenenden gibt es Frankenwein und mit gut gefülltem Glas sucht man sich seinen Platz zum Sehen und Gesehen werden. Mein Vorsatz, am Tag vor dem Marathon keinen Wein zu trinken, löst sich in Wohlgefallen auf.

 

 

Um stets den Überblick zu bewahren,  muss ich natürlich hinauf zur Festung Marienberg auf der anderen Mainseite. Den steilen Weg meistern wir leichtfüßig, während das indische Paar, das wir von der Zugfahrt her kennen, schnell aufgibt und wieder umkehrt. Einen Bus hinauf gäbe es auch. Die Festung, gegründet 1201 und von 1253 bis 1719 Residenz der Würzburger Fürstbischöfe, wäre eine Besichtigung wert, aber die Zeit ist schon zu weit fortgeschritten, sodass es nur für einen Blick aus den fürstlichen Gärten auf die Stadt reicht. Recht weit hinten sieht man die Autobahnraststätte, von der wir schon oft den schönen Ausblick genossen haben. Dann noch ein Spaziergang durch die Innenstadt und nach dem Besuch eines netten italienisches Lokals recht früh ins Bett.

 

Marathontag

 

Im Lift treffen wir Christoph, der heute seinen ersten Halbmarathon laufen wird. Zwei Fragen kann ich ihm schon mal beantworten: Er wird wahrscheinlich schneller sein als berechnet und er soll sich von dem Gedrängel auf den ersten Kilometern nicht verrückt machen lassen, sondern erst später richtig losspurten.

Im CCW, wo sich die Taschenabgabe befindet, hat man eine perfekte Basis für Start und Ziel. Platz ist ausreichend vorhanden und auch die Toilettenanlagen sind dem allmählich einsetzenden Ansturm gewachsen. Wobei es auch im Startbereich noch Toilettenhäuschen geben soll.

Die drei Startblöcke sind gut gekennzeichnet und auch anhand der vielen Pacer-Fahnen weiß man, wo man sich am besten aufstellt. In unserem Fall ist das leider recht weit hinten. Um 9:00 Uhr dann ein Böllerschuss zum Start des ersten Blocks. Und um 9:10 Uhr sind wir an der Reihe. Die Schützen stehen leider durch den Startbogen verdeckt auf einer Empore, deutlich hör-, aber für uns nicht sichtbar.

 

 

Wenige Meter nach dem Start läuft man schon auf der breiten Veitshöchheimer Straße. Da braucht man sich wegen des Gedränges kaum Sorgen zu machen. Vor uns die grünen Weinberge. Und kurz danach überqueren wir den Main über die Golden-Gate-Brücke Würzburgs, wenigstens habe ich sie so tituliert. Der offizielle Name lautet „Brücke der Deutschen Einheit“.

Die folgenden sechs Kilometer führen durch Wohn-, Verwaltungs- und Gewerbegebiete im Stadtteil Zellerau, abwechslungsreich mit vielen Kurven und einigen Kontaktpunkten zu anderen Teilen der Strecke. Und oft werden wir von Anwohnern angefeuert. Die Große Feuerwehrschule beeindruckt mich sehr und an der rußgeschwärzten Fassade sieht man die Brandstelle, mit der Brandausbreitungen über mehrere Stockwerke simuliert und bekämpft werden können. Vorbei am Exerzitienhaus Himmelspforten, dem Tagungshaus des Klosters Würzburg. Der „Mannygreen“- Musikclub wird  heute Morgen von der City Church, einer evangelischen Freikirche, genutzt. Eigentlich gibt es viel zu sehen. Dazwischen immer die Verpflegungs- und Getränkestellen.

Viele Menschen stehen vor der Heilig-Kreuz-Kirche. Ab Kilometer 7 ändert sich das Ambiente: Wir kommen wieder zur Golden-Gate-Brücke, ohne sie aber diesmal zu überqueren. Steil hinunter zum Parkplatz für Campmobile. Unter den großen Bögen der Friedensbrücke eine japanische Trommelgruppe. Nach einer kurzen Bergauf-Strecke erreichen wir wieder die Straße, eine Staffelwechselstelle und einen VP. Dann sehen wir links die Alte Mainbrücke.

Rechts wieder eine Kirche, Sankt Burkhard, dann die Jugendherberge mit sehenswerter Fassade. Über uns thront die Wallfahrtskirche Käppele aus dem 18. Jahrhundert mit Rokokoarchitektur.

 

 

Unter der Ludwigsbrücke hindurch, oben der bayerische Löwe, unten Samba. Dann werden wir auf einen Weg neben der Straße geleitet. Viele Sportvereine, beispielsweise der Akademische Ruderclub, haben sich am Main angesiedelt. Der leicht holprige Kiesweg verlangt etwas Aufmerksamkeit. Hier sind neben dem Weg Lautsprecher mit Musikbeschallung aufgestellt. Eine Superidee, um ein bisschen Schwung zu verschaffen.

Die Konrad-Adenauer-Brücke beeindruckt durch viel Beton. Irgendwie wuseln wir unter Auffahrten und an einer Trambahnschleife vorbei. Unter der namenlosen Eisenbahnbrücke hindurch kommen wir zu einer Pendelstrecke. Die später gestarteten 10-km-Läufer hätten gleich rechts abbiegen dürfen. Wir müssen noch 500 Meter weiter und erblicken einen sehr großen roten Stuhl und einige Zuschauer, die vor dem dazu gehörigen Möbelhaus die Sommermöbel in Beschlag genommen haben. Ich frage, ob auch ans Grillen gedacht wurde. An farbenfrohen Garagentoren vorbei. Eine Garage ist etwas erhöht, wahrscheinlich hat sich der Besitzer eines dieser überdimensionalen Fahrzeuge gekauft.

Zurück am Disco-Point vom Beginn der Pendelstrecke. Der DJ singt entweder mit oder feuert uns an. Natürlich mit Namen, denn der steht auf der Startnummer. Vor uns sieht man entgegenkommende Läufer und hinten auf der Brücke auch einige laufende Farbtupfer. Hinauf ist es etwas anstrengend, dafür wird man mit einem schönen Blick auf den Main belohnt. In einem sanften Kreisel hinunter auf den Weg auf der anderen Mainseite. Zurück Richtung Zentrum, unterbrochen durch einen Ausflug nach Sanderau. Fast schon ein wenig alternativ wirkt es hier, samt einer großen Gruppe von Feiernden. Unter der Ludwigsbrücke eine Seniorentrommelgruppe. Die Damen und Herren haben es voll drauf. Der Blick auf die Festung Marienberg ist sehr schön. Hier haben auch Kreuzfahrtschiffe festgemacht. Ein Schiff mit dem Namen „Mainkuh“ beherbergt ein chinesisches Restaurant samt Spielsalon. Fast wie in Hongkong.

 

 

Die Anzahl der Zuschauer nimmt weiter zu. Bei km 15,5 drehen wir auf die Innenstadtrunde. Am Unicafé hat eine Band Stellung bezogen und unterhält sowohl Laufende als auch Frühstücksgäste. Die Neubaukirche aus dem Jahr 1591 mit dem markanten 91 m hohen Turm wird zu den bedeutendsten Renaissancekirchen nördlich der Alpen gerechnet. Die ehemalige Universitätskirche, inzwischen profaniert, dient heute als Aula. Ein DJ mit Gitarre macht super Stimmung.
Weiter an den Wallanlagen erreichen wir das markante Gebäude der neuen Universität.

Rechts nun der Hofgarten, dann St. Michael an der alten Universität. Die Julius-Maximilians-Universität, die auf die 1402 gegründete Hohe Schule zu Würzburg zurückgeht, ist die älteste Institution dieser Art in Bayern.

Es folgt die Residenz, 1781 fertiggestellt und bis zur Auflösung der geistlichen Territorien durch die Säkularisation Sitz der Würzburger Fürstbischöfe. Die Würzburger Residenz ist laut UNESCO das einheitlichste und außergewöhnlichste aller Barockschlösser und steht in einer Reihe mit Schloss Schönbrunn in Wien und Schloss Versailles bei Paris. Im Jahr 1719 vom jungen und noch unbekannten Baumeister Balthasar Neumann begonnen, empfiehlt es sich für eine Besichtigung der nach dem Krieg restaurierten Prunkräume und besonders des unzerstört gebliebenen Treppenhauses mit einem Deckenfresko von Giovanni Battista Tiepolo. Beeindruckend auch die reich ausgestattete Hofkirche und der Hofgarten mit zahlreichen Gartenplastiken.

 

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Impressionen

(Klaus und Margot Duwe)

 

 

 

 

Wenngleich der Residenzplatz mit zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, wirkt seine Nutzung als  Parkplatz auf mich wie aus der Zeit gefallen. So etwas sah man vor zwanzig Jahren noch häufig in Italien. Inzwischen wurden dort die Autos meist unter die Erde verbannt. Hier jedoch gibt es nun eben ein Foto mit dem aparten „Dreiklang“ aus Residenz, Marathonis und parkenden PKWs. Hinter dem Verpflegungspunkt links Richtung Theater. Die Straße rechts heißt Rennweg. An der Kurve zur Semmelstraße zelebriert ein Glockenspiel gerade das 11-Uhr-Läuten. Über einem Geschäft lese ich die Aufschrift „House of Pain“. Kein Folterkeller, wie sich herausstellt, sondern ein Tattoo-Studio.

Hinein in die Heinestraße. Hier habe ich fast den Eindruck, in Florenz zu sein. Vor uns die riesige Kuppel des Stifts Haug. Diese große Kirche, die ein Kreuzigungsbild von Jacopo Tintoretto aus dem Jahr 1583 beherbergt, wird umrundet, dann noch kurz am Bahnhofsplatz vorbeigeschaut, bevor es in die Fußgängerzone der Stadt geht. Das von hier aus unscheinbar wirkende Juliusspital (medizinische Fakultät) an der gleichnamigen Haltestelle sollte man sich auch mal von der Gartenseite her ansehen. Auch ein sehr imposantes Gebäude. Die Statue des Stifters Julius Echter steht vor uns an der Laufstrecke. Am Neumünster vorbei stoßen wir auf bekanntes Terrain, genießen den schönen Blick auf die Festung Marienberg samt Läufern und kommen wieder zum Main.

 

 

Unter der Alten Mainbrücke hindurch und dann noch mal ins Getümmel. Am Rathaus spielt eine mehrköpfige Band. Natürlich ist hier am Zugang zur Brücke die Hölle los. Vor uns die markante Doppelturmfassade des Doms St. Kilian. Das viertgrößte romanische Kirchengebäude Deutschlands fungiert als Bischofskirche des römisch-katholischen Bistums Würzburg. Auf jeden Fall lohnt es sich, den Dom auch von der Rückseite anzusehen, da man dort die Größe besser wahrnimmt. Kilometer 20 ist erreicht. Wir halten uns links zum Markt. Ich gebe Gas, um die beiden seit einer Weile mit uns laufenden Damen auch mal von vorne abzulichten. Sie geben sich als Mutter und Tochter zu erkennen.

Ein Marathonläufer verabschiedet sich von seiner Begleiterin, die ins HM-Ziel läuft, mit den Worten: „Wir sehen uns in zwei Stunden“ und rast davon. Das war zwar etwas optimistisch geschätzt, aber ich werde ihn erst kurz vor dem Ziel überholen können. Auch Judith und ich gehen auf die zweite Runde, wir werden links zum Main abgeleitet. Bei Kilometer 21,1 Zeitmessung. Marathon Gemeldete, die direkt ins Ziel gelaufen sind, kommen sofort in eine separate HM-Wertung.

Hinter dem Heizkraftwerk noch ein paar neue Eindrücke, bevor wir auf bekannte Pfade einbiegen.

Natürlich ist es nun etwas ruhiger. In Zellerau rufe ich den entgegenkommenden 3:45-Pacern zu, dass ich versuche, noch aufzuschließen. Große Heiterkeit. Wir haben Glück mit dem Wetter. Wobei es an manchen sonnigen Stellen ohne Wind nun schon recht warm wird. Die VPs werden hier vom  Karnevalsverein Veitshöchheim betreut. Die TV-Übertragung der närrischen Sitzung aus den dortigen Mainfrankensälen beschert dem Bayerischen Rundfunk alljährlich Zuschauerrekorde.  

 

 

Ich plaudere ein wenig mit dem Pacemaker Alexander und beschließe, 12 Kilometer vor dem Ziel noch einen Ausreißversuch zu wagen. Ich kann wieder einige vor mir Laufende „einsammeln“, was nicht immer gut ankommt. Auf dem Ludwigskai ist es sehr heiß. Die VP-Betreuer empfehlen uns, auf der schattigen Seite zu laufen. Die Seniorentruppe unter der Ludwigsbrücke spielt gerade auf einer Art Xylophon, was in mir eine Erinnerung an Bali mit seinen traditionellen Gamelan-Orchestern aufkommen lässt. Fast 30 Jahre liegt mein Aufenthalt dort zurück und damals gab es noch Urlaube ohne Sport für mich.

Ich freue mich schon auf die Innenstadtrunde. Hier ist das Zuschaueraufkommen noch beträchtlich. Die Musikanten beim Unicafé machen gerade noch Pause; als ich später zurückkomme, sind sie aber wieder bei der Sache.

Kilometer 41: „Wo geht´s denn zur dritten Runde?“ frage ich, aber keiner der Ordner lässt sich auf Späße ein. Egal, dann halt dem Ziel entgegen. Ich höre die Stimme von Peter Maisenbacher, der wie immer launisch und fach- und sachkundig moderiert, während ich durchs Ziel rase. Die Medaille ist in Form eines Bocksbeutels gestaltet.

Im Congress Centrum gibt es die Zielverpflegung mit Obst, Laugenstangen und Kuchen. Massagemöglichkeiten in großer Zahl. Auf der anderen Seite stünden Luxus-Duschcontainer bereit. Judith und ich zieht es jedoch in das Bad „Nautiland“ auf der anderen Mainseite, wo wir im warmen Außenbecken noch ein wenig entspannen, bevor wir uns auf den Heimweg machen.

 

Fazit:

Mir hat der Würzburg Marathon sehr gut gefallen. Man kommt an unzähligen Sehenswürdigkeiten vorbei und viele Zuschauer stehen an der Strecke. Viele Super Musikgruppen, die auch auf der zweiten Runde noch aktiv sind. Außer Marathon, Halbmarathon und einem 10-km-Lauf werden Staffel- und Teamläufe angeboten, am Samstag Morgen gibt esden Rosinenbrötchen-Lauf  und am Nachmittag diverse Kinderläufe.

Bleibt noch nachzutragen, dass Christoph, unsere Hotelbekanntschaft, seinen ersten Halbmarathon fünf Minuten schneller als erwartet beendet hat. Da haben sich meine Tipps wohl als nützlich erwiesen. Boston wird übrigens weiterhin ohne uns auskommen müssen: Für eine Qualifikation hat es bei uns beiden leider nicht gereicht.


Sieger Marathon

1 Karpeles, Philipp (GER)    02:27:49
2 Strobel, Johannes (GER)    02:41:02
3 Metzger, Rene (GER)    02:49:18

Siegerinnen Marathon

1 Bauer, Alexandra (GER)     02:55:25
2 Lotz, Johanna (GER)    03:14:32
3 Oestel, Katja (GER)        03:19:36

353 Finisher

 

Informationen: WVV Marathon Würzburg
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