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Laufberichte

Laufen wie Gott in Frankreich

03.06.12

Pinot Blanc & Kougelhopf

 

Durch sanft hügelige Rebkulturlandschaft, durchbrochen von Wiesenbiotopen und vereinzelten Waldstücken, mit schönen Ausblicken über die symmetrisch angelegten Weinstockfelder geht es weiter, der Asphalt mutiert zum Naturweg. Ein Didgeridoo-Spieler beschallt die Kulisse mit mystischen Klängen.

Die Zivilisation holt uns aber schon bald wieder ein. In Mutzig erwartet uns hinter km 6 schon der nächste “gastro-vinologische” Halt. Pinot Blanc, bei uns uns besser bekannt als Weißer Burgunder, steht auf der Getränkekarte des Ausschanks inmitten des gemütlichen Dorfkerns, auch wenn Mutzig eigentlich eine Historie als  Brauereistandort (“Mützig Bier”) hat. Ein leichter fruchtiger, sehr angenehm zu trinkender Weißer rinnt durch meine Kehle. Dazu gibt es Gugelhupf, einen Hefekuchen in Napfform, einem Panettone nicht unähnlich. Lecker ist es, so kann es weitergehen. 

Auf einem schmalen Naturpfad folgen wir durch dichte Vegetation dem dschungelartig eingewachsenen Flüsschen Bruche, zu deutsch Breusch. Ein besonders schönes Wegstück ist dies. Aus dem Pfad wird irgendwann ein asphaltierter Radweg, doch die Landschaft bleibt triefend grün. Locker geht es im Flachen dahin.

 

Riesling & Choucroute

 

Damit ist es erst einmal vorbei, als wir nach 9 km den Ortsrand Molsheims erreichen, jenen Ort, der 33 km weiter auch unser Ziel sein wird. Vom historischen Ortszentrum mit seinen vielen hübschen Fachwerkhäusern und der alles überragenden riesigen Dreifaltigkeitskirche (17. Jh.) bekommen wir entlang unseres Kurses zwar nicht viel mit. Besonders idyllisch ist aber die Lage des Versorgungsstopps, der am Ortsrand bei km 9,5 oberhalb des Flussufers und zu Füßen eines alten Fachwerkhofs eingerichtet ist. Mächtig Stimmung verbreiten eine Drummergruppe und einige Zuschauer. 

Riesling steht auf dem Weinprogramm.. Auf 25 % der Anbaufläche im Elsass wird diese Rebsorte kultiviert. Das gastronomische Gegenstück “Choucroute” klingt auf französisch deutlich interessanter als auf deutsch: Sauerkraut. Doch auch dies ist eine elsässische Spezialität. In Kombination mit Eisbein gehört es zum Standard jedes anständigen Lokals mit  elsässischer Küche, die in ihrer Deftigkeit gar nicht so recht zum Gourmetimage französischer Kochkunst passt. Da ich mir nicht so sicher bin, ob dieses Kraut meinem Bauchgefühl so gut tut, belasse ich es bei einem Anstandsbissen.  

Über die Planken einer Holzbrücke geht es noch ein kurzes Stück entlang der Bruche weiter, ehe wir auf einen Radweg geleitet werden, der uns parallel zur Straße in Richtung Dachstein weiterführt. In schier endlosen Geraden durchmessen wir sich bis zum Horizont erstreckende platte Wiesen und Felder. Die 5 km bis Dachstein sind zwar bequem zu laufen, doch ausgesprochen reizarm, man könnte auch sagen: langweilig.  

Dachstein, sich selbst als “village fleuri” bezeichnend, ist ein beschauliches, stilles Dörflein. Alte Fachwerkgemäuer säumen die Hauptstraße. Wäre da nicht der Verpflegungsposten im Ortskern könnte man fast meinen, der Ort sei ausgestorben. Wein gibt es hier allerdings keinen, sondern nur marathonische Normalkost, und das heißt: Wasser, Isotonisches, Trockenfrüchte, Bananen, Orangenschnitze, Riegel. Solch laufkompatible Verpflegung gibt es übrigens auch überall dort, wo Wein fließt. Niemand muss also Sorge haben, primär mit Wein der Dehydrierung vorbeugen zu müssen. Überhaupt ist die Zahl der Stellen, wo man Flüssiges entlang der Strecke bekommt, rekordverdächtig. Gezählt habe ich sie nicht, aber im Durchschnitt alle zwei Kilometer darf man mit Nachschub rechnen.

Durch das alte Stadttor verlassen wir Dachstein. Ein lauschiger Weg führt über zwei Brücken durch abwechslungsreichen schattigen Laubwald.

 
Rose & Tarte Flambée

 

Nur ein kleines Stück weiter kündet der Kirchturm von Ergolsheim bereits den nächsten Ort an. In ihn hinein laufen wir allerdings nicht, sondern folgen am Ortsrand einem stillen Kanal, zur Linken gesäumt von ausladenden dichten Bäumen, zur Rechten von großzügigen eingewachsenen Anwesen.

Gleich beim km 16-Schild erwartet uns ein besonderer kulinarischer Genuss: In einem eigens aufgebauten Steinofen wird Flammkuchen, der Elsässer Esskulturexport schlechthin, zubereitet und ofenwarm an die Läufer ausgegeben. In der traditionellen Form ist der dünne Teigboden mit Zwiebeln, Speck und Schmand belegt, hier und heute ist allerdings eine süße Variante mit Apfel angesagt. Zugegeben: Der Flammkuchen kommt aus der Tiefkühlpackung, doch schmeckt er so authentisch aufgebacken dennoch lecker und ich belasse es nicht nur bei einer Schnitte. Dazu schlürfe ich einen fruchtigen Rose. So kann es weitergehen.

Am Ortsende von Ergolsheim bei km 17 zeigt der Marathon du Vignoble d’Alsace, dass er auch streckentechnisch Herausforderungen bereit hält: Denn hier geht es kräftig bergauf. Etwa 250 Höhenmeter sind auf der Gesamtstrecke zu bewältigen. Einen beträchtlichen Teil davon dürfen wir nun hier und etappenweise auf den Folgekilometern abstrampeln. Aber der Weg und die Landschaft sind dafür umso reizvoller. Weite Wein- und Getreidefelder ergießen sich wie Wellen über das offene Land, der blühende Mohn setzt rote Farbtupfer an den Wegesrand, eine unglaubliche Ruhe und friedvolle Stimmung liegt über der Natur. Mitten hindurch führen trailartige, teils grasbewachsene Wege, nicht ganz einfach zu belaufen, aber sehr viel spannender als Asphalt. Einsam mittendrin: die Wallfahrskirche Maria Altbronn.

 
 

Informationen: Marathon du Vignoble d'Alsace
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