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Laufberichte

Schlemmer-Marathon

24.06.07
Autor: Klaus Duwe

Lauf- und Freßbericht mit kleiner Weinkunde

 

Mit nichts Anderem werden unsere westlichen Nachbarn häufiger in Verbindung gebracht, als mit gutem Essen und Trinken. Wer dazu nicht nein sagt und gerne läuft, sollte sich mal den Termin 22. Juni 2008 vormerken. Dann findet der nächste Marathon Vignoble d'Alsace statt. Ich verspreche Genüsse ohne Reue. Okay, ich muss das etwas abschwächen, denn jeder ist für seine Überdosis an Kilometer, Wein und anderen Köstlichkeiten und der daraus resultierenden eventuellen Nebenwirkungen selber verantwortlich.

 

Die Spuren der großen Spätzles-Party am Samstag sind noch am Sonntagmorgen, als ich auf dem großen Zielgelände vor der Dreifaltigkeitskirche eintreffe, unübersehbar. Die Startunterlagen am Sonntag gibt es bei „Cora“ in Dorlisheim, ein paar Kilometer entfernt, dort ist auch der Start für den Marathon (der Halbmarathon beginnt in Scharrachbergheim). „Cora“ ist eine große Supermarktkette in Frankreich, bei der auch viele Badener Stammkunde an den riesigen Fisch- und Käsetheken sind. Als Sponsor bestücken sie zusammen mit den örtlichen Winzern die 12 (!)Verpflegungsstände unterwegs und lassen sich nicht lumpen, das will ich schon einmal verraten.

 


Molsheim ist einfach zu erreichen über die Autobahn A 5 Karlsruhe – Basel, Abfahrt Appenweier. Von da immer Richtung Strasbourg Flughafen (Entzheim) bis zur Ausfahrt Molsheim - oder auf der französischen Seite, noch mautfrei, die A 35  und A 352 ebenfalls bis zur Abfahrt Molsheim. Trotz der Grenznähe sind nur ein paar Deutsche da, unter ihnen der Weltrekord-Horst, aber der sind ja überall. Woran das liegt? Ich weiß es nicht. Oder vielleicht doch? Ein bisschen mehr Werbung könnte nicht schaden und vielleicht noch mehr Informationen auf der Website in Deutsch. Das dürfte kein Problem sein, denn schließlich spricht man (auch) deutsch im Elsass.

 


Der Veranstalter hat sich mit Sicherheit in Medoc die eine oder andere Anregung geholt. Jedenfalls haben sich etliche Läuferinnen und Läufer mehr oder weniger geschmack- und phantasievoll kostümiert, um dafür vielleicht einen Pokal oder ein zusätzliches Weinpräsent zu ergattern.


Erfreulich früh (8.30 Uhr) ist der Start, 6 Stunden lässt man den Genießern für den Marathon Zeit. Gestern hat es sich ausgeregnet, heute ist der Himmel zunächst noch ziemlich bedeckt, es hat 16 Grad, 25 werden es im Tagesverlauf.

 


Schnell haben wir den kleinen Ort verlassen und sind auf Wirtschaftswegen durch Maisfelder, Obstgärten und Wiesen unterwegs. Nach 5 Kilometern kommen wir nach Mutzig, ursprünglich bekannt für sein Bier. Inzwischen ist die Brauerei von einem Großkonzern aufgekauft und der Name verschwunden. Nicht einmal an der Verpflegungsstelle gibt es Bier, sondern einen Pinot Blanc, dazu Gugelhupf und Blasmusik. Als Pinot Blanc (Weißer Burgunder) bezeichnet man den hellsten aller Burgundersorten. Das Elsass gehört neben dem Burgund zu den Hauptanbaugebieten. Den Gugelhupf kennt man auch im Badischen. Es ist ein Napfkuchen aus Hefeteig, ähnlich dem italienischen Weihnachtskuchen Panettone. So lecker das alles aussieht, die Nachfrage hält sich so früh am Morgen in Grenzen.

 


Wir folgen dem kleinen Flüsschen Breusch (franz. La Bruche) auf einem schmalen Wiesenpfad und kommen nach Molsheim (km 10), wo es neben der großen Dreifaltigkeitskirche aus dem 17. Jahrhundert viele weitere historische Gebäude und alte Fachwerk- und Bürgerhäuser zu bewundern gibt. In der Kirche steht übrigens eine echte Silbermann-Orgel, erbaut von Andreas Silbermann, der zusammen mit seinem Bruder Gottfried zu den bedeutendsten deutschen Orgelbauern im 18. Jahrhundert zählt.

 


An der Verpflegungsstelle gibt es Riesling und Mauricette, ein Laugengebäck. Der Riesling hat sich ja zu einem der beliebtesten Weißweine entwickelt und der elsässische hat einen besonders guten Ruf. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass es auch Wasser und Cola (0,3 l in Flaschen), Obst (Trockenfrüchte und Bananen) und Riegel gibt. Alle paar Kilometer werden außerdem Erfrischungsschwämme gereicht.


Auf dem ebenen und bequemen Radweg parallel zur Verkehrsstraße laufen wir nach Dachstein. Unterwegs kommen uns einige uralte, offene Bugattis entgegen. Fahrer und Beifahrer sind stilecht mit Lederkappe, dicker Brille und Halstuch bekleidet. Sie sind auf einer Art Wallfahrt, denn Molsheim gilt als Heimat der noblen Automarke und Ettore Bugatti, ihr Begründer, ist in Dorlisheim begraben, dort, wo wir gestartet sind.

 


Der Speisezettel in Dachstein (km 13) ist rustikal. Bier und Saucisses, dicke Würste, die ursprünglich aus dem Jura kommen sollen, werden angeboten. Scheint nicht so der Hit zu sein. Aber einen guten Kilometer weiter in Egersheim (km 14) kommt ja schon die nächste Verpflegung. Ich traue meinen Augen nicht. Die haben hier tatsächlich einen Ofen aufgebaut und machen frischen Flammkuchen (Tarte flambée, elsässisch Flammekueche). Der „Ur-Flammkuchen“ besteht aus dünnem Brotteig, belegt mit Zwiebeln, Speck und einer Creme aus Sauerrahm. Inzwischen gibt es viele andere Varianten, fast wie bei den Pizzen. Hier ist gerade die mit Äpfeln an der Reihe. Drei Stücke schieb ich mir rein, verzichte dafür auf den Sylvaner. Das ist die älteste, heute noch angebaute Rebsorte. Bis in die 1970er Jahre war es mit der beliebteste Weißwein, dann kam immer mehr der Riesling in Mode.


Manchmal wären Trailschuhe nicht schlecht. Die Wiesenwege haben rechts und links tiefe, unebene Fahrspuren, in der Mitte steht hohes Gras, Landschaftslauf pur. Dafür sind die Ausblicke über die Felder und Wiesen auf kleine Ortschaften, Weinberge und auf die Ausläufer der Vogesen wunderschön. Direkt vor der Wallfahrtskapelle Maria Altbronn ist wieder eine Verpflegungsstelle eingerichtet, diesmal mit reiner „Läufernahrung“, Wasser. Cola, Obst und Riegel.


Es versteht sich, dass an den Verpflegungsstellen viele Leute versammelt sind, meist gibt es auch Live-Musik und immer viel Applaus und Komplimente für die Läuferinnen und Läufer. Es macht Spaß, auch wenn es nicht die großen Massen sind. Die Herzlichkeit ist entscheidend, und die ist nicht zu überbieten. Besonders stürmisch wird man in Wolxheim empfangen, wo es ganz ordentlich bergauf geht. Am Ortsausgang kommt gleich die nächste Steigung.

 

Dann wird Dahlenheim erreicht. Jetzt ist der Pinot Noir (Blau- oder Spätburgunder) an der Reihe. Diese sprichwörtlich dünnhäutige Edelrebe ist sehr temperaturempfindlich und daher sehr schwierig anzubauen. Trotzdem hat sie sich im Elsass eingebürgert. Hauptanbaugebiet ist natürlich das Burgund. Ich lasse mir ein knackiges Würstchen mit frischem Baguette schmecken, und weiter geht es nach Scharrachbergheim, das nur einen Kilometer weiter bei der Halbdistanz erreicht wird. Um 9.30 Uhr wurde hier der Halbmarathon gestartet.

 

Soll ich schon wieder was essen? Frisches Gebäck (Stolle) und verschiedene Marmeladen werden angeboten. Zu trinken gibt es einen Tokay d'Alsace, der eine Mutation des Blauen Burgunders ist. Als Pinot Gris ist er in Frankreich weit verbreitet, in Deutschland und Österreich kennt man ihn als Grauburgunder, bei uns im Badischen nennt man ihn Ruländer und in Italien Pinot Grigio.


Abwärts geht es durch den Ort nach Odratzheim. Nicht nur hier fallen die herrlich hergerichteten und mit vielen Blumen geschmückten alten Fachwerkhäuser auf. Nach dem hügeligen Örtchen geht es flach an einem Bächlein entlang weiter, zur Abwechslung gibt es etwas Schatten, der bei der inzwischen auf etwa 25 Grad angestiegenen Temperatur ganz gut tut. Aber schon bald sind wir auf einem Radweg und wieder voll in der Sonne. Die Strecke ist insgesamt landschaftlich sehr schön und abwechslungsreich, aber etwas anstrengend. „Schuld“ daran ist nicht nur das Auf und Ab, das besonders auf der zweiten Hälfte Kraft kostet, sondern auch die rustikalen Feldwege. Richtig erholsam sind da die langen Passagen auf den gut ausgebauten Radwegen.

 


Marlenheim (ca. km 26) wird erreicht, das Tor zur Elsässischen Weinstraße. Eine Trachtengruppe begrüßt uns, bevor wir auf das Schloss aus dem 19. Jahrhundert zulaufen. Links geht es auf die Hauptstraße und zur nächsten Verpflegungsstelle. Zu Rockmusik gibt es Nudeln, angemacht mit Curry oder mit Pesto. Köstlich, kann ich nur sagen. Der Wein dazu ist ein Auxerrois, ein Weißwein, der nicht so sehr verbreitet ist. An Saar und Mosel und im Kraichgau gibt es auch Anbauflächen.


Lautstark mit Sirenen macht die Besatzung der nächsten Verpflegungsstelle auf sich aufmerksam, die gut zwei Kilometer weiter kurz vor Wangen (km 29) erreicht wird. Das Angebot ist wieder ganz und gar läuferspezifisch. Der Ort wird nach einem ein Kilometer langen, knackigen Anstieg erreicht. Vor dem  Niedertorturm aus dem 16. Jahrhundert gibt’s Schnecken und Riesling, dann laufen wir durch den Ort und verlassen ihn, wie wir ihn betreten haben: durch ein Tor.

 


Recht hügelig geht es weiter. Die Ausblicke auf Felder, Wiesen und Weinberge, auf Ortschaften und die Berge sind immer wieder schön. Traenheim (km 33) ist unsere nächste Station. Nach der Sportlertränke kommt der Weinstand, wo es Gewürztraminer gibt, ein Weißwein, der aus rötlich gefärbten Trauben gewonnen wird. Fast die gesamte französische Anbaufläche liegt im Elsass. Das Aroma ist so markant, dass man sogar die Trester noch verwertet. Aus ihnen wird Schnaps gemacht, der Marc de Gewürztraminer.


Nur einen Kilometer weiter, mitten in den Weinbergen, gibt es endlich den wegen seines intensiven Geschmacks unverwechselbaren Münsterkäse. Benediktinermönche haben ihn in Münster im Münstertal "erfunden". Die Einheimischen essen ihn gerne mit Pellkartoffeln und Kümmel und trinken dazu einen Gewürztraminer. Die Qualität des Münsters wird danach beurteilt, wie mild er ist. Der hier ist es ganz besonders.

 


Wegen meiner doppelten Portion Münster schaue ich den Verpflegungsstand in Soultz les Bains (km 37) gar nicht an, erfrische mich mit Wasser von innen und außen und laufe weiter. Entlang einer ruhigen Nebenstraße erreichen wir Wolxheim, das zu den besten Weinlagen im Elsass zählt. Hier bekommen wir ein Pain d'epices (französisches Gewürzbrot) und einen Muscat, einen leichten Weißwein, den schon Barbarossa schätzte und der im Nibelungenlied erwähnt wird.


Langsam wird es Zeit, dass Schluss ist. Schluss mit dem Laufen und mit Essen und Trinken. In Avolsheim (km 39) sind wir schließlich bei den Keksen (Mignardises) angelangt. Dazu gibt es einen Crémant. So wird der Schaumwein genannt, der zwar nach dem Champagnerverfahren hergestellt wird, das aber außerhalb der gleichnamigen Region. 

 

Die letzten Kilometer werden dann auf einem breiten, topfebenen Radweg gelaufen. Endlich ist Molsheim erreicht, die mächtige Dreifaltigkeitskirche, dann der Zieleinlauf, die Begrüßung durch den Sprecher und der Applaus der Zuschauer. Drei junge Leute stürzen auf mich zu. Ein Mädel hängt mit die Medaille um, ein Junge knipst den Leihchip ab und ein anderer hält mir ein Tablett mit (alkoholfreien) Getränken entgegen. Wenn das kein Service ist. Es geht aber noich weiter. Jeder Marathoni bekommt einen Rucksack (Ihr habt schon genug? Aber so einen nicht!), T-Shirt, eine Flasche Wein und das Übliche: Obst, Getränke …

 


Das große Zelt ist gut besucht. Als ob es unterwegs nichts zu Essen gegeben hätte: jeder Marathoni bekommt noch einen „Marathonteller“ mit Salat, Pasteten, Terrinen und Käse, Baguette und Kuchen. Ich krieg das nicht mehr runter. Um zu verhindern, dass mir gleich der Bauch mehr schmerzt als die Beine, passe ich bei der Hälfte.

 

Derweil werden die Marathonsieger unter dem Jubel der Zuschauer mit Wein aufgewogen. Die Zeiten sind nicht wichtig, Siegerin und Sieger kommen aus der Region und hatten ihren Spaß, wie alle anderen auch. Und einer muss ja schließlich gewinnen ...


So was habe ich noch nicht erlebt. Und das fast direkt vor der Haustür.

 

Siegerliste:

 

Marathon Männer:

BOCH MICHAEL  02:44:40.10

KEYLING CHRISTOPHE 2:45:51.95

SCHOENENBERGER SYLVAIN 02:49:29.55

 

Marathon Frauen:

SAUNIER FABIENNE  03:39:38.55
LE ROY-BOBEL NADINE 03:58:56.00
ECK MONIQUE 04:00:43.70

 

Streckenbeschreibung:

Der Kurs ist hügelig mit teilweise schmalen Pfaden und holprigen Wirtschaftswegen, landschaftlich  aber sehr schön und abwechslungsreich.

 

Zeitnahme:

kostenloser Leihchip

 

Auszeichnung:

Medaille, Rucksack, T-Shirt, Weinpräsent, Marathonteller.

 

Verpflegung:

Unbeschreiblich

 

Zuschauer:

Beim Start und im Ziel, unterwegs in den Ortschaften bei den Verpflegungsstellen.

 

Logistik:

Am Samstag gibt es die Startunterlagen im Marathon-Village in Molsheim. Am Samstag beim Startgelände in Dorlisheim (Cora). Dort ist auch ein großer Parkplatz. Teilnehmer am Halbmarathon werden per Shuttle nach Scharrachbergheim gebracht. Ziel für alle Disziplinen ist Molsheim. Kleiderbeutel-Transport und Shuttle zurück zu den Parkplatzen (ca 2 km).

 

Informationen: Marathon du Vignoble d'Alsace
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