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Laufberichte

Balanceakt

17.03.13

Frühzeitig setzen wir über den Rhein auf die französische Seite des Rheintals. Schnell weicht die Hektik auf deutschen Autobahnen dem geruhsamen Cruisen auf Französischem Boden. Zudem ist es immer wieder frappierend, wie schnell sich doch das gesamte Landschaftsbild innerhalb weniger Kilometer ändert.

Das Elsässer Flair begeistert mich immer wieder auf’s Neue. Ich hoffe, meinen Begleitern geht es ebenso und sie schalten auf Entspannungsmodus. Jan meine ich da natürlich nicht, er ist immer die Ruhe in Person, wenn wir auf Reisen gehen. Aber Greppi und Charly sind doch schon seit einigen Tagen etwas …unruhig, würde ich sagen. Bisher sind sie noch nicht länger als die Marathondistanz gelaufen. Dementsprechend sorgt der bevorstehende Ultra für etwas Aufregung. Aber wer kennt das nicht?

Über Straßburg und Colmar gelangen wir nach Rouffach, nicht aber ohne zwischendrin einen Stopp an einem der großen Gourmet-Tempel einzulegen um mich mit elsässischen Köstlichkeiten einzudecken. Original Munster(käse) und Gewurztraminer – schreibt man hier alles ohne „ü“-Strichelchen – stehen auf meiner obersten Einkaufsliste. Eine Kombination, die in den Weinfeldern um Molsheim beim Weinmarathon im Juni immer serviert wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

Fast am südlichsten Ende der Route de Vin, der Elsässer Weinstraße, liegt Rouffach. Die Bauern- und Winzerstadt wurde bisher vom übermäßigen Touristenansturm verschont, die alten Fachwerkhäuser haben schon gehörig Patina angesetzt, was genau auch den nostalgischen Charme und Reiz dieser 5.000 Einwohner-Stadt ausmacht. So gibt es sogar noch einige alte Patrizierhäuser und Zehnthöfe zu begutachten. Um den Place de la République stehen besonders viele bemerkenswerte Gebäude, die fast alle aus der Zeit der Spätgotik und Renaissance stammen. Wie zum Beispiel der Hexenturm, der im Mittelalter während der Hexenprozesse als Gefängnis diente. In seinen Mauern schmachteten einst die gefolterten Frauen bis zu ihrem Prozess. Über vierzigmal loderte der Scheiterhaufen.

Daneben im alten Rathaus aus dem 15. Jahrhundert bekommen wir unsere Startunterlagen ausgehändigt. Vergessen sollte man keinesfalls ein gültiges ärztliches Zeugnis, denn ohne geht hier gar nichts. Nicht älter als ein Jahr darf es sein und muss spätestens beim Abholen der Startnummer vorgelegt werden. Im Eingangsbereich ist die Ausgabestelle für den Crèmant d’Alsace, den jeder Teilnehmer nach Vorzeigen der Startnummer überreicht bekommt. Das Gegenstück, das Luxusgetränk aus der Champagne, hat durch ihn große Konkurrenz bekommen, was die Winzer dort weniger erfreut. Rund 13 Prozent – das sind über 20 Millionen Flaschen – der elsässischen Weine werden durch eine zweite Gärung zu Crémant verarbeitet.

Oben auf den Dächern der alten Gebäude brüten die Störche, ihre Flugvorführungen haben mich im Vorjahr fasziniert, heute ist das anders. Auf den ersten Blick ist nichts zu sehen von Le Cigogne Blanche, dem inoffiziellen Elsässer Wappentier. Vielleicht ist ihnen zu kalt, obwohl Störche der Kälte besser trotzen können als andere Zugvögel. Viele der hier ansässigen Weißstörche haben ihre Reiselust verloren, auch dank der Fütterung durch Menschenhand, und überwintern im Elsass. Erst bei genauerem Suchen sind die ersten in ihren Nestern in den Bäumen und umliegenden Hausdächern zu entdecken.

Mit einer Flügelspannweite von über zwei Metern, gehören sie zu den prachtvollsten Vögeln Mitteleuropas. Dabei waren sie Ende der 70er Jahre im gesamten Elsass fast komplett ausgestorben. Gab es um 1900 noch tausende, waren es 1982 gerade mal 2 Paare, die noch gezählt wurden, was die Leute in eine gewisse Panik versetzte. 1983 starteten Naturschützer ein Wiederansiedlungsprogramm. Dank Hege und Pflege in den zahlreichen Storchenparks zwischen Mühlhausen und Straßburg gibt es heute wieder über 400 Paare. Nur einige hundert Meter vom Hexenturm entfernt, gibt es auch in Rouffach eine Aufzuchtstation. Etwa 20 Stück, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Geheges, können wir uns aus nächster Nähe bei einem kleinen Spaziergang bewundern.

Um 19 Uhr beginnt im Untergeschoss des alten Rathauses die Pastaparty. Man kann sie für 10 Euro zusätzlich zu den moderaten Gebühren von € 30 für den Ultratrail buchen. Dafür bekommt man aber auch ein komplettes Menü mit Vorspeise, Nudelteller und Obstsalat & Kuchen geboten. Getränke in Form von Wasser und Wein sind ebenso inbegriffen, welche auch jederzeit nachgeschenkt werden.

Der Startort ist einige hundert Meter entfernt vom alten Rathaus am Place des Humanistes. Es regnet leicht vor sich hin, freie Plätze unter Zeltplanen sind so begehrte Unterstellplätze. Das Wetter hat leider in der Nacht umgeschlagen, weiter oben am Petit Ballon ist mit Schnee zu rechnen, wahrscheinlich auch mit mehr als den wenigen Zentimetern, von denen mir gestern Organisator Christophe Acker erzählt hat. So stellt sich für mich wenigstens nicht die schwierige Kleiderfrage. Lange Hose und Regenjacke, dazu Wechselkleidung in den Rucksack wähle ich ohne lange zu überlegen.

2.000 Trailer werden heute die drei angebotenen Strecken in Angriff nehmen. Zur Auswahl stehen der Trail du Petit Ballon, der Circuit des Grands Crus mit 24,7 km und der Mini Trail de l’Ane mit 8,3 km. Beim Ultratrail sind 838 Personen vorangemeldet, davon 170 aus Deutschland. Das lässt sich doch sehen und ist eine erneute Teilnehmersteigerung zum Vorjahr.

„Première surprise“. Zum „10ème Anniversaire“ gibt es zur Überraschung aller vor ein paar Tagen noch die Meldung, dass der Ultratrail an diversen Stellen verändert wird, was im Klartext eine Verlängerung auf 49,7 km mit 2.300 Höhenmetern bedeutet. Weitere Neuerung der Jubiläumsveranstaltung ist, dass die Strecke ab km 5,5 in entgegengesetzter Richtung gelaufen wird. Als Wiederholungstäter kenne ich die Strecke vom Vorjahr und weiß daher, dass uns da natürlich ein 6 km langer Downhill-Singletrail durch die Lappen geht, der nicht nur bei mir besondere Euphorie auslöste. Daher bin ich auch erst einmal nur verhaltend positiv gestimmt. Aber jede Veränderung bringt oft auch Gutes mit sich, daher gilt: schau‘n mer mal.

Geblieben ist die Form des Kurses. Vier Schleifen hintereinander, oder eine Doppelacht, wer sich das besser vorstellen kann. An den drei Schnittpunkten sind jeweils Verpflegungsstationen eingerichtet, welche dann natürlich immer zweimal angelaufen werden. Insgesamt können wir uns sechs Mal verpflegen. In Osenbach (km 40,5) gilt es eine Cut-Off-Zeit zu beachten. Wo die genau liegt, wurde nach der kurzfristigen Kursänderung nicht mehr bekannt gegeben. Beim alten, kürzeren Kurs wäre das bei 5:30 h gewesen, allerdings fand die ursprüngliche zweite Osenbach-Durchquerung schon bei km 35 statt. So bleibt etwas Ungewissheit für langsamere Teilnehmer.

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Informationen: Trail du Petit Ballon
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