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Laufberichte

Riga im Regen ...

17.05.15 Riga Marathon
 

... deshalb nur Text und keine Bilder vom Lauf

 

Im Jahre 1201 wurde Riga von Bischof Albert von Buxthoeven aus Bremen gegründet. Bis 1940 lebten hier noch 64.000 Deutsche. Derzeit leben in Riga insgesamt 700.000 Menschen, Tendenz sinkend. 46% davon sind Letten, 40% Russen.

Seit Mai 1990, also fast auf den Tag genau seit 25 Jahren gehört Lettland endlich den Letten. Schon 1991 gab es in Riga den ersten Marathon, sodass heuer die 25. Ausgabe am Programm steht. Den EURO haben die Letten seit 2014.

Bei der Fahnenparade am Vorabend gibt es strahlenden Sonnenschein. Vom 42m hohen Freiheitsdenkmal aus 1918 - obenauf eine 9m hohe Frauenfigur mit drei goldenen Sternen - wird durch die Rigaer Altstadt (Vecrīga) an die Düna, (lettisch: Daugava) marschiert. Dort wird am Sonntag Start und Ziel der diversen Laufbewerbe sein. Dem lettischen Alphabet sei Dank, Austrija ist ganz vorne. Die junge Rachel hält die österreichische Fahne hoch. Wie passend, es wird der Radetzkymarsch gespielt.

Sonntag früh ist es kühl und windig. Sehr zu meiner Überraschung regnet es nicht.
Unser Hotel liegt günstig, sodass Hannes und ich nach drei Minuten am Start sind. Wenige Minuten vor dem Start werden alle in die Startaufstellung gebeten. Die Streckenposten sind aufmerksam und ziemlich rigoros. Wer eine niedrige Startnummer hat steht vorne, wer nicht, weiter hinten. Die Startnummern aber wurden nach der Reihenfolge der Anmeldung vergeben, nicht etwa nach dem Laufvermögen oder nach realistischer Zielzeit. Ist schon etwas seltsam.

Die Ballons der Tempomacher sind so platziert, wie man es nach den aufgemalten Zielzeiten erwarten könnte. So stehe ich - ob ich will oder nicht - bei den 3h45-Zugläufern. Und da habe ich nun wirklich nichts zu suchen.

08.20 Uhr, die zehn teilnehmerstärksten Nationen werden vorgestellt. Bei den Holländern spielt man den 2014er-Beitrag zum Eurovisions-Songcontest, damit ist man ja Zweiter geworden. Bei Frankreich spielt man „je t’aime“, bei den Finnen „gone with the sin“ und bei Deutschland - stellt 355 Teilnehmer - „Hol’ mir mal ne Flasche Bier“! Also da wäre nicht nur mir etwas Besseres eingefallen.

Um halb 9 wird pünktlich in breiter Front am Schloss gestartet. Es geht am rechten Ufer der Daugava entlang in Richtung Ostsee, die gerade einmal 10km entfernt ist. Um genau zu sein: Der Fluss mündet in den Rigaischen Meerbusen. Da liegt der Urlaubsort Jūrmala (dt.: Strand) mit 20km langem Sandstrand. Da haben wir gestern sogar etwas Sonne erwischt. Die ist jetzt aber nicht zu sehen, dunkle Wolken verdecken sie.

Noch keine 2km gelaufen und schon gibt es den ersten Versorgungsposten, der auch schon frequentiert wird. Fast ständig werde ich überholt. Ist ja auch kein Wunder, wenn man mich beim Start so weit vorne hinstellt. Nun steigt die Strecke etwas an und es beginnt leicht zu regnen. Als es bei km4 auf die Vanšu-Brücke geht, wird es steiler. Mit 625m ist sie die längste Schrägseilbrücke Europas. Ein mittelgroßes Kreuzfahrtschiff, die Saga Sapphire liegt da vor Anker. Drüben geht es runter in eine 3km lange Schleife auf einer Insel. Die hat wenige Gebäude, nicht immer neu, und etwas Gebüsch. Das Gebüsch wird gut angenommen.

Als ich bei km5 bin, laufen auf der anderen Straßenseite die schnellen Afrikaner gerade auf die km8-Markierung zu. Hier gibt es einen Sprecher an der Strecke, der mit den Läufern kommuniziert, vorzugsweise auf lettisch, hin und wieder auf englisch. Viele tragen ihr Herkunftsland am Shirt weithin sichtbar, der Vorname steht sowieso auf der Startnummer. Besondere Freude hat der Sprecher an dem Mädchen aus „ESTONIA“ vor mir, die gefällt ihm.  Willi kommt mir entgegen, mit seiner gelben Jacke ist er fast nicht zu übersehen.

Begegnungsstrecken hat der heutige Marathon einige, eigentlich fast nur. Spitzkehren sind es sechs. Von km8 nach km9 hat man die erste 180°-Kurve. Wieder auf der Brücke ist km10. Hier wird heftig angefeuert, denn der Start ist nur 300m entfernt, wenn auch zwei Etagen tiefer. Jetzt geht es schön bergab, dann nach rechts außen der Altstadt entlang. Hier hat man Straßenbahnschienen zu queren. Obacht, schön die Beine heben!

Eine Besonderheit folgt nun. Es geht die Straße hoch, km11. Die Läufer rechts von mir sind schon bei km13. Wir laufen auf den Obelisken des Freiheitsdenkmals zu, müssen zuerst aber an Dutzenden Pärchen, Volkstänzern, in Tracht vorbei. Die stehen Spalier auf Tischen und feuern uns an, über uns Bänder mit der EU-Fahne. Lettland hat gerade, gemeinsam mit Italien und Luxemburg, zum ersten Mal die EU-Präsidentschaft inne.

Wir laufen an den singenden, rufenden und lachenden Trachtenpärchen vorbei und gelangen zu den Chören. Die singen heute, laut Programm, Volkslieder aus sämtlichen EU-Staaten. Vorzugsweise aber Lieder des Dichterehepaares Rainis und Aspazija.

Auch die Sängerinnen und Sänger genießen den Tag. Sie winken herunter, drehen die Köpfe und scheinen singend eine gute Zeit zu haben. Gegen den Regen tragen sie durchsichtige Regenpelerinen, da blieben die farbenfrohen Kostüme sichtbar.

U-turn nach km12, Hannes ist nicht weit hinter mir, auch er ist guter Dinge. Nun leichtes Gefälle und es geht wieder auf die Chöre zu. Dann Altstadt und etwas Altstadtpflaster. Die Gastgärten auf den Gehsteigen und der Fahrbahn sind gestern demontiert worden, damit wir Läufer heute fast die ganz Straßenbreite für uns haben. Hier ernten wir Applaus von den vielen Touristen.

Km14 und Spitzkehre, ganz in der Nähe vom Ziel laufen wir den Fluss entlang Richtung Quelle. Die Halbmarathonis, die mir rechts entgegen kommen, haben nur mehr wenige Sekunden bis ins Ziel. Die kommen deutlich unter 1h25 ins Ziel. Die Marathonis sind an dieser Stelle schon 2km mehr gelaufen.

Nach einer kleinen Unterführung laufen wir nahe dem Flussufer nach Süden. Bei km15 sagt der Streckensprecher, es wäre nicht mehr weit bis ins Ziel. Das trifft für mich nicht zu, wohl aber für die Halbmarathonis, die in Gegenrichtung laufen und bei km20 sind.

Nun regnet es ordentlich und der Wind bläst von der Seite. 8 Grad hat es, mein Schlauch-Tuch leistet mir gute Dienste. Wir laufen am Fernsehturm vorbei der rechts auf einer Insel steht. Beachtliche 368,5m ist er hoch, erinnert etwas an einen Eiffelturm mit drei Beinen.

Nach km17 drehen die Halbmarathonis um, die Marathonis wenden 1km später. Da treffe ich Jürgen, einen guten Bekannten vom Bukarest-Marathon 2013. Auch er ist bester Laune. Nun geht es zurück. Ich muss gestehen, ich bin froh, dass dieser Streckenabschnitt nur einmal zu belaufen ist.

Verglichen mit den Halbmarathonis, auf die ich dann treffe, bin ich 2km mehr gelaufen. Die überhole ich alle, das macht Spaß. Km23, vorbei am HM-Ziel, da gibt es gerade Siegerehrungen. Längst steht das Regenwasser in den Spurrillen, wie in Berlin 2010 oder Görlitz 2013. Da nun aber nicht mehr so viele Läufer auf der Strecke sind, kann man gut erkennen, wo man hintritt.

Die Labestellen kommen dann, wenn ich sie brauche. Es gibt Iso, Bananen, Orangen und Wasser im Überfluss. Nach km25 kommt ein Streckenabschnitt, den wir noch nicht kennen. Als mir die „Animateurin“ bei km26 erklärt, dass es nur mehr 16km wären, schüttet es wie aus Kübeln. Willi kommt mir entgegen, prompt trete ich in ein mit Wasser gefülltes Schlagloch. Auch schon egal, noch nasser geht nicht mehr.

Hier am Stadtrand stehen reichlich hohe Wohnhäuser, 15 Stockwerke, die sehen neu aus. Anwohner muss es hier genug geben, an die Strecke stellt sich keiner. Das würde ich heute auch nicht. Ich laufe an der Olympiahalle vorbei, wo man die Startnummern abholen musste. Der Ort der Marathonmesse ist reichlich überdimensioniert. So viel Platz im Verhältnis zur Nutzung ist mir noch bei keinem Marathon untergekommen.

Bei km28,5 gibt es IsoStar-Gel, das kommt mir gerade recht, ich brauche Energiezufuhr. Nun sehe ich einen km lang, wer 3 – 4km hinter mir zurück liegt. Nach km31 geht es wieder am Nationaltheater vorbei und wieder rauf auf die Brücke. Ein Sprecher warnt uns vor dem Wind auf der Brücke. So arg ist es aber dann doch nicht.

Von der Brücke runter fließt Wasser zentimeterhoch über die Fahrbahn. Ein Ausweichen ist unmöglich. Doch das bisschen Wasser kann mich heute nicht mehr erschüttern. Susanne begegnet mir, damit ist meine Sammlung der mir bekannten österreichischen Marathonis in Riga komplett. Wegen Hannes mache ich mir Gedanken, den habe ihn schon länger nicht mehr gesehen. Es ist erst sein zweiter Marathon heute.

Beim U-Turn bei km37 stellt sich heraus, dass meine Sorgen unbegründet waren. Da sehe ich, dass Hannes knapp hinter mir ist. Geradezu übermütig winkt er mir zu.  Wunderbar, der kommt prima zurecht.

Ich spüre, dass ich noch toppfit bin und dass ich an Tempo zulegen kann, was ich auch mache. Wieder über der Daugava sind es nur mehr 4km bis ins Ziel. Rechts unten, auf der breiten 11. novembra krastmala (11.11. Damm) steht der Start des 10km Laufs kurz bevor. Die 5.600 Läufer da unten werden nicht traurig sein, dass der Regen nun merklich nachgelassen hat.

Die Brücke runter kann ich den Schwung mitnehmen, ich habe eine richtige Gaudi und laufe das Ende der nächsten Labestelle an, denn da gibt es Iso, erkennbar an den roten Bechern.

Von den vielen Trachtenpärchen vorhin sind nur mehr einige wenige übrig geblieben, auf den Tischen stehen sie auch nicht mehr. Die blauen EU-Bänder hat man weggeräumt. Die Chormitglieder jedoch singen immer noch unverdrossen.

Es geht wieder die  Brivibas iela rauf, kurz nach km40 dann die letzte Spitzkehre. Nun geht es 2km fast gerade dahin. Über den Raina Boulevard, ein letztes Mal über den Pilsetas Kanal und die Straßenbahnschienen in die Altstadt, noch 1km.

Es hat aufgehört zu regnen, es sind wieder Zuseher an der Strecke. Hier ist aber auch der schönste Teil der Stadt, die Ausgehmeile. Ich laufe am Rathaus vorbei, links das wunderschöne, wieder errichtete Schwarzhäupterhaus, typisch für eine Hansestadt norddeutscher Prägung. Davor steht die Statue des Roland von Bremen. Ich muss noch an der technischen Universität vorbei, biege rechts ab und bin nach 200m im Ziel.

Im Zielbereich nehme ich freudig Hannes in Empfang der seine persönliche Bestzeit pulverisiert hat. Die großen und schweren Medaillen holen wir uns beim Ausgang gemeinsam ab. Da treffen wir Sonja und Jürgen, Gelegenheit für eine erste Nachbesprechung.

Das populärste Rennen heute kommt aber noch. Fünf Stunden nach dem Start des Marathons werden 11.000 Läufer auf eine 5km-Runde geschickt. Da bin ich aber schon geduscht.


1.481 Marathonfinisher,
3.727 Halbmarathonis

Im Startgeld von 27,- EURO gab es StartNr. inklusive Zeitnehmung;  viel Asphalt, kaum Altstadtpflaster,   8 Grad, viel Regen und Wind, genug Wasserstellen, Bananen, Orangen, Iso;  bei km 28,5 Iso-Gel, gute Zielversorgung und eine prächtige Finishermedaille

 

Informationen: Riga Marathon
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