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Laufberichte

Perfetto!

14.11.10
Autor: Klaus Duwe
 

Startschuss und los geht’s


Gleich sind wir auf der Via Po, deren beiderseitigen Arkaden sich auf der Piazza Vittorio Veneto fortsetzen. Der prachtvolle Platz gilt als der größte dieser Art in Europa. Wir laufen direkt auf die über den Po führende und mit leuchtend gelben Blumen geschmückte Ponte Vittorio Emanuele I. zu. Die Kirche Grand Madre am anderen Ufer ist im Nebel kaum zu sehen. Viele Menschen glauben, unter der Kirche sei das Grab Jesu.

Wir biegen rechts ab und bleiben diesseits des Flusses. Normalerweise hat man vom Monte Capuccini auf der anderen Flussseite den schönsten Blick auf die Turiner Altstadt. Heute liegt der Berg mit der Kirche Santa Maria del Monte und dem Museo Nazionale della Montagna im Nebel.  Der Parco Valentino präsentiert sich herbstlich bunt. Das gleichnamige Schloss ist eine königliche Residenz, erbaut 1660.

Wir folgen dem Po,  der Italien an seiner breitesten Stelle im Norden von den westlichsten Alpen bis zur Adria komplett durchfließt. 652 km ist der Fluss lang, die Ebene zwischen Turin und Mantova ist die wichtigste Landwirtschafts- und Industrieregion Italiens.

Drei Kilometer sind wir erst gelaufen, aber was dem Auge bereits geboten wird, ist sehr eindrucksvoll.   Auf der breiten, völlig verkehrsfreien Straße hat sich das Feld weit auseinander gezogen. Den kühlen Novembertag spürt man kaum. Nur der Nebel und  vorübergehend ganz  leichter Nieselregen erweisen sich ein wenig als Spielverderber. Die Stimmung ist dennoch gut. Dafür sorgen auch die im Abstand von 500 Metern postierten Schlagzeuger, die ihre Instrumente unermüdlich bearbeiten und erstaunlich viele Zuschauergruppen.

1961 durfte Turin anlässlich des Jubiläums „100Jahre Italienische Einheit“ die Weltausstellung ausrichten. Bei km 6 sind wir auf diesem Gelände, das die Turiner kurz „Italia 61“ nennen. Die futuristisch anmutende Halle Palavela mit dem an Segel (Vela) erinnernden Dach wurde bereits zur Weltausstellung errichtet und für die Olympischen Spielen zur Eissporthalle umgebaut.

Nicht weit von hier, in Lingotto, war eines der drei Olympischen Dörfer. In dem Turiner Stadtteil arbeiteten einmal bis zu 70.000 Menschen bei Fiat,  der größten Autofabrik der Welt. 1982 wurde die Fabrik geschlossen und das Gelände in ein modernes Kultur-, Messe- und Einkaufszentrum umgebaut, zu dem auch eine Konzerthalle, ein Multiplexkino, eine Nobelherberge und selbstverständlich auch ein Museum, die Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli, gehören.

Bei km 8 sind wir in Moncalieri, einer Stadt mit ca. 58.000 Einwohnern , die von der Strecke aus gesehen nicht viel hergibt. Ein paar nette, alte Häuser, freundliche Zuschauer, das ist alles. Das prachtvolle Savojen-Schloss entgeht mir im Nebel und dass es hier einmal eine ganz berühmte Karosserieschmiede gab, wissen nur noch ganz eingefleischte Oldtimer-Fans. Der De Tomaso Pantera von Maggiore aus den 1970er Jahren ist noch heute ein echter Hinkucker. 

Verborgen bleibt uns auch die Kirche Santa Maria della Scala, Grab des Seligen Bernhard und Wallfahrtsort wegen zahlreicher Wunder, die sich hier ereignet haben sollen. Der Selige Bernhard, Schutzpatron von Moncalieri, wurde 1428 als Sohn des Markgrafen auf dem Schloss in Baden-Baden geboren. In der ihm geweihten Kirche wurde ich getraut.  Jetzt kann ich die Wallfahrt, die für viele Baden-Badener Pflicht ist, abhaken. Moncalieri ist auch eine Partnerstadt von Baden-Baden.

Gut einen Kilometer weiter sind wir in Nichelino, wo sich mit dem Jagdschloss Stupinigi eine weitere Verbindung zu meiner Heimatstadt erstellen lässt. Das Savojen-Schloss diente nämlich Wilhelm Kreis als Vorbild für das Schlosshotel Bühlerhöhe an der Schwarzwaldhochstraße bei Baden-Baden. Nichts ist zu spüren von der Zurückhaltung, die man den Menschen hier nachsagt. Viele Zuschauer stehen an der Straße und feuern die Läuferinnen und Läufer an: „Bravi, bravi“, „Dai, dai, dai“ und „Complimenti!“. Eine Trachtengruppe trägt gerade ein wunderschönes Lied vor, dann machen mich die nächste Trommler wach. Die müssen  alle Schlagzeuger der Region rekrutiert haben.

Wir laufen jetzt westwärts, es wird ländlich. Man muss nun selbst für etwas Abwechslung sorgen. Um mich rum wird aber nur italienisch gesprochen. Den  4:30-Pacern, in deren Umfeld ich mich seit einiger Zeit aufhalte, beobachten offenbar meinen seltsamen Lauf mit den dauernden Fotostopps sehr aufmerksam. Schließlich werde ich angesprochen, Ilaria kann etwas englisch. Sie erzählt mir von Berlin und vom Jungfrau Marathon, vom K 78 und vor allem vom UTMB, den sie zusammen mit Giovanni erfolgreich beendet hat. Natürlich will sie wissen, was ich schon so in Italien gelaufen bin und was ich noch vorhabe. „Firenze? See you in Firenze. I’m the pacer for 5 hours!“ Der Lauf  ist  auch schon gerettet. Man muss nämlich wissen, dass die Pacer in Italien, so habe ich es jedenfalls fast ausnahmslos kennengelernt, ausgesprochene Stimmungskanonen sind. Sie geben nicht nur das Tempo vor, sie unterhalten die Gruppe pausenlos und animieren die Zuschauer. Ilaria macht das besonders gut. In Beinasco, einer kleinen Stadt bei km 14, zieht sie wieder sämtliche Register und alle profitieren.

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Informationen: Turin Marathon
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