Mich erreicht eine Email von Vereinskameraden Martin: Steinhart500! Oha, das Auftreten des Wortes „Hart“ flöst sofort Respekt ein. Martin weiß von meinem Unfall, welcher mich 3 Wochen aus dem Verkehr zog und deshalb nicht am Röntgenlauf teilnehmen konnte. Während ich noch den Kopf in den Sand stecke und mich nicht an eine weitere Laufplanung traue, kommt sein Vorschlag goldrichtig. Ein Studium der Homepage und ich finde heraus, dass die 500 für 500 Höhenmeter auf der Marathondistanz steht. Das sollte zu schaffen sein und der Entschluss steht fest: Steinfurt, wir kommen!
Zum 8. Mal wird am 10.11.2019 schon die „neue Version“ des Steinfurter Marathons am Bagno-Buchenberg durchgeführt, und wenn es so erfolgreich weiter geht, knüpft man bald an den legendären Steinfurter Marathon an, welcher von 1984-2011 ebenfalls vom Turnerbund Burgsteinfurt 1862 e.V. durchgeführt wurde. Hier wurde auch 1984 der Zug- und Bremsläufer erfunden, den es seitdem global bei allen großen Veranstaltungen gibt. Wer hätte das gedacht!
Wir starten bereits am Samstag direkt von den Kreis-Cross-Meisterschaften ins schöne Münsterland. Unser Hotel hat ein integriertes italienisches Restaurant und bietet optimales Carbo-Loading für den anstehenden Marathon. Nach Pizza, Pasta & Vino geht es früh ins Bett und am nächsten Morgen gut ausgeschlafen zum Schloss Burgsteinfurt, einer Wasserburg aus dem 12. Jahrhundert und somit die älteste Westfalens. Trotz eines komplett zugefrorenen Fahrzeugs sind wir früh dort und bekommen noch einen Parkplatz vor den Technischen Schulen, keine 100 m Entfernung zur Dusche und 200 m zum Veranstaltungszelt vor dem Schloss.
Wir haben 2 Grad und sind froh über kurze Wege. Nach der eiskalten, sternenklaren Nacht ist kein Wölkchen zu sehen. Das verspricht heute noch Sonnenschein, welcher uns zur Mittagszeit immerhin 8 Grad bescheren soll. Im Festzelt finden wir neben der Startnummernausgabe auch eine kleine aber feine Marathonmesse. Wer seine Kleidung noch pimpen möchte, hat hier noch die letzte Gelegenheit. In aller Ruhe versorgen reichlich Helfer alle Läufer mit ihren Nummern und Champion Chips, ein Kuchen-Buffet ist bereits eröffnet und wärmender Kaffee ist auch schon da. Das Zelt füllt sich, je näher die Startzeit um 9:30 Uhr kommt. 346 Läuferinnen und Läufer sind für die 28, 42 und 56 km langen Strecken vorangemeldet, 72 Nachmelder kommen hinzu. Letztendlich werden am Ende 344 Finisher gezählt. Hinzu kommen 520 Finisher des 14 km-Laufs, der um 10 Uhr gestartet wird.
Die meisten bleiben lange im Zelt, um ein paar Fotos vom Starterfeld zu bekommen muss ich raus. Mitten in den Startblock hat man zwei Paletten Ziegelsteine gestellt. Man muss wissen: Ziegelsteine sind die originellen „Medaillen“ beim Steinhart 500. Die Paletten sind dann auch noch das Podest, von dem aus kurze Ansprachen gehalten werden und die Bürgermeisterin schließlich den Startschuss abfeuert.
Mit vier Minuten Verspätung geht es los, Startmatten liegen aus und jeder bekommt seine Nettozeit. Ich stürme los, um möglichst viele Bilder direkt nach dem Start mit einem dichten Feld zu bekommen, danach wird das Läuferfeld bald deutlich lichter. Die erste Ziffer der Startnummer zeigt an, wie oft eine Läuferin oder ein Läufer die 14km-Runde laufen will. Für „Wackel-Kandidaten“ oder Unentschlossene gibt es auch ein Flex Ticket, mit dem man unterwegs entscheidet, welche Distanz es letztendlich sein soll.
Wir laufen vom Schloss direkt in den Bagno, eine 125 Hektar große Parkanlage, die bereits seit 1765 existiert und sich zur bedeutendsten Westfalens entwickelte, da Graf Ludwig diese 1780 übernahm und nicht hinter Mauern versteckte, sondern für jedermann öffnete.
Wir laufen über Pflaster, Asphalt und Waldwege und bewältigen kaum merklich auch die ersten Höhenmeter. Für mich als Mittelgebirgler sind die ersten Kilometern wirklich als flach zu bezeichnen. Ich laufe auf Irina auf, kurz danach schließt sich uns Uwe an. Wir bekommen ab und zu Sonnenstrahlen ab, was die gute Laune noch deutlich steigert. So sind die ersten 4 Kilometer leicht geschafft und wir erreichen mit dem Zehntel-Marathon die erste Verpflegungsstation. Rosinenstuten ist hier der Geheimtipp und wird reichlich in Anspruch genommen. Daneben gibt es auch Wasser, Iso und Cola, Salzbrezel und Obst.
Von hier aus laufen wir ein Stück über eine abgesperrte Straße, um schon nach 100 m wieder auf einen Waldweg zu verschwinden. Jetzt kämpfen wir uns auf den zweithöchsten Punkt der Strecke, um von dort kaum merklich bergab bis zur tiefsten Stelle der Strecke zu rollen. Beim Hof Stegemann erwartet uns der zweite VP. Es ist immer noch frisch und ich will sie eigentlich nicht in Anspruch nehmen. Dann sehe ich aber im letzten Moment, dass auch Weizen alkoholfrei im Angebot ist. Na denn …
Wir sind am östlichen Wendepunkt der Strecke, ab hier geht es wieder Richtung Schloss. Aber jetzt liegt sie vor uns, die beinah senkrechte Wand aus dem Höhenprofil. Die ungefähr 50 HM beginnen sanft über einen Feldweg und gehen kurz und knackig auf einen Waldweg über. Erfreulich schnell ist der Gipfel erklommen und der Weg senkt sich wieder ins Tal. Durch schönen Herbstwald, immer wieder bunt erleuchtet durch die einfallende Sonne, geht es zurück Richtung ersten VP. Man kann die Stelle sehr grob als 8 bezeichnen, in deren Mitte dieser VP eingerichtet ist. Somit kommen wir auf jeder Runde hier gleich zweimal vorbei. Sehr praktisch!
Der 10. Kilometer ist geschafft und es geht zurück in den Bagno. Eine kurze Begegnungsstrecke sorgt für Kurzweil, bevor wir uns rechts halten und wieder die gesamte Wegbreite für uns haben. Ein weiterer Anstieg steht bevor. Dieser führt uns auf eine Pendelstrecke, auf der es tatsächlich etwas eng werden kann, wenn in beide Richtungen nebeneinander gelaufen wird. An der Konzerthalle im Bagno umrunden wir eine Brunnenanlage und dürfen ein paar moderne Plastiken besichtigen.
Es folgen ein paar Brücken und wir laufen an Ausläufern des Bagno Sees entlang. Eine Truppe vom Steinfurt Marathon empfängt uns mit Fahnen und feuert uns an. Wir umkreisen den Golfplatz, begegnen den Läufern, die bereits auf die nächste Runde gehen, und sind schon fast wieder am Schloss, als uns ein wachsamer Ordner noch einmal nach rechts weist. Kurz danach ein Schild: „Nur noch 1 km bis zum Ziel“! Wir verlassen den Wald und laufen durch eine Allee Richtung Schloss. Eine schöne und abwechslungsreiche Runde nähert sich dem Ende, im Zielkanal halten wir uns links zur nächsten Runde. Zunächst erreichen wir aber den nächsten VP. Wie schon beim Start angekündigt, werden auf der zweiten Runde zusätzlich Gels angeboten. Ich freue mich auf die nächsten 14 Kilometer.
Caro schließt sich uns an, sie läuft heute ihren 2. Marathon. Wir nehmen sie mit. Die zweite Runde ist eigentlich ein durchgehendes Gespräch unter uns vier und geht rasend schnell rum. Erwähnenswerter Unterschied zur ersten Runde sind die Würstchen vom Grill beim zentralen VP und kühles Veltins beim Hof Stegemann. Beides gehört allerdings nicht zur regulären Verpflegung, aber bei Nachfrage zeigt man sich in Steinfurt spendabel. Von offizieller Seite wird die Verpflegung durch Energieriegel ergänzt.
Die dritte Runde beginnt, Uwe zieht nach verkürzter Pause davon, Caro geht in einen strammen Marschschritt über und fällt zunächst zurück. Aber wir werden uns alle wieder finden. Die Strecke ist schon bedeutend leerer, Marathonis und Ultras sind nun unter sich. Erst jetzt entdecken wir, dass am Wegrand die Medaillen bzw. Ziegelsteine des Steinhart500 eingelassen sind. Eine schöne Idee ihn so auf der Strecke zu verewigen. Dieses Jahr kann bereits der 8. Stein gesetzt werden.
Nach 32 km überrundet uns Martin, er ist super drauf, 20 Minuten schneller als er dachte und rast Richtung Ultra-Ziel. Bei der letzten Konzerthallen-Passage werden wir auch noch von Markus und Jenny überrundet. Markus hält den Weltrekord im Rückwärtsmarathon und ist so schneller, als ich vorwärts. Heute zieht er Jenny auf den sicheren ersten Platz des Steinhart666, wir lassen sie kampflos passieren.
Zum dritten Mal nähern wir uns dem „noch 1 km“ Schild, es ist in dieser Runde noch schöner als davor. Inzwischen sind Irina und ich alleine, bei dem Versuch an Gerd dran zu bleiben, haben wir die letzten Reserven rausgehauen und damit Uwe und Caro ein bisschen abgehängt. Zum dritten Mal geht es durch die Allee Richtung Schloss und der Gedanke an das unmittelbar bevorstehende Finish macht schon glücklich.
Der Speaker erwartet uns schon und begrüßt jeden an der Ziellinie. Wir bekommen unseren Ziegelstein und die Ladies nach alter Steinfurter Marathon-Tradition eine Rose. Das Finisher-Bier schmeckt wie immer und so endet ein wieder einmal wunderbarer Marathon. Tolle Strecke, hervorragende Orga und ein Wetterchen wie aus dem Bilderbuch. Heiße Duschen, kurze Wege und die Siegerehrung im Festzelt runden die Veranstaltung ab.
Den Vogel schießt Uwe ab, in dem er verspricht: „Ich lauf jetzt noch 2504 mal hier und dann kann ich mein Haus verklinkern!“
Wir werden noch Zeuge einer besonderen Ehrung: Tom ist heute seinen 100. gelaufen und wird mit Lorbeerkranz in den 100 MC aufgenommen. Lieber Tom, herzlich willkommen im Club und vielen Dank für die Erdnüsse!
Marathon Steinhart500:
Frauen im Ziel: 27
1. Thomas Bardtke – BSG LVM Versicherung Münster - 4:08:43
2. Thomas Bonesky – Triathlon Club Bremen - 4:16:31
3. Toni Hecker – Ultra Sport Club Marburg – 4:24:42
Frauen im Ziel: 7