Irgendwann auf der zweiten Marathonhälfte kommt mir ein Lied von Reinhard Mey in den Sinn. Liegt vielleicht daran, dass ich mich zwischendurch mit Glühwein verpflegen kann, doch ich will nicht vorgreifen.
Aufgrund meiner Ambitionen im nächsten Jahr in unbekannte Weiten vorzustoßen, wäre ein Marathon im Dezember sehr hilfreich. Ich habe das Glück, einen der begehrten Plätze beim Rubbenbruchseemarathon RuM) zu bekommen und trete als einer von 57 Teilnehmern an. Läuferinnen und Läufer, die absehen können, dass ihnen die vorgesehenen 5 Stunden nicht reichen werden, dürfen eine Stunde früher auf die Strecke. Wir dürfen uns derweil mit einigen Mitstreitern im nahen Cafe aufwärmen. Ich genehmige mir einen heißen Tee.
10.45 Uhr, der Countdown läuft und ich bin froh, noch nicht auf der Strecke zu sein. Der Regen trommelt auf das Dach des Wintergartens. Noch 5 Minuten bis zum Start. Also auf zum Seeufer, direkt an der Verpflegungsstelle. Der Regen ist nicht so heftig, wie das Trommelfeuer vermuten ließ. Michael begrüßt alle Teilnehmer und erklärt den Ablauf. Noch ehe ich mich versehe, wird gestartet und wir laufen los. Der Wind bläst mir frisch ins Gesicht, wird aber schnell nachlassen.
Im Uhrzeigersinn laufe ich die erste Runde um den Rubbenbruchsee. Auf den folgenden sieben Runden muss ich zwischendurch links auf eine Zusatzschleife einbiegen. Auf der finalen 9. Runde bleibt mir die Zusatzschleife wieder erspart und fertig ist der Marathon. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Im Moment bin ich froh, dass der Regen nachlässt und bald aufhören wird.
Erst einmal mische ich mich unter die Läuferschar. Viele Finishershirts vom PUM umgeben mich. Klar, die haben heute ja auch ein Heimspiel. Im Gegensatz zu Neeraj und Mohan, die aus Indien angereist sind und für den Marathon einen Zwischenstopp auf ihrer Reise in die USA machen. Die Temperaturen sind für sie gewöhnungsbedürftig. 5 Grad sind nicht jedermanns Sache, aber mit der Laufkleidung in mehreren Lagen wird es heute gehen.
Ich setze mich etwas vor die Gruppe und bewundere ein Eichhörnchen, das behände von einem Baum zum anderen wechselt. Zu schnell für meine Kamera und für mich. Ich lasse es lieber langsamer angehen, lasse mich zur letzten Gruppe zurückfallen und beende mit ihr die erste Runde. Am Verpflegungsstand bedient sich zwar noch niemand, aber der Zuruf der Startnummer ist für die Helfer wichtig, damit alle registriert werden. Auf den kommenden Runden wird das Routine.
Es gibt reichlich Gelegenheit zu Gesprächen. Obwohl, auf der Zusatzschleife ist es ziemlich matschig und Konzentration ist gefragt. Zudem hat ein Sturm im Oktober mehrere Bäume über die Strecke gelegt. Fleißige Hände haben diese Hindernisse aus dem Weg geräumt. Nur einmal muss ich den Kopf einziehen und anschließend die Füße höher heben, um nicht über die dicken Baumstümpfe zu stolpern.
Ich laufe derweil viel mit Peter zusammen, verliere in der Unterhaltung aber nicht die Konzentration. Schnell merken wir, dass wir uns gegenseitig ziehen. Typischer Fehler, aber: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Links an einer Lichtung liegen Weihnachtsbäume, verpackt für den Verkauf. Einen muss ich auch noch besorgen. Kurz vor Ende der nächsten Runde weichen uns Enten aus. Auch sie freuen über die Sonne, die nach und nach ihre Strahlen durch die Wolken schickt.
4 Runden nun hinter mir. Weil es sich gerade ergibt, nutze ich die Verpflegungsstelle und die folgenden Meter, um mich mit Maria und HaWe auszutauschen. Da sie zu den Frühstartern gehören, sind sie bereits 5 Kilometer weiter. Wenn ich sie noch einholen möchte, muss ich mich sputen. Peter ist derweil nach vorne enteilt und kaum noch zu sehen. Ich versuche in gleichmäßigem Tempo aufzuschließen und schaffe es tatsächlich nach einer halben Runde. Peter hat morgen noch einen Crosslauf und wird den Lauf an der nächsten Verpflegung beenden. Mir bleibt für die zweite Hälfte die Aussicht auf einen recht einsamen Lauf. Zuschauer gibt es keine auf der Strecke, nur einige Spaziergänger und Jogger kommen mir entgegen oder überholen mich. Gut, dass Silke und Nikita mir kurz darauf entgegen lächeln. Wird schon klappen, wie immer.
Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen. Ab und an überhole ich, werde überholt oder kann auf dem kurzen Begegnungsstück in der Mitte der Runde Läufer/innen grüßen und werde gegrüßt. Ich laufe weiter im Uhrzeigersinn, frei nach Wilhelm Busch: Eins, zwei drei im Sauseschritt, läuft die Zeit, ich laufe mit. Als ich auf Gerd oder Günther auflaufe, mache ich langsam, dann laufe ich wieder zügig weiter. Mittlerweile kann ich mir vorstellen, an der Verpflegungsstelle mit einem Glühwein inklusive Schuss aufzutanken, traue mich aber doch nicht. Ganz so frei sie Reinhard Mey in seinem im Titel genannten Lied fühle ich mich dann doch nicht. Auch in die Südsee träume ich mich nicht. Was ich je an Problemen hatte, verschaukle ich nicht auf der Hängematte, sondern auf der Laufstrecke. Der in der Sonne funkelnde Rubbenbruchssee ist Ablenkung genug. Vorbild für ihn waren der Maschsee in in Hannover und der Aasee in Münster. Herausgekommen ist ein Naherholungsgebiet für Osnabrück.
Ich bin das letzte Mal auf der Zusatzschleife, als ich auf Irina auflaufe. Aufgrund meiner schönen neuen Mütze hält sie mich fast für den Weihnachtsmann. Dann kann ich sie auch mit der Begleitung auf den letzten Kilometern beschenken. Aber auch ich habe etwas davon, denn im angenehmen Gespräch halten wir uns gegenseitig am Laufen. Gesprächsstoff gibt es genug, denn erst letzten Monat war sie gemeinsam mit M4Y-Kollege Carsten beim Steinhart unterwegs. Aber auch sonst gibt es allerlei zu erzählen. So verfliegen die letzten Kilometer. Ich fühl mich im Frieden mit allen Paradiesvögeln, Geckos und Quallen und umrunde dabei nur einen kleinen See in Norddeutschland.
Während unser Weg sich dem Ende nähert, beginnt der gemeinsame Weg des Hochzeitspärchens, das sich vor der Seekulisse ablichten lässt. Sie freuen sich auf die gemeinsame Zukunft und wir auf die schöne Finishermedaille. Sogar den Becher mit meiner Startummer darf ich als Trophäe mit nach Hause nehmen. Ich lasse ihn der Umwelt zuliebe aber gerne hier, so kann er nächstes Jahr wieder verwendet werden.
Silke und Nikita erwarten mich schon, von meinen Lauffreunden, den alten und neuen, kann ich mich verabschieden. Nur noch für die hall of fame Modell stehen, dann genehmige ich mir doch noch einen Glühwein, mit weißem statt mit dunklem Rum. Bleibt mir nur noch, mich bei Michael und seinem Team für einen schönen Marathon und einen gelungenen Marathonjahresabschluss zu bedanken.
Sieger Marathon:
Damen
Herren
Streckenbeschreibung:
Kurs über 9 Runden
Zeitnahme:
Manuell
Startgeld:
Marathon: 25,00 € - 30,00 €, nach Anmeldezeitpunkt, 10,00 € zurück bei Antritt
Auszeichnungen:
Medaille, Urkunde über das Internet, personifizierter Becher
Verpflegung:
Tee, Wasser, Apfelschorle, Cola, Malzbier, Glühwein gerne mit Schuss und und und,
dazu u. a. Obst, Schokolade, Nüsse, Gummibärchen, Bretzel, Würstchen und Kuchen