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Laufberichte

Nur Fels und Tannenzapfen

22.07.07
Autor: Klaus Duwe

"Nicht sonderlich schwer, aber außergewöhnlich schön.“

 

Wenn man, wie die Veranstalter des Hornisgrinde Marathon es tun, mit 100 % Wald wirbt, kann der Startplatz unmöglich in einer Ortschaft liegen. Tut er auch nicht, denn Hundseck liegt direkt an der Schwarzwaldhochstraße auf  886 m Höhe am Fuße des Mehliskopf  (1007 m), wo es außer dem alten, fast verfallenen Kurhaus und ein paar versteckten Häusern nur noch ein Gasthaus und einen großen Parkplatz gibt. Vom Mehliskopf hat man auch einen schönen Blick auf die Hornisgrinde, mit 1164 m der höchste Berg des Nordschwarzwalds und Namensgeber der Traditionsveranstaltung des TV Bühlertal.

 

 

Am besten erreicht man Hundseck über die A 5, Abfahrt Baden-Baden. Von dort folgt man der Beschilderung B 500 (Schwarzwaldhochstraße). Von Süden kommend fährt man in Bühl ab, fährt nach Bühlertal und Obertal und erreicht dann die Schwarzwaldhochstraße genau bei Hundseck. Von der Autobahn sind es ungefähr 24 km (Bühl) bzw. 30 km. 

 

Ich beschreibe das so ausführlich, weil ich euch eine Teilnahme am Hornisgrinde Marathon wirklich empfehlen kann. Die Landschaft unweit der weltbekannten Bäderstadt Baden-Baden ist über jeden Zweifel erhaben. Im 17. Jahrhundert, so wird berichtet, war zwischen Hornisgrinde und Murg noch Urwald, in dem Wölfe, Luchse und Bären lebten. Grimmelshausen (Simplicius Simplicicimus) fand hier „nichts als Fels und Tannenzapfen“. Um den Waldreichtum wirtschaftlich zu nutzen, wurde die Gegend im 18. Jahrhundert mehr und mehr erschlossen, Wege gebaut und Bäche und Flüsse, vor allem die Murg, für die Flößerei nutzbar gemacht.

 

 Im Zuge der beginnenden Industrialisierung entwickelte sich die Region zu einem Zentrum der Papierherstellung, was das Murgtal bis heute geblieben ist. 1930 wurde dann mit dem Bau der ersten deutschen Ferienstraße begonnen. In diesem Jahr feiert die von Baden-Baden nach Freudenstadt führende Schwarzwaldhochstraße 75jähriges Jubiläum. Auf der 60 Kilometer langen Strecke gibt es herrliche Ausblicke in die Schwarzwaldtäler, das Rheintal, ins Elsaß und auf die Vogesen - bei klarer Sicht kann man bis in die Alpen sehen. Eine besondere Attraktion ist der Mummelsee, ein Überbleibsel aus der Eiszeit, um den sich viele Sagen mit Nixen und einem Unterwasserkönig ranken. Er liegt übrigens nur ein paar Kilometer von Hundseck entfernt am Fuße der Hornisgrinde.

 

 

Beim Hornisgrinde Marathon ist alles noch wie früher, Werner Sonntag hätte seine Freude (außer am Zeitlimit von 5 ¾ Stunden). Die Mitglieder des TV Bühlertal mobilisieren am Veranstaltungswochenende Familie, Freunde und Verwandte, um mit ehrenamtlichem Engagement und viel Herzblut den Läuferinnen und Läufer einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

 

Normalerweise haben Frühaufsteher einen Parkplatz direkt am Festzelt. Heute geht das nicht, die große Aktionsbühne vom Deutschlandfunk belegt den Platz. Nicht dass jetzt jemand auf Idee käme, die Medien hätten den Landschaftslauf für sich entdeckt. Der ganze Rummel ist wegen des Naturathlons, der heute hier gestartet wird.

 

Auch die 18 Euro Startgeld scheinen aus längst vergangener Zeit zu stammen. Die Gegenleistung kann sich sehen lassen: gute Verpflegung unterwegs, T-Shirt oder Handtuch und eine Urkunde. Kaffee und Selbstgebackenes, Maultaschen („Badische Riesen-Tortellinis“) und Gegrilltes und gutes einheimisches Bier sind zu zivilen Preise zu haben.

 

 Samstags findet bereits der Halbmarathon (316 Finisher) und ein Nordic Walking (34 Finisher) statt, am Sonntag zusätzlich ein 10 km-Lauf (187 Finisher). Beinahe hätte es der Marathon geschafft, teilnehmerstärkste Disziplin zu werden, aber 253 Finisher reichen nicht ganz. Man ist zufrieden beim Veranstalter, weil der Abwärtstrend gebremst scheint. Jetzt soll es weiter aufwärts gehen.

 

Es hat etwas geregnet, die Temperaturen sind beinahe herbstlich. Kaum einer der vielen Stammläufer kann sich an schlechtes Wetter erinnern, wohl aber an strapaziöse Hitzeläufe. Ohne laute Diskomusik absolviert jeder sein Vorbereitungsprogramm. Die Einen hängen an der Flasche, Anderen drehen eine Aufwärmrunde oder suchen noch ein blickfestes Gebüsch. Jedenfalls ist 5 Minuten vor dem Start kaum jemand dort, wo er sein sollte. Erst ein entsprechender Mahnruf des Sprechers hat Erfolg und der 35. Hornisgrinde Marathon kann gestartet werden.

 

 

Wer auf Sieg oder gute Zeiten aus ist, sollte sich weit vorne einreihen. Es wird nämlich gleich etwas eng und der Vordermann nimmt maßgeblich Einfluss auf das Tempo. Freien Lauf hat man dann erst wieder beim Kurhaus Sand auf der Schwarzwaldhochstraße, auf der kurzzeitig der Verkehr angehalten wird.

 

Nach einem kurzen Stück geht es rechts auf einen leicht abschüssigen Waldweg zum Plättig Hotel, wo dann die erste Steigung wartet. Bevor es Richtung Badner Höhe noch steiler wird, laufen wir links weg und bleiben auf einem bequemen Höhenweg, an dem bei km 6 die erste Verpflegungsstelle liegt. Es gibt Tee, Iso, Wasser, Bananen, Äpfel, Brot und Hefezopf.

 

 

Vorbei an der Bernsteinhütte (738 m – 8 km) geht es meist mit leichtem Gefälle weiter zum Scherrhof (676 m – 11,5 km), einem sehr beliebten Ausflugslokal. Nicht weit von hier hat die Oos, das Flüsschen, das durch Baden-Baden fließt, ihren Ursprung. Parallel zur Teerstraße folgen wir einem schmalen Pfad, den ich einmal wegen der hohen Hecken und Farnkräuter rechts und links „Badischer Ho Tschi-Minh-Pfad“ getauft habe. Kürzlich müssen hier die städtischen Waldarbeiter mit ihren Kultivierungsmaschinen durchgefahren sein. Jedenfalls ist von dem Urwald mäßigen Bewuchs nichts mehr zu sehen. Schade.

 

Das Wetter entwickelt sich prächtig, durch immer größer werdende Wolkenlücken scheint die Sonne, ohne dass es den Marathonis zu heiß wird. Wir laufen über die Teerstraße und folgen wenig später einem weiteren Pfad, der uns zur Roten Lache (690 m, km 15), der Passehöhe zwischen Baden-Baden und dem Murgtal bringt. Der gleichnamige Gasthof ist seit fast 100 Jahren ein beliebtes Ausflugsziel und bekannt für seine Torten (Schwarzwälder Kirschtorte) und Forellen.

 

Auf dem sogenannten Harzweg laufen wir meist flach oder leicht aufwärts weiter. Überall sind die Schäden des Orkans „Lothar“ sichtbar, der hier am 2. Weihnachtstag 1999 binnen weniger Stunden ganze Berghänge kahl geschlagen hat. Beim Schliffkopf gibt es den Lotharpfad, einen Erlebnispfad mitten durch eine umgeworfene Waldfläche.

 

 

Links fällt der Wald steil zum Murgtal hin ab. Manche Wiesenflächen reichen bis hier herauf. Dann sieht man noch alte, auf Steinsockeln errichtete Heuhäuschen, die ganz typisch für diese Gegend sind. Bald hat man auch einen ersten Blick auf die Schwarzenbachtalsperre. Mit 2 Kilometer Länge ist der Stausee der größte See im Nord- und Mittelschwarzwald. Erbaut wurde die Talsperre 1922 bis 1926 und gilt noch heute als Pionierleistung.

 

Wir laufen noch in entgegen gesetzter Richtung leicht ansteigend, dann aber abwärts und plötzlich scharf links ab in Richtung des Stausees (668 m, km 24). Bei schönem Wetter ist er ein viel besuchtes Ausflugsziel für Einheimische und Urlauber. Das Ufer wird dann von Campern und Badegästen bevölkert. Ungefähr einen Kilometer folgen wir einer Pendelstrecke entlang dem See, dann geht es auf 2 Kilometern leicht aufwärts, bis wir bei km 28 die Verbindungsstraße zwischen der Schwarzwald-Tälerstraße (B 462 durch das Murgtal) und der Schwarzwaldhochstraße unter Polizeischutz überqueren.

 

Jetzt geht etwas steil auf der Birkenaustraße weiter. Wo sind Alfred und Eva-Maria Maß? Normalerweise hat der Ex-Marathoni mit seiner Frau gleich nach der Steigung  eine private Verpflegungsstation eingerichtet. Ob er krank ist? Nein, er ist gesund und seine Frau ist es auch. Sie haben nur ihren Standort etwas weiter in den Wald verlegt. Heute schenken sie Cola aus und Sekt: „Beides ist gut für Läufer, lasst euch das von mir sagen“. Rege Nachfrage bestätigt seine Überzeugungskraft. Tschüss, bis zum nächsten Jahr.

 

 

Es geht jetzt weiter aufwärts, nicht steil, dafür permanent. Zwischendurch lassen ein paar flache Passagen den Puls etwas absinken. Der Himmel hat sich mit dunklen Wolken zu gezogen, die das Wasser jetzt nicht mehr halten können. Leichter Regen setzt ein und macht die Wasserwannen, die am Weg postiert sind und bei den Hitzeläufen in den letzten Jahren manchen Marathoni „gerettet“ haben, überflüssig.

 

Noch 8 Kilometer, auf den Hinweisschildern wird jetzt rückwärts gezählt. Wer seine Kräfte eingeteilt hat, kann auf diesem Streckenabschnitt viele Plätze gut machen, denn nicht jeder kann sein Tempo durchziehen, viele werden zu Marschierern. Bei km 40 kommt die letzte Verpflegungsstelle. Gleicher Ort und (fast) gleiche Besetzung wie letztes Jahr, eine ganze Familie ist im Einsatz - typisch für den Hornisgrinde Marathon, und liebenswert. Als ich die Kamera zücke, wollen alle auf’s Bild. Alla, guud.

 

Dann kommt der letzte Kilometer, steil die Verkehrsstraße hinauf nach Hundseck. Rechts ist für Läufer reserviert, aber heute ist sowieso kaum Verkehr. Noch einmal kann ich  zwei Kollegen  überholen, dann bin ich beim alten Kurhaus, dort geht es rechts einen Strampelpfad hinauf zum Parkplatz und über eine Wiese zum Ziel. Wegen des großen Unterhaltungsprogramms sind heute besonders viele Leute hier, entsprechend lautstark ist der Empfang.

 

Jeder Finisher kann wählen: Shirt oder Handtuch, beides bedruckt mit dem Logo und dem Streckenverlauf des Hornisgrinde Marathon.

 

Marathonsieger

Männer

1. Tobias Sauter - Team Leosport - 2:44:25
2. Thomas Braukmann - LG Kindelsberg-Kreuztal - 2:46:45
3. Mark Werner - 2:48:06

 

Frauen

1. Doro Grupp - Team Leosport - 3:08:58
2. Valerie Knopf - LSG Karlsruhe - 3:34:17
3. Agnes Mussler - LSG Karlsruhe - 3:24:21


Streckenbeschreibung:

Rundkurs auf meist breiten Waldwegen, aber teilweise auch auf schmalen Pfaden. Jeweils ca 1/3 der Strecke geht’s abwärts, abwechselnd auf und ab und dann nur aufwärts, der letzte Kilometer ziemlich beschwerlich. Alles im Wald.

 

Insgesamt ist die Strecke zwar anspruchsvoll, aber nicht schwer. Wie sagte doch Doro, die Siegerin? „Ich kannte die Strecke nicht und war aufgrund von Erzählungen am Anfang zu vorsichtig, das hat mich Zeit gekostet. Die Strecke ist nicht sonderlich schwer, aber außergewöhnlich schön.“

 

Zeitnahme:

Manuell

 

Weitere Veranstaltungen:

Halbmarathon am Samstag
10 km am Sonntag
 

Auszeichnung:

T-Shirt oder Handtuch, Urkunde

 

Logistik:

Kein Problem, alles ist im Auto. Parkplatz in unmittelbarer Nähe zu Start und Ziel. Umkleide- und Duschmöglichkeit im Haus des Skiclubs etwas abseits.

 

Verpflegung:

Ich konnte sie nicht mehr zählen, die Verpflegungs- und Getränkestände waren überall, im Wald, an Unterständen und Hütten. Es gab Wasser, Iso, Tee, Brot, Bananen und Äpfel.

 

Zuschauer:

Zuschauer sind bei Landschaftsläufen eher rar. Aber beim Hornisgrinde-Marathon sind sie praktisch nicht vorhanden. Nur die Angehörigen der Marathonis stehen an der Strecke, ab und zu begegnet man Wanderern mit Rucksack oder Bikern. Sie alle nehmen vorbildlich Rücksicht und klatschen anerkennend. Das war’s dann auch.

 

Informationen: Hornisgrinde Marathon
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