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Laufberichte

Rheinsteig-Erlebnislauf: 320 romantische Kilometer

07.04.12
Autor: Joe Kelbel

Top Trail Europas, der  Rheinsteig. Er  windet sich auf schmalen, anspruchsvollen Steigen auf einer Länge von  320 km und 12.000 Höhenmetern von Bonn nach Wiesbaden.

Der Rheinsteig Erlebnislauf wird von Brigitte und Rolf Mahlburg, den m4y-Heroes 2011 zum siebten Mal organisiert, vorhergehende Läufe ergaben eine Länge von 360 km.

Die Startgelder  kommen der „aktion benni & co. e.V.“ zugute. Zu den 30 Läufern, die die gesamte Strecke zurücklegen werden, gesellen sich täglich  durchschnittlich 30 Läufer, die etappenweise mitlaufen.

Startgeld als Spendengeld ist ein Aspekt. Doch der  Lauf dient dazu, möglichst viele Menschen, denen wir in den nächsten acht Tagen auf unserem langen Weg begegnen, oder die die zahlreichen Berichte und Presseartikel über den Lauf lesen, auf die Erbkrankheit Duchenne Muskeldystrophie und  die website von laufendhelfen  aufmerksam zu machen.

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Wir werden in den nächsten Tagen in jeder Ortschaft und bei jedem Aussichtspunkt von Pressevertretern abgefangen werden, werden jeden Abend verschwitzt vor Bürgermeistern mit Spendenumschlägen sitzen, zu abend essen und früh schlafen gehen.

Abends, in den wenigen Minuten zwischen Laufkleidung waschen und Tiefschlaf, werde ich die Berichte verfassen, um von dieser sagenhaften und  atemberaubenden Kulturlandschaft, dem uralten Fluss mit seinen Burgen und Schlössern, Geschichten, Natur und Erlebnissen zu erzählen, und von den  gesunde Muskeln, die  für kranke Muskeln kämpfen.

29.03.  Anreise nach Bonn. Dort oben in der Klinik mit dem passenden Namen Venusberg strampelte ich mich vor wenigen Jahren in meine Laufbahn. Und wieder bringt mich  meine Mutter hierher, zu meinem nächsten, meinem längsten Lauf.

 

30.03: Bonn – Unkel 54 km

 

Eigentlich beginnt der Rheinsteig auf dem Bonner Marktplatz. Vom Venusberg begleiten uns  Kindergartenkinder, stellvertretend für die Kinder, deretwegen wir laufen. Empfang im Bonner Rathaus, der Oberbürgermeister ist Schirmherr dieses Laufes.

Kennedybrücke über den Rhein. Im Nebel ist der Basaltsteinbruch von Oberkassel zu ahnen. Der Basaltzug, die Rabenlay bildete sich vor 25 Millionen entlang einer Erdspalte, die unsere Richtung der nächsten 2 Tage  bestimmt.  1914 fand man bei Steinbrucharbeiten ein Doppelgrab (14.000 v. Chr). Das Skelett eines 50 Jahre alten Mannes, einer 20 jährigen Frau, eines Hundes und weitere Tierreste sind im Landesmuseum  Bonn  zu sehen. Im stillgelegten Steinbruch bildete sich ein See, der Leichensee, kalte Tiefenströmungen verursachten zu viele Badeunfälle. Wir laufen oberhalb vorbei, wagen kaum einen Blick in den dichten Nebel nach unten.

Das Kloster Heisterbach wurde nach der Säkularisierung als Steinbruch für die Festung Ehrernbreitstein in Koblenz benutzt. Die Säkularisierung war die Enteignung kirchlichen Besitzes durch Napoleon, um die Ländereien an die von Frankreich eingesetzten Regenten zu verteilen. Diese verpflichteten sich zum Einzug der als Entschädigung gedachten Kirchensteuer, die seitdem existiert. Auch die Rheingauer Staatsweingüter, gehen auf diese erzwungenen  Besitzverhältnisse der Säkularisierung zurück. Leider laufen wir nur an der Außenmauer dwss Klosters vorbei, die Zeit drängt.

Aufstieg zum Petersberg.  Wir entern das Steigenberger, das Buffet sieht einladend aus, doch wir brauchen Kaffee oder Bier. Dann geht es wieder steil hinab.  Unvergessen, wie Breschnew 1973 sein Gastgeschenk, einen nagelneuen Mercedes 450 SLC auf der steilen Strasse hinunter nach Königswinter  zerlegte. Wir haben wochenlang auf dem Schulhof gelacht.

In Königswinter war ich jedes Wochenende mit meinen Großeltern gewesen, die mir gerne den Ritt auf einem der Eseln hoch  zur Godesburg bezahlt hätten. Auch die Zahnradbahn mochte ich nicht, ist wie  Rolltreppe, die Menschen bleiben stehen, blockieren. Wie im Sozialismus, du bietest Hilfe und sie bleiben einfach stehen, oder auf einem Eseln hocken.

Früher, als hier die Schiffe mit den Holländern anlegten, brummte das Gastromiegeschäft und  in den Tanzsälen wackelten  die Touristen volltrunken. Blick auf den Drachenfelsen, runter, zurück, weite Kurve und Riesenumweg, so ist der Rheinsteig, umständlich aber wunderbar.
Das Milchhäuschen ist geschlossen, gut dass der Löwenburger Hof uns reichlich Getränke sponsert.

Wir laufen durch das Nachtigallental, an der Drachenburg vorbei und sehen mein Liebligshaus, das aussieht, wie das Haus der Witwe Douglas bei Tom Sawyer. Traurig, es hatte bessere Zeiten erlebt, nun vermodert es. Doch vielleicht werfen hier noch heute kleine rheinische Huckelberries bei Vollmond eine tote Katze über ihre linke Schulter, um  Warzen loszuwerden.

Wegen Bauarbeiten auf dem Drachenfels führt der Rheinsteig vorher links ab, aber ein Ultra muss da hoch. Gegenüber der alte Vulkan Rodderberg, 18 Jahre lang mein Revier. Davor der Rolandsbogen, Inbegriff der Rheinromanik, die Freiligradt begründete.

Röhndorf, vorbei am Waldfriedhof,  Ruhestätte von  Konrad Adenauer. Sein Haus in Bad Honnef, unseren nächsten Station, ist nun ein Museum.  Adenauer  war Oberbürgermeister von Köln und bei der britischen Besatzungsmacht beliebt. Seinem Wunsch, Bonn zum Regierungssitz zu machen,  kam man gerne nach. Doch erst Brandt machte aus dem provisorischen Regierungssitz in seiner Regierungserklärung 1973 daraus  die Bundeshauptstadt Bonn.

In Unkel war Brandt´s Wohnort (1979-1992), dort werden wir übernachten. Der Name Unkel  bedeutet ganz einfach „Bogen“, Rheinbogen.  Bedeutend  das  „Freiligrathhaus“ (874). Freiligrath war ein bedeutender Lyriker  des Vormärzes (19. Jahrh.), sein Aufruf zum Wiederaufbaues des Rolandsbogens bleibt unvergessen. Er wohnte in diesem kurkölnischen Herrenhaus.

 

31.03. : Unkel - Neuwied-Feldkirchen 48 km

 

Gleich nach unserem Start sehen wir auf der linken Rheinseite das Schloß Marienfels, Wohnsitz der Gottschalks. Heute läuft Karin mit, die Managerin des Rheinsteiges.

Die Erpeler Ley ist ein mächtiger Basaltfelsen, dessen kristalliene Basaltsäulen wie Orgelpfeifen aussehen. Bewirtung duch den SV Unkel. Zahlreiche Gedenksteine. Graf Zeppelin kam hier 1909 mit seinem Luftschiff in schweres Gewitter. In Jahrtausenden ist der Felsen durchlöchert worden. Vom Fluß erkennbar der alte Eisenbahntunnel mit seinen Schießscharten und einige Bunker, die mit ihren dunklen Löchern von wilden Zeiten erzählen. Die Bunker werden noch zur Champignonzucht genutzt. Unter uns die Brücke von Remagen. Der gleichnamige Film wurde allerdings in Tschechien gedreht.

Jeden Gipfel nehmen wir mit, hoch und runter, einfach herrlich. Gegenüber in Sinzig, in der Kirche, ist eine Mumie ausgestellt. Wirft man eine Münze in den Kasten, kann man das „Ledermännchen“ bei Licht betrachten. Es ist der Ötzi der französischen Besatzungszeit. Man fand die Mumie bei Hochwasser, stellte in Paris unsinnige Untersuchungen an.

Linz am Rhein mit seinem mittelalterlichen Rheintor. Grandiose Fachwerkstadt aus den 14. Jahrhundert. Lauf durch die schöne Innenstadt, super Empfang beim Bürgermeister. Wasserfassen bei Frau Emmer im Hof.

 
 

 
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