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Laufberichte

9. Sentiero delle Grigne – Trofeo Scaccabarozzi

20.09.09

Wie immer ist der Start ein ganz besonderer Moment. Endlich darfst du deine gesammelte Kraft frei lassen. Jeder tut das auf seine Weise. Die meisten schießen davon wie ein Pfeil und versuchen mit den Schnellsten mitzuhalten. Aber in Pasturo muss man schon eine besondere Bergziege sein, um das Anfangstempo halten zu können. Die kurvige schmale Straße hinaus aus dem Ort erscheint mir in den Serpentinen so steil, als könnte ich vor mir auf den Boden greifen, ohne mich zu bücken. Zugegeben, das passiert natürlich bei 154 cm Gesamthöhe schneller als bei 188 cm. Trotzdem ist es für mich ein Rätsel, wie hier ein Auto fahren soll.

Nach diesen ersten anstrengenden Kilometern wird es flacher. Doch ganz gegen meine Gewohnheit schlage ich auch hier ein recht hohes Tempo an, denn die erste Zeitkontrolle ist nach ca. 16,5 km. Sie liegt auf 2.000 Meter kurz unter dem Gipfel des Grignetta. Bis dahin gilt es bereits die ersten Kletterstellen zu überwinden. Man muss den Punkt nach 3:30 Std. erreicht haben, sonst heißt es Startnummer abgeben. Luigi rät mir zur Eile, sonst würde ich das erste Zeitlimit nicht einhalten. Weitere Kontrollpunkte sind beim Rifugio Bogani, nach 6:15 Stunden und beim Rifugio Pialeral nach 8:30. „Aber das schaffst du dann locker, nur die erste Kontrolle ist etwas eng“ meinte er schmunzelnd.

Bis zum Refugio Rosalba ist alles so, wie ich das von einem Skymarathon kenne und liebe. Steile Straßen, steile steinige Pfade, grandiose Ausblicke. Du konzentrierst dich auf das Gehen im Geröll und nimmst die Hände, wenn es zu steil oder zu unsicher wird. Dein Herz pocht und der Schweiß rinnt dir in Bächen über die Wangen. Herrlich ist es, wenn dir der Wind die Glieder kühlt. Du brauchst deinen ganzen Körper, alle Muskeln und deine ganze Konzentration. Genau dieses Gefühl liebe ich: mit allen Kräften und Sinnen in Bewegung sein.

Schon bald nach der Hütte erfährt das Gewohnte eine kleine Steigerung. Seil- und kettengesicherte Passagen, die oft 10 Meter in die Höhe führen, hinunter oder den Fels queren. Ein Klettersteig der Kategorie A. Ich überlege nicht lange, ob ich heute Angst vor der Tiefe habe, allzu ausgesetzt sind die Stellen zum Glück auch nicht und die Versicherung macht einen zuverlässigen Eindruck. Hier am hinteren Ende des Läuferfeldes lässt jeder dem Vordermann Zeit, bis er die Kletterstelle überwunden hat. „Aber wie wird das wohl vorne bei den Schnellsten gegangen sein?“ frage ich mich und bin froh, nicht dazu zu gehören.

Nach dem Abstieg des Gipfels der Grignetta verläuft der Trail westseitig im Schatten des Massivs auf steilen Geröllpfaden und Wiesen hinunter zum Rifugio Elisa. Die Wege sind hier noch feucht vom Regen des Vortages. Die Steine sind schlammig und extrem rutschig. Ich gehe vorsichtig und verliere viel Zeit dabei. Aber heile Knochen sind mir lieber. Kurz nach dem Refugio an einem exponierten Ausichtsplatz hat es sich ein lustiger Helfer gemütlich gemacht, wir unterhalten uns angeregt mit Händen und Füßen, denn er kann nur italienisch, ich wiederum davon nur ein paar Brocken und er versteht keine meiner sonst angebotenen Sprachkenntnisse. Aber er brüllt mir aus voller Brust ein frohes „Vai Germania!!!“ hinterher, bedient seine Fanfare, die einen Lärm verursacht wie ein Schiffshorn und von den Felsen zurückgeworfen wird. Alle Läufer werden von ihm angefeuert, noch lange höre ich den Widerhall seines Horns in den Felsen.

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