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Laufberichte

Treviso Marathon: Hit-And-Run

14.03.10
Autor: Joe Kelbel

Treviso liegt etwa 45 km nördlich von Venedig, 50 Minuten und 35 Euro südlich vom Flughafen Hahn im Hunsrück. Wer hätte das gedacht!

Der Flughafen Treviso ist ein alter Militärflughafen und 3 Kilometer vom BHR Hotel entfernt. Dort ist die Marathonmesse, dort gibts auch die Startnummern.Und ich dachte, dass von dort  am Sonntag auch der Shuttlebus zum Start in den Ort Vittorio Veneto geht. Daß das Adriafeeling so nah ist, darauf brachte mich Sabine, sie ist Spezialistin für „Hit-and Run“- Marathons und entdeckt solche Gelegenheiten. Als alter Börsianer  nenne ich diese Strategie „Hit-And-Run“ wegen dem kleinen Aufwand: Samstags (ohne Zahnbürste) hin und Sonntags geduscht wieder zurück. Und das für ein Budget, welches Nichtläufer Sonntagsmorgens beim Brunchen verbraten. Da ich als Kind in den großen Marathonkessel fiel, bin ich hier passender Kandidat für einen Hit-And-Run- Marathon.

Treviso ist mehr als 2000 Jahre alt. Nach den Römern kamen die Goten, die Langobarden, die Karolinger, die Ungarn und Kaiser Friedrich Barbarossa. Es ging hin und her zwischen all den Herrschern, bis es sich Venedig anschloß. Dann kamen die Österreicher und ab 1866 kam es zu Italien.

Trotz dauerndem Hin und Her wurde die Stadt reich, sehr reich. Strategisch günstig gelegen, erlaubte es der Wohlstand, Dichter und Troubadoure in der Stadt zu beherbergen und große Ritterfeste und Ritterturnier abzuhalten.

Treviso wird Citta delle Acque genannt, was soviel wie Stadt der Gewässer bedeutet. Die Flüsse Sile und Bettenigia und viele Kanäle machen einen  Vergleich mit Venedig möglich.Bei einem Spaziergang kommt man an Gaststätten mit überbordendem Angebot, an Weinlokalen und Restaurants mit einladender freundlicher Atmosphäre vorbei.

Zu den Seheneswürdigkeiten gehören der Dom (um 1200), der sich an der Piazza Duomo befindet. An der Piazza Rinaldi kann man drei Paläste besichtigen, die von der Adelsfamilie Rinaldi erbaut wurden. Die Kirche San Francesco wurde 1255 bis 1283 gebaut. Hier liegt der Sohn des italienischen Dichters Dante Alighieri begraben. Das Abbild von Dante Alighieri ist auf der italienischen 2 Euro Münze zu sehen.

Die Volleyballmannschaft der Familie Benetton, Silsley Volley Treviso ist die beste Mannschaft der Welt, gewann 9 italienische Meisterschaften und dutzende europäische Turniere.

Die Marathonmesse und Startunterlagenausgabe befindet sich im Concresszentrum, im selben Gebäude wie das BHR Hotel. Es war auf der rein italienischen Website erwähnt, sodaß ich mich dort auch einbuchte, in der Hoffnung, von dort am nächsten Morgen einen Shuttlebus zum Startort Vittorio Veneto zu bekommen.

Sabine bekam beim Landeanflug auf Treviso einen plötzliche Schuhkauf-Rausch ( deliro de calzature), verschwand im Trubel der pittoresken Altstadt und ward nicht mehr gesehen. Meine Bemühungen zur Marathonmesse zu gelangen, dauerten 2 Stunden, da fünf sehr freundliche Italiener mehr als 10 unerfreuliche Wegbeschreibungen lieferten. Also zurück zum Flughafen, von dort gibt es tatsächlich einen Shuttle zum nahen Hotel.

Die Marathonmesse ist klein, aber vom Feinsten.  Obwohl ich die Anmeldefrist versäumt hatte, werde ich mit offenen Armen aufgenommen. Alles läuft reibungslos. Für Sabine bekomme ich sogar 2 Finishershirts, da ich ihre Größe nicht wusste. Mit den vollgepackten Startertüten schlendere ich über die Messe.  Es gibt Kaffee, lecker Käse aller Art, Kuchen aus Radiccio, und die Universitätsklinik bietet kostenloses Hautscreening an. Mit der Gewissheit, in naher Zukunft nicht an Hautkrebs zu sterben, bemühe ich mich um Information bezüglich eines Shuttlebusses (Bus Navetta) am nächsten Morgen.  Die gesamte Stadt sei gesperrt, Taxis fahren nicht, für mich ist keine Chance zum HBF (stazione FS) zu kommen, von wo die Busse zum Start (Partenza) nach Vittorio Veneto fahren.

Aber alle sind so freundlich und hilfsbereit, da raffe ich, dass die gesamte Läuferelite Italiens um mich versammelt ist. Ich bin im Elitehotel gelandet, und ein körperlicher Exot zwischen all den Hemden. Da steht noch einer hilflos rum, es ist Rainer. Zusammen begeben wir uns erstmal zur Mannschaftsverpflegung und erhalten ein Vier-Gänge-Läuferelite-Dinner. Nur unser Bierkonsum outet uns ein wenig.

Am nächsten Morgen geht es zack-zack. Die Frau vom Organisationsteam hakt die Liste der Topläufer ab und schickt uns gleich hinterher in den Bus! Wie geil! Da sitzen wir nun im Elitebus zwischen  Ottaviano Andriani und Daniele Caimmi, den Olympiateilnehmern, die in Kenya von Stefano Baldini trainiert werden. Giorgio Calcaterra,Filippo Lo Piccolo, Mostafa Errebbah, dem Marokaner Taoufi El Barhoum und Hermann Achmüller, mit dem man sogar deutsch schwätzen kann, Laura Giordano, Rwandan Epiphanie Nyirabarame, die bei der WM in Berlin auffiel und Josephine Wangoi Njoki. Heute geht es  für die Italiener um viel: um die Qualifikation für die Leichtathletik EM im Sommer in Barcelona. Aber es wird viel gelacht und jeder fotografiert jeden, nur ich traue mich nicht so recht, ich fühle mich wie Herbert  Grönemeyer als Kriegsberichterstatter im U-Boot: Mittendrin aber doch keiner von denen. Aber ich muss grinsen, denn wahrscheinliche habe ich in diesem Jahr schon mehr Marathons gelaufen, als der gesamte Bus.

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