marathon4you.de

 

Laufberichte

Hoch, höher, Sky Marathon

12.07.09

Die Betreuung durch die Bergwacht ist bei diese Art Berglauf immer besonders gut organisiert. In den höheren Lagen oder an den schweren Passagen sind in regelmäßigen und kurzen Abständen Bergretter postiert, die bei einem Unfall sofort helfen können. Ein Rettungshubschrauber ist den ganzen Tag in Bereitschaft. Außerdem sitzen an ebenso vielen Punkten die Marathon-Helfer mit Listen und Funkgeräten, um die Läufer zu notieren die vorbeikommen oder geben die Information weiter, wenn ein Läufer aufgibt. Die Organisation sorgt für größtmögliche Sicherheit, trotzdem ist meines Erachtens, jeder für sich selbst verantwortlich und darf seine Fähigkeiten nicht überschätzen.

Ein Skyrace birgt schon auf Grund der alpinen Wege genügend Gefahren, wenn hier falscher Ehrgeiz die Hauptmotivation darstellt, steigt die Verletzungsgefahr enorm. Bei mir geht alles gut, ich komme sicher über das Schneefeld, aber die ungewohnte Belastung hat meine Oberschenkel arg mitgenommen. Unten beim Refugio Willi Jervis (1732 Hm) massiere ich die schmerzenden Stellen, esse und trinke ein wenig von den Leckereien und halte nach der persönlichen Fangemeinde Ausschau. Aber ich kann sie nirgends entdecken. Sind wohl noch mal richtig eingeschlafen, die Schlafmützen. Aber das ist schon in Ordnung. Hier ist der erste Kontrollpunkt für die Marathonstrecke. Die Frauen haben 5.30 Zeit, um hier her zu kommen. 4:15 habe ich gebraucht, ich bin mit mir total zufrieden.

Die folgende Marathonstrecke verläuft überwiegend im Barant-Naturpark, der vor kurzem in die EU „Habitat“ Liste der Naturreservate aufgenommen wurde. Der Lanzas, ein vollkommen schwarzer Alpensalamander, lebt ausschließlich in dieser Gegend. Aber auch andere seltene Tiere und Pflanzen finden hier ihre Heimat. Man quert das breite Talbecken des Pellice Baches, um dann gleich wieder steil ansteigend den colle Barant (2.373 Hm) zu erklimmen. Von hier geht es auf einem Waldweg hinunter zum Rifugio Barbara Lowrie, dem zweiten Kontrollpunkt. Mittlerweile habe ich die Uhr eingepackt, sie würde mir nichts nutzen, denn schneller laufen kann ich nicht mehr. Und ich habe auch vergessen, wann ich hätte hier sein müssen. Beim Versorgungspunkt scherze ich mit dem netten Helfer auf französisch, aber Scheinbar ist alles in Ordnung, er muntert mich auf und lässt mich weiter laufen. Offensichtlich wartet man sogar noch auf weitere Läufer. Das überrascht mich, denn schon lange habe ich keine anderen mehr gesehen. So allein auf weiter Flur, bin ich jetzt froh, dass die Strecke gut ausgeschildert ist.

Und zum vierten Mal wiederholt sich dasselbe Spiel: mit der Baumgrenze weicht der Nebel und gibt die Sicht frei. Ich bin nicht sicher, ob mir das gerade jetzt so recht ist, denn nun sehe ich, das steilste und schwierigste Stück liegt direkt vor mir. Wie meistert man schwere Aufgaben? Schritt für Schritt trage ich meinen müden Körper langsam weiter und der ruhige, gleichmäßige Rhythmus fühlt sich nach einer Weile richtig gut an. Viele Wanderer kommen mir hier entgegen, sie sind fasziniert von den verrückten Läufern und muntern mich mit Beifall auf. Der Anstieg gelingt leichter als erwartet. Ein gutes, glückliches Gefühl breitet sich in mir aus. Oben am Colle Manzol (2.701 Hm) hätte man eine herrliche Aussicht in Richtung Poebene, wenn dieser watteweiche Nebel nicht wäre.

Aber Aussicht hin oder her, mein Weg führt auf der anderen Seite steil hinunter ins Tal zum Ziel. Jetzt muss ich nur noch die müden Knochen vorsichtig dorthin tragen, dann wird mich Reinhold feste drücken und alles ist gut. Beim Abstieg kommt man an der dritten Alpenvereinshütte vorbei, der Rifugio Monte Granero. Hier treffe ich auf eine Schweizer Wandergruppe, die mich vor Stunden schon einmal gesehen hat. Sie sind direkt hier herauf gelaufen, es ist ein lustiges Wiedersehen. Nicht mehr ganz so lustig fühlen sich nun meine Oberschenkel an. Jeder Schritt bergab schmerzt heftig. Gerne würde ich einen Anstieg gegen den Abstieg tauschen. Doch auch hier meistert jeder Schritt das Problem und bald erreiche ich den flachen Talboden des Pelliche Baches. Was bin ich glücklich, das Refugio Willy Jervis aus dem Nebel auftauchen zu sehen. Reinhold ist da und drückt mich fest, auch Birgit und Claus schließen sich an.

Nach 9:10:48 ziehe ich zum Duschen meine Schuhe aus. Ein gemütlicher Spaziergang war das nicht, das kann man sehen. Aber der rechte große Fußzeh ist bemahlt, nicht ramponiert. Ich bin die fünfte Frau im Ziel, nach mir kam nur noch eine und ich bin die 4. von ganz hinten. Mein Abstand zum schnellsten Läufer beträgt 3:40:18, dieser war in einer Zeit von 5:30:30 im Ziel die schnellste Frau war nach 6:41:02 unter der Dusche. Ich ziehe nie aus, um die Schnellsten zu jagen. Mein Ziel, glücklich anzukommen habe ich auch diesmal erreicht.

Wir essen in der Hütte lecker und ausgiebig und können uns das Glas Rotwein nicht verkneifen. Später wanken wir glücklich den Weg hinunter nach Villanova. Birgit hat mir Wanderstöcke mitgebracht, die kann ich gut gebrauchen. Weil wir zu spät sind, haben wir den letzten Gratisläuferbus verpasst, aber ein netter Mensch, der den ganzen Tag in den Bergen bei seinen Tieren war, nimmt uns mit und setzt uns bei der Pizzaria in Bobbio Pellice für das zweite Nachtessen wieder aus.

Fazit: toll, wiederholungsfähig, empfehlenswert, vorbildlich organisiert, traumhaftes Panorama, viele nette helfende Hände, sehr gute Versorgung auf der Strecke, ein Erlebnis, von dem man lange noch etwas hat, nicht nur den Muskelkater in den Oberschenkeln.

Empfehlung: nicht unterschätzen, die körperliche Belastung ist enorm. Mehr und ausgiebiger als ich das Bergablaufen trainieren. Ein paar Tage vorher zum Akklimatisieren anreisen, wird bestimmt nicht schaden.

123
 
 

Informationen: Sky Marathon Transfrontaliera
Veranstalter-WebsiteErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

Mehr zum Thema
 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024