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Laufberichte

Fühl Dich gut - Valentinstag in Terni

 
Autor: Joe Kelbel

Es ist Valentinstag und ich begebe mich in Gefahr, mitten in einem kleinen, herzchengeschmückten Ort im grünen Zentrum von Umbrien, der kleinen Schwester der Toskana. Terni, ein romantischer Ort mit mildem Sonnenschein, an dem an diesem Wochenende alle Menschen händchenhaltend durch die Straßen schlendern:  Terni, die Stadt, in der der Heilige Valentin begraben ist.

St Valentin (lat.valere = fühl dich gut) widersetzte sich, damals noch als einfacher Priester, den  römischen Gesetzen, indem er Soldaten das Sakrament der Ehe gab. Der Staat beanspruchte die ganze Kraft eines Soldaten, weswegen sie nicht heiraten durften. Zur  Hochzeitszeremonie verschenkte Valentin Blumen aus seinem Pfarreigarten. Der Gesetzesverstoß kostete ihn den Kopf, der mit anderen Reliquien in der Basilika in Terni verwahrt sind. 

Wenn die Überreste des Heiligen am Samstagabend durch die herzchengeschmückten Strassen der Stadt getragen werden, ist das der Höhepunkt des wochenlangen, unglaublich romantischen Liebesfestivals, der im Marathon am Sonntag gipfelt. 

Es fängt mit der „festa della promessa“ an, wenn sich in der Basilika hunderte Paare vor den sterblichen Überresten des Heiligen Valentin ewige Liebe schwören. Dieses Jahr steht im Mittelpunkt ein Ehepaar, das seit 75 Jahren verheiratet ist. In der Mitte der Basilika liegen Berge von Bittbriefen aus der ganzen Welt. Vielleicht sind es auch Dankesbriefe.

Die „Chioccolentino“ ist das größte Schokoladenfest, das man je gesehen hat. Da wird gespachtelt, bis die Gesichter gebräunt sind, gekocht und gerührt, geformt, geknetet und probiert. Es gibt Kochseminare und Blindverköstigungen, Schokobrunnen und Hochzeitstorten. Brautschuhe aus weisser und schwarzer Schokolade für 15 € finden wortwörtlich hohen Absatz.

Der Schoko-Cocktail „dell`amore“ haut selbst mich um. Er ist ohne Alkohol, hat aber eine  grausamen Süsse. Handfestere Speisen gibt es auch, sogar unlimitiert und dazu ein Glas Wein. Wer nicht genug bekommen kann, dem sei das „Risotto alla norcina“ mit vielen schwarzen Trüffeln empfohlen. Die Trüffel gibt es auch in flüssiger Form, aus winzigen Schnapsgläschen. Schinken, Käse, Salamis, hier probieren, da probieren. Wer kann da noch an Marathon denken?

Alles für die Liebenden. Beim Marathon erhalten die schnellsten Pärchen eine pompöse Siegerehrung, beim „Love Cake Contest“ können sie sich duellieren und beim „Dolci Amore“ in süßer Schokolade baden. Die Gewinner des Marathons erhalten 800-300 Euro, sogar eine Firmenwertung gibt es. 250- 100 für die erstplatzierten Firmen, ja wenn das keine Liebe ist! 

Bestimmt wollt ihr spätestens jetzt wissen, wie man nach Terni kommt. Nach Terni fliegt man von Deutschland aus in 90 Minuten. Mit Ryanair, Easyjet oder Germanwings fliegt man nach Rom, Transfer zum Termini (HBF). Zug der Linie Rom-Florenz nach Terni (50 min). Mietwagen für 3 Tage kostet 40 €. Ryanair fliegt auch Perugia an, von dort mit dem Zug nach Foligno und weiter nach Terni. Bahnfahrten sind Italien relativ billig.

Das Marathonhotel „Michealangelo Palace“ ist gleich gegenüber dem Bahnhof, die Marathonexpo mit Startnummernausgabe 100 Meter weiter. Hier findet auch die unglaubliche, mehrgängige Pastaparty statt, Rot-und Weißwein all you can drink. Um 17 Uhr geht von hier aus die kleine Bimmelbahn zur Basilika, wo um 17:30 Uhr die Prozession mit den Reliquien des St Valentin startet. Unbedingt ansehen. Am späten Abend erreicht die Prozession die Innenstadt.

Die Pastaparty im Sportzentrum ist die einzige der Welt, bei der Helfer mit Kräuterwasser aus heimischen Produktion durch die Reihen gehen. Das hilft, wenn man wie ich schon einen Großteil des Schokobrotes gegessen hat. Lasagne, Schinken, Käse und natürlich das süsse Spritzgebäck sind eine gute Grundlage für morgen.

Der Valentinsmarathon wird immer am ersten Sonntag nach dem 14. Februar um 9.30 Uhr gestartet, auch für Verliebte eine angenehme Zeit. Vom Corso del Popolo führt die Strecke entlang der Nera, dem Valneria, bis nach Ferentillo, dem Wendepunkt. Die Strecke ist in diesem Jahr kompakter, führt fast nur noch entlang der glasklaren, grünen Nera. Im Tal hängen an Felsen und Bergen pitoreske Dörfer und imposante Burgen. Die Valneria (übersetzt: kleines Tal der Nera) ist ein durch und durch romantisches Gebiet. Macht Euch startklar!

Die Starteinteilung ist in drei Blöcke (Griglia= Grill, gemeint sind aber Abspergitter) aufgeteilt: Schnell, normal, verträumt. Wegen der Schönheit der Strecke und dem leichten Anstieg bis zur Wendemarke sollte man sich ins verträumte Feld stellen.

Unglaublich viele Pacemaker ziehen mit ihren Herzchenluftballons die Aufmerksamkeit der Läuferinnen und Läufer auf sich.  In Italien will man nicht nur mit seiner Laufkleidung auffallen, es kommen die lautstarken Begeisterungsrufe dazu, das Winken, Hüpfen und plötzliche Ausscheren, um seine Mutter, Tante oder Oma zu begrüßen.

Irgendwann komme auch ich durch den Herzchenbogen und sehe alsbald in einer Senke vor mir das gesamte schrille Läuferfeld! Boah! Was für ein Anblick! Was für eine Farbenpracht! Die Laufstrecke führt dann leicht bergauf, direkt zur Basilika. Sie liegt nicht in der Stadtmitte, denn man begrub den geköpften Valentine damals ausserhalb der Stadtmauern auf einem kleinen Hügel.

Ist es makaber oder romantisch? Auf diesem Friedhof fand man auch die Überreste des römischen Centurio Sabino und seiner geliebten Serapina in enger Umarmung. Serapina war Christin (245 n Chr), Sabino wechselte auch zum Christentum und Valentin verheiratete das Paar. Am Hochzeitsabend wurde Serapina sehr krank. Sabino flehte Valentin an, er möge nie von Serapina getrennt werden. Daraufhin erhob Valentin seine Hände gen Himmel, und das junge Paar entschlief eng umschlungen in die Ewigkeit. Sage oder Wahrheit? Zu sehen im municipal archaeological museum in Terni.

Über uns nun die markante Silouette der Basilika. Niemand geht die steile Strasse hinauf. Jeder läuft, pure Motivation, dieses Heiligtum zu erobern. Dort oben also liegt der Heilige Valentin. Irgendwie beruhigend. Mit großen Schritten laufe ich hinauf, bis mir römische Soldaten grimmig den Eingang zur Basilika verwehren.

Hinter der Basilika geht es wieder abwärts, Richtung Innenstadt.  „ Mamma!“  „Giovanni!“, es scheint so, als würde hier jeder jeden kennen. Die Läufer vergeuden viel Energie für ihre Grüßerei.

Bevor wir in die Valneria gelangen, laufen wir durch das Industriegebiet. Dank  der Kraft der Nera entstanden hier riesige Stahlwerke. Thyssen Krupp ist größter Arbeitgeber der Stadt.  Rom will die Stahlproduktion umstrukturieren, die Werke schliessen. „Wenn in Rom nicht Renzi, sondern Merkel Chefin wäre, dann ginge es uns gut“, sagt Massimo.

Km 8: Auf einer Höhe von 200 Metern klebt Papigno. Unglaublich, exakt 449 Einwohner leben dort oben und bewachen die Kreuzung der Strasse der Valernina mit dem Weg der Curia. Lange kämpfte das Familiendorf  für seine Unabhängigkeit, bis es im 13. Jahrhundert von Terni erobert wurde.

Wir laufen durch eine zerfallene urige Fabrikanlage. Nur die alte Keksfabrik leuchtet in frischen Farben, es sind jetzt die Geschäftsräume von EON. Die Wasserkraft wird durch Fallrohre und mit einem großen Wehr eingefangen. Ein Schild „ Imbarco Atleti“ bezieht sich nicht auf uns Läufer, es ist der Eingang für Top-Kanuten, die in dem tiefen, tosenden Tal trainieren.

Wir unterqueren die imposante Autobahnbrücke. Sechs Tage lang wurde diese wichtige Autobahn von den streikenden Stahlarbeitern Ternis blockiert.

Km 10, wir kommen zum absoluten Höhepunkt unserer Reise: Die Cascata delle Marmore, die Wasserfälle von Marmore, Weltkulturerbe mit einer zu Tränen rührenden Geschichte: Die hübsche Nera verliebte sich in den Hirten Velino. Juno, die römische Ober-Göttin, die einst ihren Ehrentag am 14.Februar hatte, fand das gar nicht lustig und verwandelte die süsse Nera in einen Fluß. Velino, deswegen todtraurig,  stürzte sich weinend vom Felsen Marmore (steckt da nicht „Amore“ drin?), um sich mit der Geliebten Nera für immer zu vereinen. Bis in alle Ewigkeit stürzt sich nun Velino in das Tal der Nera.

Die wahre Geschichte des Wasserfalles ist auch beeindruckend: Im Jahre 271 v. Chr. befahl Konsul Curio Dentato, den Fluß Velino abzustechen, um die Stauwässer der Sümpfe in das Tal der Nera abzuleiten. Der Konsul machte sich mit dem Bauwerk sehr beliebt, vor allem auch bei den gerade eroberten umbrischen Völkern. Wegen seiner Schönheit ist der Wasserfall seit jeher beliebtes Motiv für unzählige italienische Maler und Dichter (u.a.Virgil, Dante).

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Informationen: Maratona di San Valentino
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