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Laufberichte

Langsam chribelets bi mir

09.09.12

Spürbar leicht ansteigen wird es nach Gsteigwiler. Nach zwei wunderschönen alten Holzbrücken verlassen wir auch die geteerten Straßen und wechseln auf schmale Kieswege und Pfade über. Bis Lauterbrunnen kommen so fast 350 Höhenmeter zusammen. Mal rechts, mal links von uns werden wir begleitet von der Lütschine. In Zweilütschinen (km 15) ist der Zusammenfluß der Schwarzen Lütschine vom Grindelwaldgletscher und der Weissen Lütschine aus dem Lauterbrunnental kommend. In vergangenen Jahrhunderten sorgten die Flüsse immer wieder für große Überschwemmungen unten im Bödeli.

Die steigende Strecke und die Naturwege sorgen dafür, dass sich mein Tempo automatisch etwas verringert. In Lauterbrunnen (km 20) habe ich noch 4 Minuten plus auf meine Sollzeit. Na also, so langsam passt mein Tempo. Beim Ortsdurchlauf durch Lauterbrunnen steppt wie immer der Bär, viele Begleiter nehmen hier die Gelegenheit war, beim Zugwechsel in die Jungfraubahn einen Abstecher vom Bahnhof an die Laufstrecke zu machen und noch zusätzlich für Stimmung zu sorgen.

Nicht nur der Jungfrau Marathon hat Grund zu feiern, auch die Jungfraubahn, sie feiert heuer ihr 100-Jahr Jubiläum. Im Februar 1912 hatten italienische Minenarbeiter mit einer gewaltigen Ladung Dynamit nach fast 16 Jahren Bauzeit den Durchschlag auf dem Jungfraujoch geschafft. Sie vollendeten den Bau des Eisenbahntunnels, der durch Eiger und Mönch zur höchsten Bahnstation Europas führt. Begonnen hat man mit den Feierlichkeiten bereits im Januar. Der Lichtkünstler Gerry Hofstetter projizierte an mehreren Tagen im Januar und Februar die Schweizer Nationalflagge auf die vereiste Nordflanke unterhalb des Jungfraugipfels. Teilweise bis in den Schwarzwald konnte das Schweizer Kreuz gesehen werden. Wer sich die spektakulären Bilder ansehen will, dem kann ich den nachfolgenden Link wärmstens empfehlen.

www.jungfrau.ch/tourismus/news-events/100-jahre-jungfraubahn/lichtkunst-an-der-jungfrau/

2003 – Mit 2:49:02 pulverisierte Jonathon Wyatt den Streckenrekord, der bis heute noch seine Gültigkeit hat. Erstmals ließ man 4000 Starter zu, auch diese Marke gilt bis heute. Mehr können nicht mehr vom Berg transportiert werden. Ein paar Monate vorher war es auch für mich so weit, ich feierte mein Debüt auf der Marathonstrecke. Aber muss man denn einen Marathon unbedingt auch auf die Berge laufen, fragte ich mich damals.

Etwas außerhalb von Lauterbrunnen ist die Halbmarathon-Matte erreicht. Eine kleine Schleife führt uns noch tiefer ins Tal der Wasserfälle. 72 stiebende Wasserfälle gibt es im Lauterbrunnental. Die bekanntesten sind der Staubbachfall mit 300 m Falltiefe und die Trümmelbachfälle. Eine unterirdische Standseilbahn, etliche Tunnels und Brücken erschließen die 10 Gletscherwasserfälle im Berginnern. Wer knapp in der Zeit liegt, für den bietet sich das fast 2 km lange Gefälle des Rückwegs aus dem Tal zum Tempo machen an.

Zurück in Lauterbrunnen ist Schluss mit gepflegtem Laufen. Ab km 26 geht’s rein in die 3 km lange Wand, die uns in 26 Serpentinen nach Wengen führt und mich meist in den Gehschritt zwingt. Nicht umsonst werden ab hier bis zur Moräne die Kilometerschilder in 250-Meter-Schritten angezeigt. Gespannt bin ich, wie meine Marschtabelle die steilen Berganstiege einrechnet und ob dieses Tempo auch umsetzbar ist. Passenderweise läuft an einer Alm „Another Brick In The Wall“ von Pink Floyd in Dauerschleife. Vor drei Jahren kam mir der Abschnitt aber deutlich steiler und länger vor.

2009 – Zum dritten Mal ging Jonathon Wyatt an den Start und war wieder nicht zu schlagen. Das Kontingent von 4.000 Startplätzen war wie immer frühzeitig ausgebucht. Endlich bin auch ich bereit, die Jungfrau zu bezwingen. Mit wenig Bergerfahrung muss ich nach hohem Anfangstempo beim Anstieg noch Tribut zollen.

Der Durchlauf durch das mit Fahnen und Wimpeln geschmückt Wengen gleicht einem Triumphzug von Gladiatoren. Hunderte, was sag ich, tausende von Menschen stehen an der Seite und jubeln uns zu und dazu spielt die Musi. Man muss es einfach erlebt haben. Überrascht bin ich, dass ich an der 30km-Marke immer noch optimal in der Zeit liege. Meine Plusminuten vom Tal herauf konnte ich noch behalten. Wer auch immer diese Zeitentabellen programmiert, hat bisher gute Arbeit geleistet und das Steilstück optimal berücksichtigt.

830 Höhenmeter sind bereits erklettert, aber noch liegen 1000 vor uns, die werden uns aber versüßt. Am Hanneggschuss überqueren wir die Lauberhornabfahrt von Wengen und langsam öffnet sich vor uns der Blick auf die gewaltige Spitze der Jungfrau.

Über die Wengeralp geht es zur berüchtigten Cut-Off-Stelle an der Ski-Station Wixi. Wer um 14.25 Uhr nicht durch ist, wird gnadenlos aus dem Rennen genommen und verpasst damit den schönsten Abschnitt des gesamten Kurses. Die Stimmung an der Strecke kann noch so großartig sein, sie ist nichts gegen das Panorama des mächtigen Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau mit seinen schroffen Felsen und Eiswänden. Über der Baumgrenze herrscht hier eine fast andächtige Stille. Plötzlich habe ich keine Lust mehr, mich meinem Zeitdiktat am Handgelenk zu unterwerfen. Ich will diesen Abschnitt nur noch genießen und verzichte auf jegliche Tempoeinhaltung.

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Informationen: Jungfrau-Marathon
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