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Laufberichte

Perfetto!

14.11.10
Autor: Klaus Duwe

Was mir noch auffällt: sie haben ihr Tempo so ausgerichtet, dass an jeder Verpflegungsstelle Zeit ist, um im Gehen zu Trinken und zu Essen. Apropos: Es gibt Wasser, Gatorade, Zwieback, Bananen und Schokolade. Kinderschokolade, um genau zu sein. Ich nehme immer mehrere Riegel mit und verteile sie an die Kinder. Das bringt mir Sympathien und Sonderapplaus ein.  So ist es halt, was im Leben ist schon eine Einbahnstraße?

Bis zum nächsten Ort, Orbassano, passiert nicht viel. Mal ein Einkaufszentrum, ein Gewerbebetrieb oder eine Tankstelle, ansonsten Felder und Wiesen, die irgendwo im grauen Nebel verschwinden. Langeweile? Keine Spur. Es ist herrlich. Welcher Marathoni kann nicht mal 5 Kilometer laufen, ohne dafür geklatscht zu kriegen?

In Orbassano geht es gleich wieder rund. Zunächst denkt man an ein verschlafenes Nest, dann kommt man zum Kirchplatz und dort ist Kirmesstimmung. In den engen Gassen macht dann Ilaria wieder die Stimmung. Bei der Halbdistanz zeigt die Uhr 2:14:46 – passt und alle sind happy.

Wir ändern die Laufrichtung, es geht nordwärts und bei km 25 erreichen wir Rivalta, wiederum Standort eines bekannten Schlosses (Castello di Rivalta). Übrigens, wir folgen fast genau der Strecke, die auch 1919 bei der ersten Neuauflage des Turin Marathon gelaufen wurde. Sieger war Valerio Arri, der ein Jahr später 1920 bei den Olympischen Spielen in Antwerpen die Bronzemedaille gewann. Der Kurs weist zwischen dem tiefsten (215 m) und höchsten Punkt (357 m) eine Höhendifferenz von 142 m auf. Durch das Auf und Ab schätze ich, sind es insgesamt wohl 200 Höhenmeter. Spürbar sind die aber nur so ab km 24 bis km 28. Danach wird die Strecke zum Highspeed-Kurs, leicht abwärts und schnurgerade.

Ich habe Mühe, den Pacern zu folgen. Ilaria rennt mit ihren Mannen stur ihr Tempo. „Do you know Pordoi?“ , fragt sie. Ich werde das Pordoijoch in den Dolomiten nicht kennen.  Den Vergleich kann sie nur scherzhaft meinen. Bis Rivoli (km 29) bleibe ich dran, dann sage ich „ciao“ und lasse sie rennen.

Ich glaube, auf dieser Strecke gibt es mehr Schlösser als beim Potsdamer Schlössermarathon zu sehen. Oder besser gesagt, es liegen mehr Schlösser an der Strecke. Sehen kann man heute nicht alle, es ist zu neblig und ich kenne mich zu wenig aus. Auch das Castello di Rivoli ist ein Savojen-Schloss und beherbergt ein bekanntes Kunstmuseum und das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Ristorante Combal.

Von hier laufen wir jetzt  nach Osten auf dem Corso Frankia. Die Straße ist in jeder Richtung mehrspurig, in Laufrichtung ist sie vollständig gesperrt. Die Autos werden über Seitenstraßen umgeleitet, was klaglos hingenommen wird. In regelmäßigen Abständen sind jetzt auch wieder Schlagzeuger im Einsatz. „Forza“, rufe ich einem zu, der in den Blues verliebt zu sein scheint. Prompt erhöht er augenblicklich die Schlagzahl.

Collegno (km 32) ist mit seinen 50.000 Einwohnern eine typische Kleinstadt in der Peripherie von Turin.  Prachtvolle Sehenswürdigkeiten gibt es hier nicht, aber ein Museum besonderer Art: Das Villaggio Leumann. Carlo Giovanni Napoleone Leumann(1841-1930)  war Schweizer und gründete 1872  die Firma Cotonificio N. Leumann in Collegno, das bis zu 1500 Menschen Arbeit bot. Das Wohl seiner Mitarbeiter lag dem erfolgreichen Unternehmer so sehr am Herzen, dass er für sie eine komplette Wohnsiedlung mit eigener Schule, Kirche, Kindergarten, Theater, Mensa, Post und Bahnhof errichtete, das Villaggio Leumann. Durch Heirat und Aktienkäufe kam die Textilfabrik in die Hände der Wermut-Fabrikanten Martini-Rossi, die die Fabrik 1972, nach genau 101 Jahren, stilllegten.

km 35, das Ortsschild signalisiert, wir sind in Turin. Die erste Hauptstadt Italiens hat heute ca. 900.000 Einwohner. Auf dem Höhepunkt der Industrialisierung, 1975, waren es sogar 1,5 Millionen. Die Industriealisierung setzte ein, als Turin den Hauptstadtstatus an Florenz abgeben musste. 1899 wurde Fiat gegründet, 1906 Lancia. Die erfolgreichste Fiat-Modellreihe war der 850er in den 1960er Jahren, der schönste Fiat war der Dino, der bis 1974 gebaut wurde. Die 60er und 70er Jahre waren sowieso die erfolgreichsten überhaupt. Danach ging es bergab. Heute sieht man Straßenrand fast genauso viele Audi und VW wie Fiat, Alfa und Lancia. Ferrari sehe ich keinen. Vielleicht laufen wir im falschen Viertel.

Vor uns taucht im Nebel die Riesenstatue von Viktor Emmanuele (km 40,5) auf. Für die Einheimischen ist es schlicht und einfach das „Monumento“. Danke, fleißiger Drummer, dass Du durchgehalten hast. Der letzte Kilometer wird signalisiert.

Dann der „Salono di Torino“, das Wohnzimmer Turins, die Piazza San Carlo – einfach traumhaft. Rechts und links die Arkaden, in der Mitte die Reiterstatue Emanuele Filiberto, im Hintergrund die Kirchen Santa Cristina und San Carlo, beide aus dem 17. Jahrhundert. Auf der Via Roma laufen wir auf den Königspalast zu. Ein wunderschönes Gefühl, es wieder geschafft zu haben, die prachtvolle Umgebung zu erleben und auf der Piazza bejubelt zu werden.

Und welche Überraschung im Ziel, als Mauro auf mich wartet und mir die Medaille überreicht. Mauro hat in Berlin für den Turin Marathon geworben und mich für die Teilnahme begeistert. Danke Mauro, ich habe Dir ein großartiges Marathonerlebnis zu verdanken. Nächstes Jahr bin ich wieder dabei. Zum Jubiläum scheint dann bestimmt auch die Sonne.

Siegerliste

Marathon Männer

1  PERTILE RUGGERO  ITA  02:10:58
2  KIMAYO LAWRENCE   KENYA  02:11:46
3  LEMMA HABTESELASSIE   ETIOPIA  02:12:21

Frauen

1 JEPTOO PRISCAH   KENYA  02:27:02
2 TOLA FATE   ETIOPIA  02:28:22
3 CHEPSOI FLORENCE  KENYA  02:32:39

123
 
 

Informationen: Turin Marathon
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