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Laufberichte

Von Emmelshausen nach Simmern

28.08.11
Autor: Klaus Duwe

Zuschauerlärm beendet meine Gedanken. In Leiningen, zwischen km 9 und km 10, tobt der Bär. Die Wechsel- und Verpflegungsstelle lockt viele Schaulustige. Gleich verschwinde ich  aber wieder in einem grünen Tunnel aus dichtem Blätterwerk, denke, genieße, träume und laufe.

Gleich kommt Pfalzfeld (km 14), zu  Zeiten des Bahnbaus der zweitgrößte Ort an der Strecke.  Deshalb ist wohl auch der Bahnhof etwas größer ausgefallen, als die übrigen. Er liegt außerhalb des Ortes auf dem höchsten Punkt der ganzen Bahnstrecke.  Bis 1961 tat hier noch ein Schrankenwärter seinen Dienst.  Seine zweite Aufgabe war der Fahrkartenverkauf.  Nach der Stilllegung wäre der Bahnhof fast verfallen. Heute steht er unter Denkmalschutz und beherbergt ein Bistro mit vielen Erinnerungsstücken. Eine seltene Attraktion sind die liebevoll umgebauten Schlaf- und Gesellschaftswagen auf den Gleisen vor dem Bahnhof, in denen 50 Schlafplätze eingerichtet sind. Bestimmt kann man komfortabler nächtigen, aber auch origineller? Wen’s interessiert: Übernachtungen inklusive Frühstück kosten ab 22,00 Euro.

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Wieder schweift unser Blick über die hügelige Hunsrücklandschaft, über abgeerntete Felder und den Windrädern am Horizont. Was auffällt:  Es ist kein Bach und kein Fluss zu sehen. „Solange man mit den Füßen nicht im Wasser steht, ist man auf dem Hunsrück.“ So erklärte einmal Boppard’s Bürgermeister Dr. Walter Bersch die Lage des Hunsrück, der tatsächlich rundum von Wasser begrenzt ist: Die Saar im Westen, die Mosel im Norden, der Rhein im Osten und die Nahe im Süden.

Schattige Abschnitte werden jetzt seltener. Rechts taucht Lingerhahn (km 17) auf, ein kleiner Ort mit noch nicht einmal 500 Einwohnern.  Etliche Leute sind an die Strecke gekommen, um die Marathonis anzufeuern.  Nach zwei weiteren abwechslungsreichen Kilometern werden wir bei Dudenroth wieder einmal bestens versorgt.  Sowieso ist die Verpflegung ganz hervorragend. Wasser und Iso, teilweise auch Cola, sind im Angebot, Bananen, Riegel und Gel gibt es an verschiedenen Stationen ebenfalls.  Meine mitgeführte eiserne Ration bleibt unangetastet.  Bei km 21 schaue ich zum ersten Mal auf die Uhr:  Hoppla, von wegen „schnelle Strecke.“

Trotzdem ist noch Zeit, euch jetzt einmal was vom Schinderhannes zu erzählen. Den Namen gab man Johannes Bückler wohl deshalb, weil er bei einem Abdecker arbeitete. Das waren Tierkadaver-Verwerter. Auch sein Vater war so einer. Abdecker hatten gar keinen guten Ruf, wohnten außerhalb der Orte und blieben meist unter sich. Man nannte sie auch „Schinder.“ Sein Vater soll auch Scharfrichter gewesen sein, was Abdecker sehr oft noch nebenbei waren.

Auf die schiefe Bahn geriet er mit Kleinigkeiten. Als Lehrling wurde er einmal öffentlich geschlagen, weil der seinem Meister Kalbfelle gestohlen haben sollte. Er war aber der Meinung, dass ihm diese zustanden. Er nahm sich danach immer häufiger, was er glaubte, es stünde ihm zu. Es blieb nicht bei Vieh- und Pferdediebstahl, bald bracht man ihn in Verbindung mit Mord und Totschlag. Ob er wirklich so was wie ein Hunsrück-Robin-Hood war? Man erzählt sich noch heute folgende Geschichte:

Auf einem Jahrmarkt begegnet dem Schinderhannes eine alte Bauersfrau. Weinend erzählte sie, dass ihre einzige Kuh verreckt sei und sie nun eine neue kaufen müsste. Aber sie hatte nur 10 Kronentaler und die billigste Kuh auf dem Markt kostete 20. Der Schinderhannes gab ihr das fehlenden Geld, sagte der Frau aber, sie solle sich unbedingt eine Quittung geben lassen und ihm diese bringen. Gesagt, getan. Mit dem Beleg ging der Schindeshannes zu dem Viehhändler und verlangte das Geld zurück. Der gab es ihm ohne zu zögern und war froh, dass die Sache damit erledigt war.

Im Bereich von Kastellaun kommen jetzt sogar in einen kleinen Hochwald, wie es ihn sonst auf der ganzen Strecke nicht gibt. Von der Stadt und der Burgruine aus dem 13. Jahrhundert sehen wir nichts, wir bleiben auf der ehemaligen Bahnstrecke und kommen zum Bahnhof (km 27), der außerhalb der Stadt liegt.  Die Halbmarathonläufer sind hier um 11.30 Uhr gestartet, sind eine Schleife von ungefähr 6 Kilometern gelaufen und kommen jetzt auf unsere Strecke. Sofort wird’s hektisch. Um den Übermotivierten jedes Überholmanöver zu ersparen, laufe ich fast auf der Grasnarbe und bin trotzdem noch im Weg. Es kostet mich schon etwas Überwindung, das nicht zu kommentieren.

Ich erzähl euch lieber noch eine Geschichte vom Schinderhannes. 

Vier durstige Gesellen saßen in einer Schänke und feierten. Plötzlich hörte man von draußen Pferdegetrappel. Zwei berittene Gendarmen hielten auf den Hof zu. „Der Schinderhannes soll sich hier herumtreiben. Wir suchen ihn,“ sagte der eine. Da lud einer der Zecher die Gesetzeshüter ein: „Da habt ihr aber eine schwere Aufgabe. Kommt, trinkt mit uns und stärkt euch.“ Gendarmen waren wohl schon damals schlecht bezahlt. Jedenfalls ließen unsere zwei sich das nicht zweimal sagen und schon saßen sie mit am Tisch und tranken Wein. Als die Stimmung ihren Höhepunkt erreichte, stand einer der Gesellen auf und verließ den Raum. Von draußen klopfte er ans Fenster und rief: „Ihr wollt Gendarmen sein und sauft mit dem Schinderhannes? Fangt mich, wenn ihr Schneid habt!“ Die Gendarmen rannten zum Stall, schwangen sich auf die Pferde, um dem Räuber zu folgen.  Der aber hatte zuvor die Sattelgurte durchschnitten und so fielen die Verfolger unsanft in den Dreck.

Vielleicht hat solcher Übermut dem Schinderhannes schließlich doch den Kragen gekostet. Den Behörden wurde sein Treiben und seine Überheblichkeit letztendlich nämlich  zu bunt und sie verstärkten ihre Anstrengungen, ihn endlich zu fassen, was am 31. Mai 1802, wenn auch mehr zufällig, gelang. Diesmal sperrte man ihn in den Holzturm in Mainz und am 24. Oktober 1803 begann der Prozess. Es war von vornherein klar, dass man den Schinderhannes köpfen wollte. Die Gerichtbediensteten haben Freunde und Bekannte schon vor der Verhandlung zur Hinrichtung des Schindeshannes und 19 seiner Gefolgsleute am 21. November 1803 eingeladen.

Übrigens, schon vor dem Prozess gebar Juliana Bläsius dem Schinderhannes einen Sohn. Dessen Nachfahren leben noch heute im Taunus.

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Informationen: Hunsrück Marathon
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