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Laufberichte

Das war einmålig!

15.07.12

Werde ich starten können? Evi ist ausgebildete Rang-Dröl-Referentin, legt mir gleich die Hände auf und instruiert Manuela, wo auch sie handgreiflich werden soll. Mir ist ganz flau. Die Blutung im Gesicht ist schnell gestoppt, für den Handballen suchen wir eine Krankenschwester – in alter Tracht – auf, die hat ein Pflaster für mich. Habe ich noch das Problem mit den Augen. Ich sehe Wellen im Boden, die da nicht sind. Es sieht aus, als würde ein ins Wasser geworfener Stein Kreise auf einer Wasseroberfläche verursachen. Nur dass wir hier auf einem Kunstrasenfeld sind, auf dem diverse Markierungen für unterschiedliche Sportarten aufgemalt sind.

Günther verabschiedet sich in seine Startaufstellung, ich werde von Evi und Manuela am Boden liegend mit geschlossenen Augen geströmt, also geRang-Drölt. Der rechte Handballen brennt, das Gesicht schwillt an, das linke Knie verhält sich unauffällig. Nach zehn Minuten sehe ich wieder klar.

Wenn man sich so lange auf ein Rennen vorbereitet hat, dann will man es auch durchziehen, wenn es irgendwie zu verantworten ist. Ich verziehe mich Richtung Stadion. Startnummern 2501 – 5000 sind nun dran. Ein Ordner macht uns darauf aufmerksam, dass man in 100 Jahren vielleicht unsere Fotos ansehen wird und ob wir deshalb eh gut geschminkt wären?

Als drinnen der erste Block abgelassen worden ist, dürfen wir in das Stadion. Bis zur Startlinie haben wir etwas mehr als eine halbe Runde zurück zu legen. Ich laufe ein paar Schritte um zu spüren, wie es sich anfühlt. . . . Das könnte klappen. Etwa ein Dutzend Schützen in alten Uniformen steht am Spielfeld für den nächsten Startschuss bereit.

13h58 Eine Gewehrsalve schickt uns auf den Kurs. 3min später bin auch ich unterwegs. Eine dreiviertel Runde im Stadion und raus auf die Straße, den Valhallavägen. Klasse Stimmung, viele Zuschauer, ein tolles Erlebnis. Bin ich froh!

Es geht auch gleich mit einer leichten Steigung los, rein in bewohntes Gebiet. Wir kommen an die Eisenbahn, als die Strecke steil abfällt. Schon nach 2km gibt es erstmals „Vatten“ zu trinken. Auf Nebenstraßen, durch Siedlungen und Wälder geht es. Ab und zu geht es an der Autobahn Richtung Flughafen entlang. Diese Autobahn ist wohl ein Hauptgrund, warum wir „nur“ zu 99% auf der Originalstrecke laufen. 

Bei der nächsten Labestelle gibt es zum Wasser auch Iso, Zitronen- und Orangespalten. Wir haben großes Glück mit dem Wetter. Nun ist es bewölkt. Bei km5
gibt es die erste Zwischenzeit in einer Baumallee, großes Zuschauerinteresse herrscht hier. Ich habe knapp 31min gebraucht, hetzen wollte ich eh nicht. Dazu ist auch das Streckenprofil zu giftig. Ich weiche den Duschen aus, es hat 19 Grad, das kann ich ohne Extrakühlung aushalten. Mit „Heja, heja!“ werden wir angefeuert .

Rauf zu km6, da beginnt es leicht zu regnen, etwa 15min lang. Die Musikgruppe ist unter einem Baldachin, hat aber leider gerade Pause. Und wieder steil hinunter, auf der Ideallinie muss ich einer Dusche ausweichen, bald geht es wieder steil aufwärts. Der Veranstalter hat nicht übertrieben, als er vor dem Streckenprofil gewarnt hat. Ich muss an die Olympioniken von 1912 denken, die hatten Sonnenschein und 31 Grad!

Davor hatte ich mich gefürchtet. Evi und ich waren im Juli 2005 schon einmal in Stockholm, da hatte es auch über 30 Grad. Da war das Besichtigungsprogramm im „hop on hop off“-Bus schon eine Herausforderung.

Km10 nach 62min. Ich bin recht zuversichtlich, dass ich ins Ziel komme. Meine Verletzungen sollten mich nicht hindern. Wasser und Iso gibt es ausreichend. Die kurzen Abstände zwischen den Versorgungsposten hätten wohl auch für ein Hitzerennen gereicht. Alle Helfer sind schick adjustiert mit weißem Hemd, schwarzem Mascherl und Strohhut. Oder aber in Ausgehgarderobe von +/-1912. Ich bin gespannt, wann mir der erste Läufer entgegen kommt.

Der Marathon von 1912 war 40,075km lang. Er verlief zur Kirche von Sollentuna und denselben Weg wieder zurück ins Olympiastadion. Die gesamte Strecke ist also hin und zurück zu laufen, ein einziger Gegenverkehrsbereich. Nach km13 ist es soweit. Zwei Motorräder mit Blaulicht kündigen den Führenden an. Er ist 10min vor mir gestartet und jetzt bei km27! Dann eine Lücke, bis der zweite, dann auch der dritte kommt.  Hier sitzt eine gesellige Runde, die jeden, der Augenkontakt aufnimmt, auf ein Glas Bier einlädt. Freibier in Skandinavien! Wenn das keine Sensation ist! 

Nach km14 am Bahnhof von Sollentuna ist wieder viel los. Relativ viele der Zuschauer sind kostümiert an der großen Labestelle für beide Richtungen. Die Strecke führt entlang der Eisenbahn, die Züge brausen mit geschätzten 200km/h in wenigen Metern Entfernung an uns vorbei. Nun den Hügel rauf, noch 5km bis zur Wende.

Km15 nach 93min. Der Gegenverkehr wird stärker. Richtig eng wird es, als wir zwischen km16 und km17 auf verwinkelten Radwegen Autostraßen überqueren. Ich mache einen Abstecher auf die Wiese, um beim Verzehren des PowerGels niemandem im Weg zu stehen. Dann wird die Strecke wieder breiter. Nach km18 geht es unter der Eisenbahn durch, nur mehr 2km bis zum Wendepunkt! Hier kommt mir Günther entgegen. Ich habe schon längere Zeit nach ihm Ausschau gehalten. Auch er ist guter Dinge. Bei km19 ein Linksknick mit Anstieg, die Zuseher werden mehr. Hier herrscht ein richtiges Getümmel aus Zusehern beiderseits der Straße und Läufern, die kurz vor oder kurz nach der Wende sind. „Heja, heja!“ Es gibt wieder zu trinken und Orangen.

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Informationen: Stockholm Jubilee Marathon
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