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Laufberichte

Boomrun in Boomtown

 

 

Mitten durchs Herz

 

Exklusiv geht es gleich los mit der Via Monte Napoleone. Mit ihr betreten wir Mailands älteste und traditionsreichste Straße der alta moda, der italienischen Haute Couture. Hier und in den abzweigenden Gassen des sogenannten „Goldene Karrees“ residiert sozusagen von A(rmani) bis Z(egna) all das, was in der Szene italienischer Modeschöpfer Rang und Namen hat. Wer in den sich hier dicht an dicht drängenden Edelboutiquen einkauft, fragt nicht nach dem Preis, sondern allenfalls, ob es das gute Teil (ja nicht!) etwa noch ein zweites Mal gibt. Eine Caffe-Institution mittendrin: Das feudale „Cova“. Der Cappuccino an der Bar kostet auch hier nur 1,80 €. Aber wehe, man setzt sich hin: Dann werden gleich mal 7 € fällig. Für Schaufenstergucken und einen Cappu al bar haben die Läufer allerdings wenig Muße. 

 

 

Direkt vor dem düster-chicen Flagship Store Armanis zweigen nach nach links ab in die Via Alessandro Manzoni, ohne Zweifel eine der hochherrschaftlichsten Adressen Mailands. An prächtigen Palazzi mit 5-Stern-Quartieren und Nobelshops vorbei dringen wir vor bis zur weltberühmten Oper Mailands, der Scala. Ganz offen: Nett schaut das Gebäude schon aus, aber jeder der Palazzi rundum macht zumindest äußerlich „mehr her“. 

Ein mächtiger Torbogen am anderen Ende der Piazza della Scala zieht den Blick auf sich. Mehr von wem, was sich dahinter verbirgt, bekommen wir keine zwei Minuten später zu sehen. Zunächst dürfen wir im Slalom weitere Altstadtgassen durchkurven. Als wir kurz darauf bei km 7 auf den Corso Vittorio Emanuele einbiegen, haben wir die als Fußgängerzone gestaltete und nach Besucherzahlen zugkräftigste Shopping-Meile Mailands erreicht. Modekettenläden a la H&M, Benetton & Co., wie es sie uniform mittlerweile überall auf der Welt gibt, reihen sich hier dicht an dicht. Doch ist es bestimmt nicht dies, was die Spannung steigen lässt. 

 

Il Duomo 

 

Erst spitzt sie nur ein wenig durch die Häuserschlucht durch, dann immer mächtiger und gewaltiger, „die“ Attraktion Mailands: Il Duomo. Im 14. Jahrhundert wurde hier im gotischen Zuckerbäckerstil eine der weltweit größten und prächtigsten Kirchen erschaffen. Und selbst, wer mit Kirchlichem nicht viel am Hut hat: Ein Besuch ist ein Muss. Vor allem der des Dachs: Denn der Blick über und durch 3.400 Türmchen, Bögen, Statuen und Skulpturen sowie die Stadt rundum ist einfach atemberaubend. Als Läufer müssen wir allerdings „auf dem Boden der Tatsachen“ bleiben. Und so traben wir ehrfürchtig zunächst im Schatten der Nordfassade entlang. 

 

 

Für uns Läufer eröffnet sich die ganze Pracht des Doms erst, als wir die riesige Piazza del Duomo erreichen und, quasi im „Rückspiegel“, einen Panoramablick auf die berühmte, reich verzierte Vorderfront, die Postkartenseite des Doms, werfen können. 

Zur Rechten können wir vom Domplatz aus im Vorbeilaufen eine Sekundenimpression der Galleria Vittorio Emanuele II erhaschen. Durch einen Triumphbogen gelangt man von hier hinein in die älteste, berühmteste und opulenteste Shoppingarkade auf dem Globus. Vom Domplatz führt sie direkt zur Piazza della Scala. Ich denke mir nur: Wäre das nicht eine irre Sache, den Marathon da durch zu leiten. Nun ja, wohl ein wenig zu verwegen, dieser Gedanke ….

Mit Gittern ist unser Kurs vor den Touristenhorden abgesichert – und umgekehrt. Viel zu schnell rasen die Eindrücke an mir vorbei. Kaum angekommen, verlasse ich den Domplatz schon wieder. Ein einziger Augenschmaus sind auch die prachtvollen Gassen und Plätze wie die Piazza Cordusio, die wir im Folgenden schnellen Schrittes durchmessen. 

Nach 9 km treten wir hinaus auf den kreisrunden Largo Cairoli, einen ebenso wunderschön gestalteten wie gelegenen Platz am Übergang von Altstadt zum Parco Sempione und dem Castello Sforzesco. Vor allem das zinnengekrönte, mit mächtigen Rundtürmen und Wassergraben befestigte Castello zeigt sich hier von seiner Schokoladenseite. Zu sehen bekommen wir allerdings nur den Torre del Filarete, das Haupttor des Castellos. Und auch nur für Augenblicke eröffnet sich zwischen den den Platz beherrschenden, zeltartig aufragenden Expogates der Triennale ein Blickfenster. Nun ja, 30 km weiter sind wir wieder hier, nur dann auf der anderen Seite der Burg. 

Im frühlingsfrischen Baumgrün erstrahlt der dem Oval des Burggeländes folgende Foro Buonaparte. Und grün geht es für uns auch weiter, als wir in den sich in den sich dem Castello anschließenden Parco Sempione eintreten. Der 40 Hektar große Park ist nicht nur ein überaus ansprechend gestaltetes grünes Refugium, sondern zudem ein zentraler Ort der Kunst und Kultur. Vom Design der Parkanlagen bekommen wir am westlichen Rand des Parks entlang der Via Moliere leider nicht allzu viel mit. Vergönnt ist uns lediglich ein Blick auf den Palazzo dell' Arte, Sitz der Triennale und des gleichnamigen Designmuseums. 

10 km sind geschafft, als wir den Park verlassen. Zu sehen gibt es in den Wohnvierteln auf den Folgekilometern nicht allzu viel, sieht man einmal von der sich beeindruckend über einen ganzen Kilometer hinziehenden Wechselzone der Staffelläufer ab. Aufgekratzt ist die Stimmung, steht doch die Ankunft der schnellsten der eine halbe Stunde nach den Marathonis gestarteten Staffelläufer bevor. 

Nach 12,5 km erreichen wir den südlichsten Punkt unseres Streckenkurses. Hier macht der Kurs eine Spitzkehre auf die breite Via Giorgio Washington, auf der es bis zum Horizont schnurgeradeaus weitergeht. Im Dunst des fernen Horizonts wird aber schon unser nächster Strecken-Hot-Spot sichtbar: „CityLife“. 

 

CityLife und Mailands Nordens 

 

CityLife – auch das ist ein Inbegriff des „neuen Mailands“. Auf dem ehemaligen Mailänder Messegelände bauen drei Star-Architekten ein autofreies Stadtquartier, in dem sich einmal elegante, in Parks und Wasser eingebettete Wohnsiedlungen um drei spektakuläre Wolkenkratzer gruppieren sollen. Libeskinds „Il Curvo“ (der Gebogene), noch mitten im Bau, ist der erste der drei, den wir am Horizont erspähen. 166 m hoch soll er werden und man darf gespannt sein, wie die verdreht wirkende Konstruktion einmal ausschaut, wenn sie fertig ist.

Erst zwei Kilometer weiter, nun fast schon auf Tuchfühlung, kündet uns auch „Il Dritto“ (der Gerade) vom Fortschritt des Projekts. Schlank und rank, auf goldfarbene Streben gestützt und mit 207 m der höchste der Türme ist er. Und als Einziger schon fertig gestellt.

Vom Dritten im Bunde, „La Storto“ (der Krumme), 170 m hoch geplant, stehen, für uns unsichtbar, erst die Fundamente. Der direkte Zutritt bleibt uns zwar verwehrt, doch haben wir ab km 15 zumindest von den umlaufenden Viales aus ausgiebig Gelegenheit zum Gucken und Staunen. 

 

 

Höchst eigenwillig gestaltet sind und ein wenig an Kreuzfahrtschiffe anmuten die Residenzen, die entlang unseres Kurses bereits hoch gezogen wurden. Den „Design-Vogel“ schießt jedoch ein anderes Bauwerk ab: der Bau des vergleichsweise flachen MiCo. Das Kürzel steht für Milano Congressi, Europas derzeit größtes Kongresszentrum. Unwillkürlich erinnert mich die Dachkonstuktion an den Panzer einer gigantischen Schildkröte. Nicht wundern würde mich, wenn dieser Spitzname schon vergeben wäre. 

Einen optisch krassen Gegensatz dazu bilden die uniformen, grauen Wohnblöcke, an denen wir kurz darauf vorbei joggen. Das „neue Mailand“ ist hier jedoch noch längst nicht zu Ende. Nach einem Schlenker erreichen wir die schnellstraßenartig ausgebaute Viale L. Scarampo und passieren hier, im Stadtteil Il Portello, die mächtigen, teils begrünten Hallen der neuen Fieramilano City, einmal mehr mit Ausblicken auf weitere steingewordene Architektenfantasien. 

Auf mehrspurigem Asphalt geht es immer weiter gen Peripherie. Fast schon verliert sich der Läuferstrom in der Breite der Straße. Bei km 18 habe ich eine Begegnung der besonderen Art. Ein Rückwärts-Läufer blickt mir in die Augen und ist fast so schnell wie ich. Respekt! Doch irgendwie „verdreht“ erscheint mir das doch. 

Immer weitläufiger, immer ruhiger wird das Umfeld. Und immer grüner. Zwischen km 19 und 20 umkurven wir den Park Monte Stella. Wenig später folgen wir einer schier endlosen Allee, deren auffallendstes Merkmal eine hohe, von Graffitikunst durchgehend verzierte Mauer ist. Was wir nicht sehen: Dahinter ist die Pferderennbahn des Ippodromo. Von drei Seiten umrunden wir die Rennbahn, wobei einmal mehr die Staffelwechsler einen Kilometer lang für ungewohnte Stimmung sorgen. 

Eine Mailänder Institution der ganz anderen Art rückt bei km 23 ins Blickfeld: Das Stadio San Siro, heute auch Giuseppe-Meazza-Stadion genannt, Heimstätte der beiden legendären Mailänder Fußball-Top-Clubs Inter und AC. Über 80.000 Menschen fasst die monströse, mich an die moderne Version eines Kolosseums erinnernde Betonschüssel. Angesichts der Stille und Leere schwer vorstellbar ist, wie sich hier Menschenmassen in der Größenordnung fast einer Großstadt zur kollektiven Huldigung der Fußballgötter zusammen rotten. 

Noch einsamer und naturnaher wird es wenig später: Zur Rechten passieren wir jenseits des km 24 den zur Straße hin offenen, weitläufigen Parco di Trenno, zur linken „wilde“ Wiesen, Wald und Felder. Doch der Ausflug in die Natur währt nur kurz, schon holt uns die „Zivilisation“, zumeist in Gestalt mehrstöckiger Wohnblöcke, ein. Wirklich spannend ist das nicht, aber da muss man eben durch. Mehr denn je helfen die alle 5 km eingerichteten Verpflegungspunkte, zumal sich die Temperaturen mittlerweile deutlich jenseits der 20 Grad C bewegen. Wasser und Iso-Getränke gehören zum Standard, daneben stehen Bananen-, Apfel- und Orangenstücke im kulinarischen Programm. Das Wasser gibt es, wie in Italien üblich, in der Flasche – verschwenderisch, aber praktisch. 

Bei km 29,5 ist der nördlichste, zielfernste und gleichzeitig mit 140 m üNN höchstgelegene Streckenpunkt erreicht. Nun ja: Der tiefstgelegene Punkt liegt bei 118 m üNN, die Strecke ist damit insgesamt extrem flach und schnell, vorausgesetzt man ist physisch in der Lage, diesen Vorteil zu nutzen. Ab diesem Punkt geht es über die Via Gallarate direttissima in Richtung Innenstadt zurück. Auch diese Kilometer durch Gewerbe- und Wohngebiete, teils mit Autoverkehr auf der Gegenspur, zählen nicht unbedingt zu den Highlights der Strecke. Bis etwa km 34 währt die optische Durststrecke. 

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Informationen: Milano Marathon
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