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Laufberichte

Bauchschmerzen

15.01.12
Autor: Joe Kelbel

Kein Läufer, der Veranstalter hat Bauchschmerzen. Wegen mir. Das hat aber auch einen guten Grund, denn der LG Mörfelden Walldorf organisiert das ganze Jahr über Laufveranstaltungen  und führt Leistungs-Athleten, Kinder und Jugendliche zur Wettkampffähigkei. Und da kommt dann so ein  Marathonsammler und will es den „Geförderten“ zeigen.

Der Staffelmarathon ist für je 4 Läufer gedacht, die sich die Marathonstrecke teilen. Jeder läuft also 10,55 km. Sinn der Veranstaltung ist es, über den Teamgeist die Motivation für längere Läufe zu wecken. Und das ist dem LG Mörfelden Walldorf gelungen, denn in 4 Wochen findet der Mörfeldener Halbmarathon statt und da werden fast alle Teilnehmer von heute wieder zu sehen sein.

Um es vorwegzunehmen: Nicht eine Staffel kam nach mir ins Ziel. Und das macht mir jetzt Bauchschmerzen.

 „Nicht gewünscht aber geduldet“ war meine Überschrift vor 2 Jahren. Ich bin froh, dass ich geduldet bin und habe Respekt vor den Staffelläufern, die nahezu alle unter 4 Stunden ins Ziel kommen. Ein großer Erfolg der Winterlaufserie des LG Mörfelden-Walldorf. 

Wie wichtig und mobilisierend solche Veranstaltungen sind, habe ich am Donnerstag beim Apfelwein erfahren. Da wurde nämlich die übliche, blöde  Frage  an mich gerichtet: „Und, läufst du noch?“ Zwei Bembel später  hatte ich eine 4er Staffel für Sonntag zusammengestellt.

Wo es Apfelwein gibt, da ist Frankfurt. Und Mörfelden liegt in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens. Wir werden also 50 Meter über unseren Köpfen  permanent internationales Publikum haben. Wir laufen nur durch Wald, Naturschutzgebiet Mönchbruch, gefördet durch Ausgleichsfinanzierung der Flughafengesellschaft.

Bei Laufveranstaltungen rund um Frankfurt gibt es leider viele Autoaufbrüche, deswegen unbedingt Wertsachen im Veranstaltungszentrum abgeben. Das  hier ist das Waldstadion in Mörfelden, nicht Frankfurt, Rüsselsheimer Landstr. Geparkt wird „innovativ“, auch das wird glücklicherweise geduldet.

Alles locker, alles liberal, die Staffel, die  sich noch am Vorabend bei Bierlaune im „Livings“  im EZB Hochhaus, oder im „60313“ am Goetheplatz  für den Lauf entschieden hat, darf noch bis 8:30 nachmelden. Es sind nicht wenige, die bei diesem herrlichen Sonntagswetter „last minute“ auf der Matte stehen. Alles geht schnell und routiniert, schließlich ist das der 35. Mörfelder Staffelmarathon, und damit wohl einer der ältesten in Deutschland.

9 Uhr Start. Meine Taktik heute: Bei jeder Runde schneide ich eine andere Grimasse, sodass niemand erkennt, dass ich Einzelkämpfer bin. René und Angela laufen abwechselnd und rechnen sich somit bei der Mixtstaffel einen der vorderen Plätze aus. Sind drei Männer unter den vier Läufern, so wird die Staffel als Männerstaffel gewertet. Es gibt auch Läufer, die laufen zwei oder sogar drei Runden.

Die Strecke führt durch eines der größten Gräberfelder Europas: Hügelgräber aus der Keltenzeit. Hier parallel zum Main führte eine alte Handelsstrasse Richtung Leipzig, an deren Seiten die Kelten ihre Toten begruben. Als die Römer kamen, waren die Kelten, die sie Gallier nannten, schon längst verschwunden. Für die Läufer wären die Hügel in dieser laublosen Zeit gut erkennbar, aber man muss es halt wissen, dazu kommt, dass die Grabstellen in den Jahrtausenden schon oft genug durchwühlt wurden  und nun nur noch drei bis 4 Meter hoch sind.

Als die Schneisen, auf denen wir entlanglaufen, vor etwa 300 Jahren geschlagen wurden, nahm man keine Rücksicht auf die Gräber. Bei km 4 „überlaufen“ wir so einen gewaltigen Hügel von etwa 6 Metern Höhe. Obendrauf steht sogar ein Aussichtspavillon. Wo früher ein trockner Handelsweg war,  drückt  nun das Grundwasser nach oben und bildet ein stadtnahes Ökosystem.

Ein Läuferin sagt zur anderen: „ Der fotografiert ja jedes Kilometerschild!“ „Mensch Leute“,  sag ich, „ich mache hier Reportage, der Leser will informiert sein!“ Na ja, viel gibt es hier nicht fürs Familienalbum, denn die Läufer sehe ich nur von hinten, und auf der Begegnungsstrecke sind die so schnell, dass ich sie nur unscharf auf’s Bild kriege. Also Kilometerschilder!

Wir sind nicht mal eine Handvoll Einzelkämpfer, lassen uns von den schnellen Staffelläufern ziehen. Sehr viele von denen laufen die 10,55 km unter 40 Minuten. Doch nach 21 km werden wir langsamer, müssen unsere Eigenverpflegung zu uns nehmen, denn es gibt nur warmen Tee im Zielbereich. 10 km-Läufer brauchen keine Verpflegung.

Die Ü200-Wertung (also 4 Läufer über 50) kann ich nicht gewinnen. Erst in vierzig  Jahren, glaub ich, käme ich als Einzelkämpfer in diese Kategorie. So laufe ich ruhig meine Runden und bin erstaunt, wieviele bekannte Gesichter ich sehe. Viele laufen sich eine komplette Runde, manche laufen nach Einsatz dann sogar noch nachhause.  Da sind einige Marathonkracks dabei, die großen Wert auf das gemeinsame Lauferlebnis legen und nicht auf den persönlichen Ruhm aus sind. Da bekomme ich ein wenig Bauchschmerzen, ich Egoist.

Ich bin auf der Zielgeraden. Mitten auf der Tartanbahn liegt ein Staffelfrühstück. Sieht nicht nach Mettbrötchen aus. Als mich Vanman Jochen beim Zieleinlauf als der „sagenhafte Joe von marathon4you“ ankündigt, bin ich froh, dass alle 120 Staffeln schon die Siegerehrung hinter sich haben und beim Apfelwein im Vereinsheim sitzen, ihn nicht mehr hören. Diejenige Staffel, die jetzt den Korb Sekt leert, hat meinen einsamen Zieleinlauf nach  4:11 Stunden nicht mitbekommen. Recht haben die, es ist ein schöner Tag zum Feiern!

Großes Lob an die LG Mörfelden Walldorf für 480 gut gefördete, schnelle Läufer und Dank dafür, dass Ihr für uns „lahme“ Sammler die Zeitmessung offen gelassen habt. Ein herrlicher Sonntag war das!

 

 

Informationen: Marathon-Staffellauf SKV Mörfelden
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