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Laufberichte

Trail du Pays Welche: Il o fô, il o fô

12.07.09
Autor: Joe Kelbel

Der erste See, den wir erreichen ist der Lac Des Truites (Forellensee). Hier sitzen drei Angler die ich frage, ob sie auch Sport machen. Galgenhumor, denn jetzt wird es happig. Wir müssen über den alpinen Grat. Längst bin ich unterzuckert. Eisiger Wind mit Regen fegt über die Almwiesen. Wir haben noch nicht mal 18 Kilometer hinter uns. Über 300 Höhenmeter auf 2 Kilometern geht es abwärts. Das tut weh.  „Lac Noir par groupe de rochers, difficile“. Das ist nicht übertrieben, und der folgende abschüssige Pfad durch wüste Felsentrümmer,  ist wohl der schwierigste Abschnitt des Laufes. Ich verliere meine letzten Fußnägel, knicke um, stürze.

Der  Lac Noir (Schwarzseee) erscheint fast lieblich. Eine kleine Zufahrtsstraße endet am Ufer. Die abgeblätterte, weiße Fassade eines Elektrizitätswerks spiegelt sich im See, dessen Wasser im Kontrast tatsächlich schwarz erscheint. Durch den Felsen zum tieferliegenden Lac Blanc (Weissee) führen die Wasserleitungen. In Zeiten geringen Stromverbrauchs wird das Wasser zwecks Energiespeicherung hier hoch gepumpt.

Steile, gräulichblaue Felsen rahmen den 72 m tiefen Gletschersee Lac Blanc. Nackter, quarzhaltiger Fels, der den See hell scheinen lässt. Bedrohlich kippen Geröllfelder zum Wasser ab, in dessen glatter Fläche sich die Berge spiegeln.
Die Kletterpartie geht jetzt erst richtig los. Zwischen mächtigen Felsbrocken steigen wir steil in den Wald hinauf, wobei der teilweise nur schwer erkennbare Pfad durch die vielen markierten Fichten angezeigt wird. Je höher wir kommen, desto schöner wird die Sicht auf das Kaysersberger Tal und die schroff aus dem See anfragende Felsnadel, le Chäteau Hans oder Rocher Hans, an der sich alpine Kletterer mit Seil und Steigeisen üben.

Warnschilder. Es wird alpin, die Beine zittern, es ist kalt. Wer hier nicht schwindelfrei ist, der hat Probleme. Auf allen Vieren kraxeln wir hier hoch. Die Uhr rennt. Wir nicht. 180 Grad-Panorama-Ausblick über das Skigebiet, die Rheinebene, die Alpen, das ganze Land.

400 Höhenmeter steil abwärts. Die Oberschenkel fliegen weg. Mein Fuß rutscht in eine Felsspalte, ich schlage mir das Schienbein auf. Rücktransport? Wäre möglich, es gibt viele Streckenposten. Aber weiter! Wieder zum Schwarzsee . Sitzend über die Ufermauer, unter der Steinbrücke durch, einen Überflußgraben lang, der für uns extra freigelegt wurde, abwärts, das tut weh. Hartes Terrain. Und wieder die gesamte Strecke hoch zum „Balcon du Lac Blanc“. Hier ein See, dort eine See, hoch und runter - ich kann nicht mehr. Il o fô, il o fô

Wir bewegen uns während dieser Stunden oberhalb von 1100 Metern, das darf man nicht unterschätzen. Der Körper kann keine Energie verbrennen. Richtiges Laufen, wie beim Marathon, ist nicht möglich. Kleine balancierende Trippelschritte, links, rechts, nur nicht geradeaus.

Ich weiss nicht, was mehr schmerzt, hoch oder runter. Es gibt keinen Vergleich zum Rennsteig, zum Bärenfels,Westerwald oder zu Biel. Die Steine bringen dich um! Du kletterst, bremst, haust dir die Zehen ein, du stürzt oder knickst um, du schürfst dir Knie und Hände auf, du schreist vor Schmerzen, wenn du einen Stein falsch erwischtst, du versinkst im Morast und wirst geweckt, wenn du an einem Elektrozaun gerätst. Fliegenschwärme, Brennesseln, Kuhfladen und Brombeerranken, es ist wirklich unbeschreiblich! Blasen, Muskelschmerzen, zerriebene Haut, dünne Luft, Sonne, Regen, Durst und Hunger, Sonnenbrand....

Ja! Geil! Endlich wieder an der körperlichen Grenze! Aber noch einmal geht es aufwärts. Ein Mädchen drückt mir eine Handvoll Blaubeeren in die Hand, und weiter....Oben steht der Tour du Faudé, Stufen hoch, Luftholen, Aussicht, Stufen runter. Über neun Stunden dauert meine Tortur.

Il o fô, il o fô,  wir sind ja alle verrückt.

Fazit: Der Trail ist knallhart! Der Orbey Running Club hat saubere Arbeit geleistet: Die Markierung war schon ein Heidenaufwand, aber es wurden Wegschneisen für uns ins Gestrüpp und durch Unkraut gemeisselt, das könnt Ihr Euch nicht vorstellen! Es geht wirklich über Bäume; unter Zäune, durch Geheimwege, durch Dick (Steine )und Dünn (Kuhfladen). Die ganze Gemeinde war unterwegs, um die Kreuzungen zu sichern, um den Weg zu zeigen, um aufzumuntern, um zu versorgen. Jeder Wanderer wußte, daß wir den Trail machen und feuerte uns an „Bon courage“. Der Trail ist ein Hammer!

Und das Wichtigste: Es waren „zwar nur 50 km“, aber der Orbey Running Club hat  den verrückten Joe endlich  richtig fertig gemacht! Il o fô, il o fô. Merci!

Wem so ein Extremtrail gefällt, der sollte am 11.Oktober den Trail Des Marcaises mitmachen. Start im Munstertal, 42 km mit 2103 HM: traildesmarcaires.e-monsite.com

 

 

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Informationen: Trail du Pays Welche
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