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Laufberichte

Genusslauf-Elite und viele Neulinge am Start

23.07.06
Autor: Klaus Duwe

Manchmal reicht es auch aufs Treppchen

 

Wohin, wenn die Sonne für Temperaturen von 36 Grad sorgt, und schon beim untätigen Liegen im Schatten der Schweiß in Strömen fließt? Bei mir hier in Baden-Baden haben Kenner drei Tipps auf  Lager: mit der Luftmatratze raus an einen der vielen Baggerseen, ins klimatisierte Kurhaus oder die Schwarzwaldhochstraße rauf in die Berge.

 

Gut, dass an diesem Wochenende gerade dort ein Marathonlauf stattfindet – der 34. Hornisgrinde Marathon, nicht weit vom gleichnamigen höchsten Berg des Nordschwarzwaldes (1164 m). Zusätzlich hat ein Gewitter am Samstag etwas für Abkühlung gesorgt, und so können die Läuferinnen und Läufer am Samstag (Halbmarathon und Walking) und Sonntag (Marathon und 10 Kilometer) zwar bei sommerlichen Temperaturen, aber insgesamt ganz guten Bedingungen starten.

 

18 Grad werden beim Start um 8.15 Uhr gemessen, bis Mittag werden 26 Grad erreicht. Zumindest auf der ersten Streckenhälfte, die zudem viel Schatten aufweist, kann keiner meckern. Wie sagt doch Brigitte Viehofer völlig zu Recht: „Der Winter kommt bestimmt und wird wieder viel zu kalt, viel zu lang, und viel zu schmuddelig.“

 

Insgesamt sind trotzdem etwas weniger Teilnehmer als im vergangenen Jahr am Start. Machte die Sommerhitze doch dem Einen oder Anderen Angst? Fast die gesamte einheimische Genusslauf-Elite ist jedenfalls am Start, dazu überraschend viele Neulinge.

 

Das Startgelände des Hornisgrinde Marathon liegt traumhaft schön am Fuß des Mehliskopf beim alten Kurhaus Hundseck, direkt an der Schwarzwaldochstraße (B 500) auf 886 m Höhe. Die Hornisgrinde ist von hier allerdings nicht zu sehen. Dazu muss man schon auf den Mehliskopf, oder ein paar Kilometer die Schwarzwaldhochstraße weiter fahren. Empfehlenswert ist ein kleiner Fußmarsch auf den Berggipfel, der seit letztem Jahr nach der Räumung diverser militärischer Einrichtungen wieder frei zugänglich ist. Vom „Seibels Eckle“ gibt es einen ungefähr 6 Kilometer langen Rundweg, der auch den Sagen umwobenen Mummelsee mit einschließt.

 

Nach dem Start geht es auf einem Waldweg parallel zur Schwarzwaldhochstraße hinunter zum Kurhaus Sand. Ich habe mich ganz hinten eingereiht, um eventuellem Gedränge auf den ersten paar hundert Metern zu entgehen. Links sieht man kurz durch die Bäume den lang gezogenen Bergrücken der Hornisgrinde mit dem markanten Turm.

 

Kurz vor Sand geht es auf die hier gesperrte Schwarzwaldhochstraße und das Läuferfeld ist bereits so weit in die Länge gezogen, dass jeder seinen Rhythmus findet. Wir verlassen die Verkehrsstraße, laufen rechts in den Wald und erreichen gleich das  Hotel Plättig. Links über der Schwarzwaldhochstraße liegt das weltberühmte Schlosshotel „Bühlerhöhe“, wo zuletzt die Englischen Kicker während ihres WM-Aufenthaltes in Deutschland wohnten, und die Max-Grundig-Klinik.

 

Wir laufen rechts aufwärts Richtung Badener Höhe. Nach dem kurzen Anstieg geht’s links weiter auf einem ziemlich ebenen und breite Weg Richtung Scherrhof. Der Weg liegt meist noch im Schatten und es ist sehr gut zu laufen. Nach der Ebersteinhütte (738 m) rechts am Weg kommt bei Kilometer 6 die erste Verpflegungsstelle. Es gibt Tee, Iso, Wasser, Bananen und Brot. So sind auch alle anderen Verpflegungsstellen bestückt und auch für die Letzten des Feldes ist ausreichend gesorgt.

 

Zur schon erwähnten Genussläufer-Elite zählen bestimmt Sina Bettendorf (sie gewinnt heute ihre Alterklasse) und der Murgtäler Reinhard Merz, die öfters mal in einem Laufbericht bei marathon4you auftauchen. Mit dem Erfolgrezept „Essen halbieren, Laufkilometer verdoppeln“, hat Reinhard in diesem Jahr bereits 14 Kilo abgespeckt.

 

Dirk Schwonburg kommt aus Leipzig. Diese Woche hatte er beruflich in Bayern zu tun. „Da liegt der Hornisgrinde Marathon praktisch auf dem Heimweg,“ sagt der Marathon-Sammler, der dieses Jahr bereits 15 mal gefinisht hat. Ihm hat sich Laurin Wiesmeier angeschlossen, der heute seinen ersten Marathon macht. Laurin wohnt in Freiburg und ist begeisterter Bergsteiger. Logisch, bei dem Namen. König Laurin ist es doch, der den Rosengarten in den Dolomiten „versteinert“ hat. Was an dem 30jährigen Debütanten sonst noch auffällt, ist sein Laufstil. Locker und unglaublich gleichmäßig zieht er sein Tempo durch. Gar nicht wie ein Anfänger, die meist wild losrennen, sich überschätzen und irgendwann dann einbrechen. Für mich sind Bergsteigen und Laufen zwei ganz verschiedene Welten. Für Laurin nicht: „Beides ist Ausdauersport,“ belehrt er mich. Deshalb ist er auch noch leidenschaftlicher Biker.
 
Wir passieren die Bernsteinhütte (738 m – 8 km), kommen bei km 10 zur zweiten Verpflegungsstelle und dann zum Scherrhof (676 m – 11,5 km), einem sehr beliebten Ausflugslokal bei Baden-Baden. Bis hier ging es meist abwärts, von einigen flachen Passagen abgesehen.

 

Jetzt kommen wir zum „Badischen Ho Tschi-Minh-Pfad“, den ich so nenne, weil rechts und links das Farnkraut  bis zu einem Meter hoch steht. Willi Buchmann, der hinter mir läuft, ist kaum zu sehen.

 

Einen Kilometer geht das so, dann wechseln wir kurz auf die Teerstraße, um dann wieder auf einem schmalen Pfad  Richtung Rote Lache zu laufen. Diese Passhöhe zwischen Baden-Baden und dem Murgtal (690 m) erreichen wir nach 15 km.  Wenn sich bei Regen das Wasser in den Pfützen sammelt, spricht der Badener auch von einer Lache. Und da das Wasser hier durch den Buntsandstein rot ist, kommt es zu der Bezeichnung.

 

Andrea Winter kommt aus Karlsruhe, wie Laurin macht sie ihren ersten Marathon. Und wie er macht sie nicht den Fehler, zu schnell das Rennen anzugehen. Sie erzählt mir von ihrer Trainingsstrecke, die ich auch ganz gut kenne und deshalb einschätzen kann, dass sie auf diesen Lauf gut vorbereitet ist. Als ich weiter ziehe, bleibt sie in ihrem Rhythmus und fällt zurück. 

 

Auf dem Harzweg geht es die nächsten 5 Kilometer meist leicht aufwärts oder eben weiter. Nach fast genau zwei Stunden erreiche ich die Hinweistafel „20 Kilometer“, links unten schimmert durch die Bäume das Wasser der Schwarzenbach-Talsperre, dem größten See im Nord- und Mittelschwarzwald.

 

Wir laufen noch in entgegen gesetzter Richtung leicht ansteigend, dann aber abwärts und plötzlich scharf links ab Richtung Stausee (668 m), wo wir auf eine ungefähr 1 Kilometer lange Pendelstrecke entlang des Sees laufen. Am Wendepunkt werden zur Kontrolle die Startnummern notiert. Solche Streckenabschnitte sind immer wieder interessant, denn man sieht zunächst die vor einem liegenden Läuferinnen und Läufer und nach der Wende die zurückliegenden.

 

Nach 2 km auf leicht ansteigendem Weg überqueren wir die Verkehrsstraße (km 28) nach Herrenwies. Auf der Birkenaustraße, einer breiten Forststraße, kennt der Weg jetzt nur noch eine Richtung: aufwärts. Das erste Stück ist etwas steil, dann wird es flacher. Bis jetzt waren die Temperaturen ja ganz erträglich. Auf dem jetzigen Abschnitt ist Schatten aber eher selten und die mittlerweile 26 erreichten Grade fühlen sich deutlich wärmer an. In kurzen Abständen stehen Wannen mit Wasser.

 

Strategisch günstig nach dem ersten steilen Stück hat Alfred Maß mit seiner Frau Eva-Maria eine private Getränkestation eingerichtet. Er ist selbst 16 Mal den Hornisgrinde Marathon mitgelaufen. Jetzt geht es nicht mehr. Aber dabei sein will er, und so stellt er sich nicht zum ersten Mal hier hin und schenkt Apfelschorle aus, die er so anpreist, als hätte er den Saft selber gepresst. Die guten Wünsche und anerkennenden Worte der Beiden begleiten mich.

 

Bei Kilometer 31 treffe ich auf den Gaggenauer Jürgen Hirth. Er geht ziemlich gequält. „Geht’s noch?“ frage ich ihn. „Nein“, sagt er. „Es geht nicht mehr. Aber ich mache weiter.“ Für ein Foto läuft er sogar noch einmal los. 
 
Die letzten 10 Kilometer werden rückwärts gezählt. Noch sieben, gleich kommt wieder eine Verpflegungsstelle. Das Laufen macht jetzt deutlich mehr Mühe, aber immer noch einen Riesen-Spass, denn wie so oft kann ich auf der zweiten Hälfte etliche Läuferinnen und Läufer überholen. Als ich auf einmal Schritte hinter mir höre, ist das gänzlich ungewohnt. Dann taucht neben mir die kleine Debütantin Andrea auf. Zuerst bin ich überrascht, dann zieht sie vorbei und ich kann nur noch staunen.

 

Kurz darauf kommt Laurin. Er strahlt siegessicher und lässt mich genauso stehen, wie eben noch Andrea. Die Einzigen, die mich auf der zweiten Streckenhälfte überholt haben, sind zwei „Anfänger“, aber was für welche. Gratulation und Anerkennung Euch Beiden an dieser Stelle.

 

Da kommt mir die letzte Getränkestelle bei Kilometer 40 und der Applaus der hübschen Damen gerade recht. Endlich erreichen wir die Verkehrsstraße Richtung Hundseck,  der letzte Kilometer. Erst langsam, dann aber ziemlich steil steigt die Straße an. Einige Zuschauer haben sich hier postiert und feuern die Läufer an. Beim alten Kurhaus Hundseck geht es rechts etwas steil den Wald hoch und dann sind es nur noch 200 Meter ins Ziel. Jeder wird namentlich begrüßt und von den Zuschauern gibt es freundlichen Applaus.

 

Im Ziel treffe ich auf einen weiteren Ersttäter. Es ist Klaus Binder. Ziemlich kaputt hat er sich in seinen Wagen gelegt. Die ersten 10 Kilometer ist er in 50 Minuten gelaufen, nach 30 Kilometer hatte er dann sein Pulver verschossen und wollte nur noch „überleben.“ Nach immerhin 4:37 Stunden dann doch noch sein erstes glückliches Marathon-Finish.

 

Manchmal reicht es auch für die Genußlauf-Elite zu einem Platz auf dem Treppchen. Hannelore Metz (1. W 55) ist darauf schon abonniert. Brigitte Mahlburg (3. W 55) passiert das nicht so oft. Und Ulla Pfeifer (1. W 65) ist es völlig egal, dass sie die einzige Teilnehmerin dieser Altersklasse ist.

 

Karl-Gustav Nyström, der „Alte Schwede“, hat es auch wieder geschafft. Nach 5:26 läuft der 68jährige an seinen Krücken ins Ziel. „K-G“ ist mir und anderen Autoren schon öfters aufgefallen, weil seine Leistung einfach bewundernswert ist. Dabei zeigt er bei einem Marathon gar nicht sein ganzes Können. Seine Lieblingsdisziplin ist der 24 Stunden-Lauf. 153 Kilometer hat er bei seiner letzten Teilnahme geschafft, und beim nächsten Mal sollen es 100 Meilen sein. Alleine im September stehen drei solcher Veranstaltungen in seiner Terminliste. Aber zunächst ist kommende Woche in Davos der C 42 an der Reihe.

 

Streckenbeschreibung:

Rundkurs auf meist breiten Waldwegen, aber teilweise auch auf schmalen Pfaden. Jeweils ca 1/3 der Strecke geht’s abwärts, abwechselnd auf und ab und dann nur aufwärts, der letzte Kilometer ziemlich beschwerlich. Alles im Wald.

 

Zeitnahme:

Manuell

 

Weitere Veranstaltungen:

Halbmarathon am Samstag
10 km am Sonntag

 

Auszeichnung:

T-Shirt oder Handtuch, Urkunde

 

Logistik:

Kein Problem, alles ist im Auto. Parkplatz in unmittelbarer Nähe zu Start und Ziel. Umkleide- und Duschmöglichkeit im Haus des Skiclubs.

 

Verpflegung:

Ich konnte sie nicht mehr zählen, die Verpflegungs- und Getränkestände waren überall, im Wald, an Unterständen und Hütten. Es gab Wasser, Iso, Tee, Brot,  Bananen und Äpfel.

 

Zuschauer:

Zuschauer sind bei Landschaftsläufen eher rar. Aber beim Hornisgrinde-Marathon sind sie praktisch nicht vorhanden. Nur die Angehörigen der Marathonis stehen an der Strecke, ab und zu begegnet man Wanderern mit Rucksack oder Bikern. Sie alle nehmen vorbildlich Rücksicht und klatschen anerkennend. Das war’s dann auch.

 

Informationen: Hornisgrinde Marathon
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