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Laufberichte

Alte Liebe rostet nicht

 
 

Landungsbrücken und Speicherstadt


Es sind manchmal nur Momente, die prägen die Erinnerung an einen ganzen Lauf. 2005 war das für mich die Stelle, wo wir bei km 11 aus der Beschaulichkeit des Elbhochufers kommend in einer steil abfallenden Kurve zum Fischmarkt am Elbufer hinab liefen. Damals erwartete mich hier, für mich völlig unerwartet, ein von emotionalisierten Menschenmassen veranstalteter Hexenkessel, wie ich ihn noch nie erlebt hatte, eine Stimmung, die mir wie eine Keule entgegen schlug. Einfach irre. Das habe ich nie vergessen.  Ja, wunderbar ist auch heute der weite Blick auf die Kräne und Werften am anderen Elbufer und hinüber zum prächtigen Backsteinbau der Fischauktionshalle. Fast so, wie in der Erinnerung ...

 



Je weiter wir der Elbpromende folgen, desto dichter werden die Zuschauerreihen, ausgelassener wird die Stimmung. Vorbei an den bunten Häusern der einst berüchtigten Hafenstraße erreicht sie ihren Höhepunkt im Angesicht der St. Pauli Landungsbrücken, dem Herzstück des alten Hamburger Hafens und heute ein Touristenmagnet ersten Ranges. Und hier bekomme ich wieder eine Ahnung von dem, was damals ablief, von jenem sich interaktiv zwischen Läufern und Zuschauern aufbauenden Stimmungshype, der einen als Läufer scheinbar schwerelos über den Asphalt fliegen lässt. Gerne lasse ich mich von den Anfeuerungsrufen und dem Geklatsche, dem Getöse und Geschreie tragen. Ja, das ist Hamburg, damals wie heute!

So ganz nebenbei gibt es aber auch allerhand Interessantes zu sehen. Am Horizont rücken die chicen gläsernen Quartiere der neuen Hafencity ins Blickfeld. „Der“ Eyecatcher ist jedoch ein einziges Werk. Noch immer nicht fertig und nicht genutzt, und doch schon legendär wie spektakulär, Hamburgs berühmteste Baustelle und größtes Skandalprojekt: Die Elbphilharmonie. Seit 2007 im Bau sollte das Konzerthaus schon längst fertig gestellt sein, doch Bauzeit und Kosten schossen exorbitant in die Höhe. Wie sagte der Barkassenführer auf der Elbtour süffisant? Was den Berlinern der Flughafen, den Stuttgartern der Hauptbahnhof, das sei den Hamburgern eben die Elbphilharmonie. 2017 soll sie nun eröffnet werden und man darf gespannt sein, ob die Kosten noch die 1 Mrd. €-Grenze knacken. Zumindest die Optik des gigantischen, 110 m hohen, auf alten Gemäuern des Kaispeichers aufgesetzten Glaspalastes mit seinem Wellendach ist überwältigend.



Während die Elbphilharmonie ein fernes Traumschloss bleibt, zieht ein anderes Monument der Moderne ganz nah an uns vorbei. Wie eine Flotte gläserner Ozeandampfer auf Stelzen sind die Trakte des futuristische Verlagshaus von Gruner + Jahr in das Häusermeer eingebettet. Wassertaugliche Schiffsmonumente erheblich älteren Datums dümpeln ganz in der Nähe in der Elbe. Vor allem die Takelage der ganz in der Nähe dauerankernden, kitschig schönen Dreimastbark Rickmer Rickmers zieht die Blicke auf sich.  

Jenseits des Baumwalls ziehen wir parallel zu den endlos langen, kolossalen Backsteinfassaden der Speicherstadt weiter. Ende des 19. Jahrhunderts ist dieser weltgrößte, von Fleeten durchzogene Lagerhauskomplex entstanden: 330.000 qm Lagerfläche bieten die 17 bis zu achtstöckigen Lagerhäuser für die Güter aus aller Welt. Die romantisierende Backsteingotik mit ihren Erkern, Giebeln und Zinnen schafft eine einzigartige Optik. Eine Bootsrundfahrt durch die Kanäle der Speicherstadt ist geradezu touristische Pflicht.  

Weitere architektonische Symbole für den Aufstieg und Reichtum Hamburgs begegnen uns auf der anderen Straßenseite. In den Backsteintempeln des Kontorhausviertel residierte einst das Backoffice der Hamburger Kaufmannsgilde. Nur kurz ist das größte Schmuckstück zu sehen: das Chile-Haus, ein Stein gewordener Ozeanriese und Meisterwerk expressionistischer Baukunst aus 48.000 Backsteinen.

Nach diesen aufregenden Kilometern gehen wir kurz vor Erreichen des Hauptbahnhofs auf Tauchgang, hinab in die Dunkelheit des Wallringtunnels. Alles andere als auf Tauchgang geht die Stimmung im Läuferpulk. Kollektive Gesänge liefern den Beleg für die ausgezeichnete Akustik in der Röhre. Die gekachelten Wände des Tunnels werden von einigen Läufern spontan als „Pinkelrinne“ interpretiert. Zum Glück arbeiten die Ventilatoren im Tunnel mit voller Kraft.

Mitten im Tunnel ist die 15 km-Marke erreicht. Kurz darauf treten wir wieder hinaus ins Licht, und hinein mitten ins Herz der Stadt.

 

Alsterrundlauf


Am Wasser bleiben wir auch in der Folgezeit, nur eben nicht mehr an der Elbe sondern nun  an der Alster, die sich mitten im Stadtzentrum in Form der Binnen- und der Außenalster zu zwei Seen aufbläht und so den Eindruck verstärkt, dass in Hamburg eigentlich alles irgendwie am Wasser liegt. Fast 2.500 Brücken soll es in Hamburg geben, mehr als in London, Amsterdam und Venedig zusammen. Habe ich zumindest gelesen.

 



Die deutlich kleinere Binnenalster steht zunächst auf dem Streckenprogramm. Die vollständige Umrundung des Sees mit der markanten 60 m-Riesenfontäne in der Mitte ist gleich das nächste Highlight der Strecke. Über den Alsterfleet können wir einen kurzen Blick auf das schmucke Rathaus werfen, ehe es auf dem Jungfernstieg, dem wohl teuersten Pflaster der Stadt, vorbei an pompösen Luxushotels und Edelshops geht. Ein dichtgedrängtes Zuschauerspalier begleitet auch hier unser Treiben. Die Querung der Lombardsbrücke beschließt unseren Rundlauf. Die Brücke markiert gleichzeitig den Übergang zur nebenan gelegenen Außenalster. Noch einen letzten, besonders schönen Blick können wir von der Lombardsbrücke auf das edle Häuserkarree rund um die Binnenalster werfen.

Nur Momente später sind wir auf neuem und gänzlich anderem Terrain unterwegs. Es sind nicht nur die anderen Dimensionen, die Binnen- und Außenalster unterscheiden. Während um die Binnenalster geshoppt und ausgegangen wird, wird an der Außenalster gelebt, und zwar sehr idyllisch, sehr ruhig und sehr teuer inmitten von ganz viel Grün.  

Immer hart am Ostufer folgen wir der Außenalster gen Norden. Gleich zu Beginn strahlt uns der schneeweiße Palazzo des Kempinski Hotel Atlantic mit der markanten Weltkugel auf dem Dach entgegen, eine nicht nur als Dauerbleibe Udo Lindenbergs berühmt gewordene Hotelinstitution Hamburgs. „An der Alster“ und „Schöne Aussicht“ heißen bezeichnenderweise die Straßen, denen wir folgen. Dass wir uns zunächst in dem eher szenig-zwielichtigen Stadtteil St. Georg befinden, würde man in Ufernähe in keiner Weise vermuten.

Die nächsten fünf Kilometer durch Uhlenhorst und Barmbek Süd könnte man auch als Alleenlauf bezeichnen. Dass wir uns mitten in der Stadt befinden, merkt man kaum. Alte knorrige Bäume mit frühlingsfrischem Blätterkleid säumen fast durchgehend beidseits unsere Laufstrecke. Nur ab und zu öffnet sich über einen Seitenkanal ein Ausblick gen Außenalster. Mit Erreichen der Halbmarathonmarke verlassen wir den Dunstkreis der Außenalster endgültig.

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Informationen: Haspa Marathon Hamburg
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