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Laufberichte

Laufen im Herrgottswinkel

04.10.09

Für den ersten Sonntag im Oktober hatte ich das Dreiländereck am Bodensee auf dem Plan und wollte mal nachsehen, wie sich dort ein Marathon läuft. In Sachen Berichterstattung war der zum Zeitpunkt meines Entscheides aber bereits bestens abgedeckt.

Kein Problem: Go west, young man! Es gibt nicht nur im Osten der Schweiz ein Dreiländereck. Das im Westen kenne ich aus meiner Schulzeit, und die ist bekanntlich schon eine Weile her. Wobei ich damals mit wenigen Ausnahmen ein Grenzgänger zwischen der Schweiz und Deutschland blieb. Ausflüge ins Elsass hatten Seltenheitswert. Ein Grund mehr, wieder einmal in diese Ecke zu fahren.
Am gleichen Tag findet in Ferrette der Marathon du Jura Alsacien statt. Marathon ist Marathon – aber nicht wenn er in Frankreich stattfindet. Es gibt da ein paar Dinge zu beachten. Da wäre mal die Sprache, welche die Kommunikation im Vorfeld etwas erschwert. Warum müssen gewisse Dinge in Frankreich immer anders heißen als im Rest der Welt? Auf der ganzen Welt schreibt man sich E-Mails. Auf der ganzen Welt? Nein, in Gallien schreibt man sich "courriels". In diesem elektronischen Briefwechsel erfahre ich dann auch, wie sich das mit dem Gesundheitszeugnis verhält. Ein solches muss nämlich jeder (in Frankreich)nicht lizenzierte Läufer vorweisen, wenn er an den Start will.

Ich erfahre also, dass es kein offizielles Formular gibt, dass ich mir aber irgendwoher ein „certificat médical de non contre-indication à la pratique de l’athlétisme en compétition“ besorgen muss. Um meinem Arzt die Arbeit ein bisschen zu erleichtern und um gewappnet zu sein, falls ich ein solches Zeugnis in den nächsten zwölf Monaten sonst noch vorweisen muss, entwerfe ich ein Formular in Deutsch, Französisch und Englisch und bringe es ihm mit. Er macht sich gleich eine Kopie davon und füllt mir den Passierschein zum Marathonstart aus.

Auch wenn ich an der Regelung nichts ändern kann, lasse ich meine Zweifel an ihrem Sinn nicht unausgesprochen. Eine medizinische Bestätigung, die ein Jahr Gültigkeit besitzt, hat gegen Ende ihrer Geltungsdauer keine genauere Aussagekraft als die Erklärung, dass ich mit meiner Teilnahme bestätige, dass ich für eine Teilnahme gesund genug bin. Da lobe ich mir die Deutschen und die Schweizer, denen immer nachgesagt wird, dass sie alles überreglementieren. Hoffentlich kann diese Vernunftsregelung in diesen beiden Ländern nicht so schnell von irgendeiner Lobby gekippt werden!

Von Basel her fahre ich die dreißig Kilometer in den Sundgau, der eingeklemmt zwischen dem „Pays des trois frontières“, dem Land der drei Grenzen, und dem Territoire de Belfort liegt.

Eine Beschreibung auf www.Elsass-netz.de erklärt in kurzen Worten, dass es sich lohnt in den Sundgau zu kommen, weil es sich eben nicht lohnt:

Viel passiert nicht auf dem Asphalt. Der Sundgau, südlicher Zipfel des Elsass, ist eine stille, etwas spröde Landschaft. In touristischer Hinsicht ist der Sundgau wahrscheinlich der am wenigsten besuchte Teil des Elsass… Kurzum, der Sundgau liegt im Abseits. Und genau deshalb fahren Menschen hierher.

Und genau deshalb passiert heute auf dem Asphalt mal etwas. Die Organisatoren der „Courses de Ferrette“ können nämlich das Straßennetz der Region nutzen, um einen Landschaftsmarathon durchzuführen. Ich bin gespannt, wie diese Kombination zusammen mit den  250 Höhenmetern auf mich wirken wird.

Vor dem Start

Obwohl es nicht mehr frühmorgens ist, wirkt die Gegend ziemlich verschlafen. Nur vereinzelt begegnet mir ein anderes Auto, und in Ferrette selber deutet außer dem über die Straße gespannten Startbanner nicht viel auf die bevorstehenden „Courses de Ferrette“ hin. Richtig, es gibt nicht nur einen, sondern mehrere Läufe. Nebst dem Marathon ist es die Ferrettoise über 11 km und, neu in diesem Jahr, der Halbmarathon. Dieser startet eine halbe Stunde nach dem Marathon auf halber Strecke, wohin  die Läufer mit Bussen hingefahren werden.

Der Parkplatz ist gut ausgeschildert und nicht allzu weit weg vom Zielbereich beim Collège, wo sich das eigentliche Wettkampfzentrum in der Sporthalle befindet.
Mit der zuvor zugestellten Anmeldebestätigung, dem Passeport, erhalte ich flugs meine Startunterlagen. Dazu gibt es Handschuhe und einen Schal in Faserpelz, ein untrügliches Zeichen, dass sich die Saison dem Ende zuneigt und bald wieder nur noch die harten Hunde auf der Laufstrecke anzutreffen sind. Heute werden diese Accessoires noch nicht zum Einsatz kommen, doch in ganz kurzer Garnitur werde ich auch nicht an den Start gehen. Der Himmel ist bedeckt, dazu weht mehr als nur ein Lüftchen.

Mir bekannte Gesichter sind weit und breit keine zu sehen. Läufer aus Deutschland und der Schweiz üben sich in Sachen Teilnahme in diskreter Zurückhaltung. Ist es wegen der Gesundheitsbescheinigung oder aus sprachlichen Gründen? Aber bitte: Wer im Elsass keinen findet, der Deutsch spricht, sucht nicht richtig!

Während ich bei geöffneter Tür im Auto sitze und mir noch einen Happen Stärkung genehmige, werde ich dann doch noch begrüßt. Etwas unkonventionell, wenn man das so sagen darf. Ich meine, es ist nicht in allen Kreisen üblich, zur Begrüßung die Zunge heraushängen zu lassen, den Mund zu lecken und dabei zu hecheln. Gut, Objekt der Begierde bin auch nicht ich, sondern mein Brötchen, und der Begrüßende kommt, in weißes Fell gekleidet, auf vier Pfoten daher. Ein alter Bekannter, der Hund von Brigitte und Rolf Helge. Also doch, es gibt doch noch Bekannte zu sehen. Alle drei werden heute den Marathon laufen. Für Frauchen und Herrchen ist es der geschätzte achtundsiebzigste in diesem Jahr, für Nanuk immerhin auch schon der dritte.

Während andere sich Aufwärmen und für große Taten vorbereiten, schlendere ich gemächlich zum Startbanner und sammle Bilder und Eindrücke. Es sind keine zweihundert Startende, es macht aber den Anschein, als sei eine hohe Leistungsdichte versammelt. Der Moderator kennt offenbar nicht wenige Teilnehmer und sorgt mit seiner lockeren Art für eine Leichtigkeit, welche die Anspannung entschärft, die in den Minuten vor dem Start oft im Läuferfeld herrscht.

Zahlreiche Zuschauer verabschieden uns auf den leicht abfallenden ersten Metern, die uns zuerst nach Vieux-Ferrette führen, von wo wir unter dem Applaus kleiner Gruppen am Straßenrand das erste Mal in die Landschaft hinaus laufen.  Die Szenerie, die sich hier bietet, wird über weite Strecken unser Begleiter sein: Hügel, Weiden und schier endlose Maisfelder. Die traditionelle Kleinlandwirtschaft musste auch hier der industrialisierten Form Platz machen.

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Informationen: Marathon du Jura Alsacien
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