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Laufberichte

Ferrara Marathon: Corriferrara (Laufen in Ferrara)

25.03.12

Ferrara liegt in der oberitalienischen Po-Ebene ca. 60 km vom Meer und 50 km von Bologna entfernt. Sie ist eine der wenigen italienischen Städte, deren Gründung nicht durch die Römer erfolgte, sondern erst im 8. Jahrhundert durch die Bewohner der Po-Delta-Lagune.1995 wurden die Altstadt von Ferrara zum Unesco- Weltkulturerbe erhoben, da es sich um eine sehr gut erhaltene Stadt der Renaissance handelt, die noch fast vollständig von einer Mauer umgeben ist.

Ferrara ist von München aus per Auto ganz gut erreichbar, und so machen wir uns am Samstag zu unserem ersten Marathon in diesem Jahr auf – es muss ja nicht immer Rom sein. Der Ferrara Marathon wurde 2012 zum 32. Mal veranstaltet und hieß bis 2010 Vigarano Marathon, nach einer Stadt, die durchlaufen wurde. Informationen des Veranstalters zufolge gab es sogar schon 1909 einen Marathon in Ferrara.

Die Fahrt über die verschneiten Alpen verläuft reibungslos, und wir passieren den Brenner noch vor den Wintersportlern. Nach einigen Wirrungen (ich hatte mich zu sehr auf mein Glück bei der Fährtensuche verlassen) finden wir in Verona die Schnellstraße nach Ferrara und freuen uns über ein schönes Hotel im Industriegebiet der Stadt. Die vielen Hotels im Zentrum waren schon ausgebucht und so haben wir ein luxuriöses Zimmer etwas außerhalb, leider mit Blick auf eine Raffinerie. Außer Landwirtschaft gibt es hier auch noch einige petrochemische Betriebe.

Sobald wir die Stadtmauer durchqueren, ändert sich das Bild und wir sind in einer sehr schönen Altstadt. Start und Ziel befinden sich direkt  im Zentrum beim Castello Estense, das im 14. und 15. Jahrhundert den Herzögen der Familie Este als Stammsitz diente. Vielleicht hat jemand schon mal von Lucrezia Borgia gehört oder das Buch „Die Gärten der Finzi-Contini“ von Giorgio Bassani gelesen, das in Ferrara spielt. Das Schloss ist von einem Wassergraben umgeben, an dem auch gleich die Marathonmesse und einige Lebensmittelstände aufgebaut sind. Damit sollen die Ferrareser angelockt werden, die wie alle Italiener gutes Essen schätzen.

Beim Abholen der Startunterlagen wird das  Gesundheitszeugnis auf dem Formular vom Florenz Marathon unbesehen ad acta gelegt. In der Ausschreibung hatte man mehrmals darauf hingewiesen, dass es das Wort „Leichtathletikzeugnis“ enthalten muss – was bei unserem Formular nicht der Fall war.  Aber bei Ausländern ist man da wohl großzügiger. Die Läufertüte ist wie meist in Italien reich bestückt: eine Laufweste, Kaffee des lokalen Sponsors Krifi, noch ein paar weitere lukullische Köstlichkeiten und … Knoblauchzehen und Knoblauchpaste. Es gibt keinen Hinweis, ob diese vor dem Marathon zu konsumieren sind...

Ein Stand vom Marathon di San Valentino ist auch aufgebaut. Da muss ich hin. Bis zum Bericht von Joe Kelbel kannte ich diese Veranstaltung  nicht, wenngleich ich schon mal in Terni bei den Wasserfällen war. Sobald der Standbetreuer erkennt, dass wir Deutsche sind, ruft er nur „Joe“ und zeigt uns auf seinem Notebook Fotos von ihm beim Anzünden der Valentinsflamme. Da hat Joe ja wirklich einen guten Eindruck hinterlassen. .

Den Nachmittag verbringen wir mit Sightseeing und besuchen u.a. die gotische Kathedrale San Giorgio und das mittelalterliche Viertel, das mir sehr gut gefällt, weil es sehr gepflegt ist. Ebenso gibt es ein Renaissance-Viertel und einige schöne Einkaufsstraßen mit viel Trubel. Alles nicht so monumental wie beispielsweise in Florenz, aber so ist das ist ja auch mal schön. Abends geht’s zur Pastaparty, die etwas ernüchternd ausfällt: Der Teller ist klein, die Anzahl der Nudeln überschaubar. Danach gehen die meisten Sportlerinnen und Sportler noch Pizza essen – wir auch.

Auf allen Infozetteln wurden die Läufer dazu ermahnt, die nächtliche Zeitumstellung nicht zu übersehen. Während man beim Frankfurt-Marathon im Herbst nur riskieren würde, eine Stunde zu früh am Start zu stehen, könnte hier der Tross schon losgelaufen sein. Also wieder früh aus den Federn, bei 9 Grad Außentemperatur. Das Hotel bietet ein vorgezogenes Frühstücksbuffet an. Es zeigt sich, dass viele Läuferinnen und Läufer dort übernachtet haben und davon Gebrauch machen. Interessanterweise wird auch Espresso getrunken.

Am Start angelangt, scheint um 9:00 Uhr schon die Sonne. Die Frage nach der passenden Kleidung hat sich damit erledigt: sommerliches Outfit ist Trumpf. Ich kaufe mir auf der Marathonmesse schnell noch ein Paar Laufstrümpfe, habe meine wohl zu Hause vergessen. Es ist mein erster Versuch mit Kompressionstrümpfen. Die Neuanschaffung mit italienischer Fahne drauf eignet sich zum Sport auf jeden Fall besser als meine Business-Socken.

Es geht  gemütlich zu. Bei 2000 Läuferinnen und Läufern braucht man nicht groß zu organisieren. Die Luftballons der Pacemaker dienen der Orientierung. Die 1:30 hat man sicherheitshalber mit dem Zusatz HM versehen. Verwechslung mit der Marathon-Zielzeit also ausgeschlossen...

Kurz vor 9:30 Uhr ein Schuss: Die Handbiker sind unterwegs. Zwei Minuten später noch ein Schuss – Jetzt geht’s für uns los. Die italienische Nationalhymne hat man sich hier gespart wie auch sonst jede Art von Beschallung. Auch die große Schar kroatischer Läuferinnen und Läufer ist merklich leiser als am Vorabend bei der Pastaparty, aber das wird sich in vier Stunden noch ändern.

Die Viale Cavour ist sehr breit, so dass man sofort seinen Rhythmus finden kann. Hier gibt es einige Gebäude aus der Zeit des  Faschismus und der Nachkriegszeit. Nach wenigen Metern fällt mir ein Barfußläufer auf. Er hat schon ganz schwarze Fußsohlen ¬ ist wohl immer ohne Schuhwerk unterwegs. Und dann eine Frau mit „No TAV“-Slogan auf den Waden. Das bedeutet „No treno ad alta Velocità“, also „Kein Hochgeschwindigkeitszug“. Das ist in Italien ein Thema wie Stuttgart 21 bei uns: Premierminister Monti möchte trotz Wirtschaftskrise (oder gerade deshalb) an dem Bau einer Verbindung von Turin nach Lyon festhalten. Die Bürger entlang der Strecke nicht. Beim Turin-Marathon liefen wir auch durch ein betroffenes Dorf: Da waren wirklich viele Bahngegner als Zuschauer auf der Straße und machten den Läufern super Stimmung.

Ich trabe also Judith hinterher, die recht forsch angeht. Nachdem ich ihr gezeigt hatte, was man im Internet inzwischen über mich alles herausfinden kann (mit Fotos von mir auf marathon4you!), möchte sie nicht erkannt werden und läuft mit dunkler Sonnenbrille und blauer Mütze. Nach einem Kilometer verlassen wir schon die Innenstadt und laufen an der Stadtmauer entlang. Diese misst 9 km und ist bis auf den westlichen Teil recht hoch und imposant. In einem Park weist ein Schild auf die Abzweigung zur 7-km-Strecke hin, die  weiter der Stadtmauer folgt.

In gelben Hemden mit von der Partie sind hier auch die streikenden Vigili (Straßenüberwachung), die auf diese Weise gegen eine Lohnkürzung protestieren und somit auch nicht den Laufweg absichern. Der Veranstalter hat aber noch kurzfristig Ersatz gefunden.

Kurz danach bei km 5 die nächste Trennung: Die Halbmarathonis rechts, wir links. Nach 21 km werden wir hier wieder ankommen. Mich überrascht, wie viele Marathonläufer unterwegs sind. Wir hatten schon halb im Spaß vermutet, dass 4 -Stunden-Läufer den Weg verfehlen könnten, wie es einmal in Lienz bei einem 32,2-km-Lauf passiert ist. Dort wurde die letzte Teilnehmerin vom Besenwagen übersehen und musste sich zum Ziel durchfragen. Aber wie immer in Italien ist alles bestens organisiert: An jeder Abzweigung stehen Streckenposten. Verkehr gibt es auf diesen Straßen sowieso fast keinen. Jetzt würde ich mich noch freuen, wenn die Bewohner sich mal sehen lassen würden. Die meisten beschäftigen sich lieber mit ihrem Garten und widmen dem sportlichen Ereignis keinerlei Aufmerksamkeit. Ich behaupte mal, dass ich ALLE anfeuernden Zuschauer an der Strecke fotografiert habe, ohne die an Start- und Ziel. Hier wäre etwas mehr Begeisterung doch angebracht. Außerdem vermisse ich die Musikkapellen von Polizei, Militär oder Schulen, die sonst in Italien oft die Marathonstrecke säumen. Aber das ist wohl auch eine Geldfrage...

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