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Laufberichte

Monopoly to go

 

 

Villa Kennedy


Ein Hotel, das man bei Monopoly unbedingt besitzen muss, ist die „Villa Kennedy“ (KM 16 Kennedyallee). Im Vorüberlaufen kann man dem Portier in der schokobraunen Uniform mit Zylinderhut zuwinken. 163 Zimmer und Suiten hat der Hotelkomplex, der sich um einen großen Innenhof mit Wasserspielen und einem Eichbaum fügt. Früher war die 1904 gebaute Frankfurter "Villa Speyer" ein Forschungsinstitut. An einem heißen Sommertag vor 50 Jahren jubelten die damaligen Besitzer des Hauses dem amerikanischen Präsidenten zu. Die Schulkinder bekamen frei, und Beschäftigte der Verwaltungen hatten früher Dienstschluss. Keine fünf Monate später wurde er erschossen und das Straßenschild ihm zu Ehren in Kennedyallee geändert.

Später kamen die Kräne und Bagger und eine jahrelange Großbaustelle. Wer heute vom Turmzimmer aus auf die Frankfurter Skyline schaut, hat für diesen Blick zuvor 5000 Euro bezahlt. Soviel kostet gewissermaßen die Nacht in der über 320 Quadratmeter großen Präsidentensuite mit ihren Art-déco-Möbeln. Für mich reicht auch nur das Frühstücksbuffet.

Über stolze zwei Kilometer schlängeln wir uns weiter an meist prachtvollen Villen vorbei. Die Bauten des Frankfurter Bürgertums aus dem 19. Jahrhundert (damals hieß die Allee noch Forsthausstraße) sind typisch für jene Zeit. Etwas weiter, auf der anderen Straßenseite, stehen täglich die Objektschützer des türkischen Generalkonsulates. In direkter Nachbarschaft die diplomatischen Vertretungen Japans, Thailands, Vietnams und Pakistans - Kuwait wird folgen.

 

Zickzackhausen


12:00 Uhr - die potentiellen Siegesanwärter sind bereits in der entscheidende Phase, wir im einstigen Wäscherdorf (KM 17 Niederräder Landstraße) heute Bürostadt im Grünen. Die Commerzbankarena, die Zentrale des Deutschen-Fußballbundes und die über 150 Jahre alte Galopprennbahn gehören zu dem Stadtteil Niederrad. „Zickzackhausen“ nennt man die heute gesperrte (KM 18 Bruchfeldstraße) sonst vielbefahrene Hauptstraße. Mit einem 1930er Jahre wie im Zickzack gebauten Siedlungen. Hier entstanden, dank Margarete Schütte-Lihotzky, das erste „Labor für die Hausfrau“: Die weltweit erste Einbauküche, bekannt geworden als „Frankfurter Küche“. Wir laufen an der städtischen Abwasseranlage vorbei (KM 19 Goldsteinstraße). Die historische Anlage klärt und säubert bereits seit 1887. Heute steht hier eine der größten und modernsten Anlagen Deutschlands.

Die Musik kommt aus den Radios der Anwohner und die Kleingärtner von Goldstein müssen heute ganz sicher nicht mehr gießen. Von Goldstein geht’s nach Schwanheim. Das Naturschutzgebiet „Schwanheimer Düne“ gilt Kay und mir manchmal als Trainingsterrain für „lange Läufe“. Über die Schwanheimer Brücke laufen wir nach Höchst.

 

Wiege des Frankfurt Marathons


Die Profis und die Hahner-Twins sind bereits im Ziel, die HR-Livekameras werden abgeschaltet und ich bin  in der Wiege des Frankfurt Marathon angekommen: Im Stadtteil Höchst (KM 26 Mainzer Landstraße).

Mein Vater, ein Läufer der ersten Stunde in Frankfurts Marathon-Sporthistorie. Am 17.05.1981 wird erstmals in Deutschland ein Stadtmarathon ausgetragen, der Hoechst-Marathon, heute Frankfurt Marathon. Den Startschuss gab der damalige (vergangenen Monat verstorbene) Oberbürgermeister Dr. Walter Wallmann (CDU/1977 bis 1986). Mein Vater war unter den 2.588 Finishern, damals 41 Jahre alt. Das ist dokumentiert. Dass mein Vater nicht auf dem Siegertreppchen landete ist dokumentiert. Dass er nicht Letzter wurde, ist dokumentiert. Nicht dokumentiert ist seine Laufzeit. Erst 13 Jahre nach der Erstaustragung wurde der Champion-Chip eingeführt.

Man weiß, dass das Leistungsniveau in den frühen achtziger Jahren höher als heute war, nicht wenige Marathonveranstaltungen bauten nach vier Stunden das Ziel ab. In meiner Erinnerung hat mein Vater nie trainiert, nie davon gesprochen, er ist einfach gelaufen. Ich ging ins Fitnessstudio zum Aerobic, er in den Park? Ich erinnere mich an sein Hemd in Rippstrick-Optik und an seinen Turnschuh, der heute übrigens als trendiger Retro-Schuh verkauft wird.  Zurück auf die Strecke.

Und wer sich zwischen den vielen Kilometern mal wieder bewegen will, rockt ausgelassen bei schmissigen Rhythmen des Blasorchesters bis die Knochen wieder wollen. Dennoch kann ich bald die Füße (KM 28 Ludwig-Scriba-Straße) nicht mehr richtig heben, die Schultern hängen und von Körperspannung ist nichts zu bemerken. Der Streckenchef des Frankfurt Marathon, Dieter Bremer, wäre entsetzt, er steht am Rand - erkennt mich zum Glück nicht. Vor einigen Jahren zeigte er mir beim Lauf-ABC, dass man genau so, wie ich jetzt laufe, nicht ans Ziel kommt. Also nehme ich mich zusammen und erhöhe, wenigstens für kurze Zeit, die Schrittfrequenz (KM 29 Oeserstraße).

 Jetzt auch noch das: DIE Mainzer Landstraße bei Kilometer 30. Lisa und Anna hatten hier eine Durchgangszeit von 1:42 Minuten(!). Jetzt geht es um die Wurst, vier unendlich lang(weilige)e Mainzer Landstraßen Kilometer am Stück gilt es zu laufen. Dafür hasse ich den Frankfurt Marathon. Ich lenk mich ab und denk an des Kaisers Würste. Wenn ein Kaiser in Frankfurt seine Krönung feierte, lagen Frankfurter Würstchen auf der Tafel. Berühmt ist auch der Rechtsstreit, den im vergangenen Jahrhundert die Frankfurter Metzger um ihren Bestseller führten. Seit 1929 dürfen sich nur solche Würstchen „Frankfurter“ nennen, die tatsächlich auch im Frankfurter Raum produziert wurden. Dieses Urteil ist noch heute gültig. 
Aber was ist das? Auf der Mainzer „steppt der Bär“.


Multikulturelles Happening


Frankfurter-Marathon-Charts dröhnen durch die Straße, rasch wechselt die musikalische Unterhaltung vom Groove zur Blasmusik, ich wechsle ebenso schnell den Rhythmus vom Grooven ins Marschieren. Wie ein Laubbläser bläst der Wind die Pappbecher über die Mainzer. Am Horizont sehe ich erst das „Gerippte“, kurz darauf die Spitze des Messeturms. Es kann also nicht mehr weit sein. Die tausende, kunterbunte Spielfiguren verteilen sich mittlerweile in verschiedenen Stadtteilen. Ich bin im Gallus; auch Kamerun genannt. Genannt wegen der Druckerschwärze der damaligen Adlerwerke, nicht wegen des multikulturellen Happenings (KM 34 Kriegkstraße)!

Auf einem künstlichen Erdhügel errichtet, sah man schon von weitem die halbverwesten Kadaver am Galgen baumeln. 500 Jahre war die bekannteste Hinrichtungsstätte des alten Frankfurts das „Hochgericht“. Es trug den Namen Galgenfeld und Galgenwarte. Der Name wurde später durch Gallus ersetzt (Gallusanlage, Galluswarte). Mitunter hingen vier Bestrafte gleichzeitig am Galgen und zwar so lange, bis sie verfault waren. Kein Anblick für den Kaiser, denn wenn er Frankfurt besuchte, dann wurde aufgeräumt beziehungsweise abgehängt. Erst 1806, Frankfurt war von den Franzosen besetzt, wurde anlässlich des Geburtstages Kaiser Napoleons endgültig aufgeräumt, aber auch nur, weil man einen Festplatz brauchte. Heute findet hier auf der Frankenallee der Wochenmarkt statt.

Unter Denkmalschutz stehen die Anfang der 1930er Jahre entstandenen Backsteinbauten der „Hellerhofsiedlung“.  Auch hier wurde die „Frankfurter Küche“ schon eingebaut. Die Alleestraße verläuft parallel zur Mainzer Landstraße. Sitz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Neuen Presse. Plötzlich eine Stimme hinter mir: „Entschuldigung, darf ich mal vorbei?“ Ja, habe ich tatsächlich erlebt! Ich habe Glück und kann ein typisches Frankfurter Wasserhäuschen fotografieren. Für die einen ist es ein Kiosk, für die anderen eine Trinkhalle und geselliger Treff. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es das Bizzelwasser noch nicht in Flaschen, man holte es sich abgekocht und mit Gasdruck abgefüllt am Wasserhäuschen. Heute ist es eher unwahrscheinlich, dass man dort hingeht, um nur ein „Wässerchen“ zu trinken.

 
 

Informationen: Mainova Frankfurt Marathon
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