Was immer ich vom Rennsteig hörte, waren nur Superlative. Klasse, toller Lauf, super Organisation, schöne Landschaft und Strecke, und erst die Verpflegung! Und immer gab es die Frage: Warum bist Du denn da noch nicht gelaufen?
Warum ich nun in diesem Jahr den weißen Flecken auf meiner Läuferkarte tilgen will, erzähle ich bei Km 54,7 am Grenzadler. Nur soviel vorweg: Alle Superlative stimmen!
Ich reise am Freitag an und nehme Quartier in der Jugendherberge in Eisenach. Das hat den Vorteil, dass ich am Lauftag direkt vor Ort bin und nicht noch zum Start anreisen muss. Die übrigen angebotenen Läufe 43,5 Km, Halbmarathon und Walkingwettbewerbe starten nicht in Eisenach sondern in Neuhaus, Oberhof oder Schnepfenthal.
Ich gehe zum Markt. Im Rautenkranz am Markt bekomme ich die Startunterlagen. Für die anderen Wettbewerbe sind diese an den jeweiligen Startorten abzuholen. Ich bin in richtiger Vorfreude auf den Lauf und werde von der Atmosphäre angesteckt. Ganz Eisenach steht im Zeichen des Supermarathons. Überall hängen Spruchbänder zur Begrüßung der Rennsteigläufer. Einen davon treffe ich bei der Ausgabe der Startunterlagen - M4Y-Autor Wolfgang Bernath. Die Welt ist halt klein.
Der Start für den langen Kanten ist schon um 6 Uhr. Für die 72,7 Km habe ich 12 Stunden Zeit. Um 18 Uhr ist Zielschluss. Das sollte machbar sein. Ich habe ordentlich Respekt vor dem Lauf. Immerhin sind 1450 Höhenmeter zu bewältigen.
In aller Frühe gehen wir zum Start am Markt und geben unsere Kleiderbeutel ab, die uns im Ziel in Schmiedefeld erwarten werden. Mit uns freuen sich über 2.000 Läufer auf den Start zum größten Landschaftslauf Mitteleuropas. Der große Zuspruch spricht für die Attraktivität und die Qualität des Laufes.
Ich kann es kaum erwarten. Das Rennsteiglied wird gespielt und endlich fällt der Startschuss. Es geht hinaus aus dem Zentrum von Eisenach. Das beeindruckende Läuferfeld füllt die Straßen. Durch ein Tor verlassen wir den inneren Bereich der Stadt und machen uns auf zum Rennsteig, dem legendären Höhenweg, der über den Kamm des Thüringer Waldes und des angrenzenden Thüringer Schiefergebirges bis in den nördlichen Frankenwald führt.
Die ersten Höhenmeter lassen nicht lange auf sich warten. Noch in Eisenach beginnt der Aufstieg in breiten Serpentinen. Ich denke an den soeben an einer Hauswand gelesen Spruch: "Keiner hat gesagt, es wird leicht. ... Aber Ihr schafft das!!" Erst mal hier rauf und in den Rhythmus kommen, denke ich mir.
Das Läuferfeld ist zwar schon weit auseinandergezogen, man läuft aber immer noch dicht beisammen. Im Wald angekommen, gibt es ob der Massen einen Ministau von einer Wegverengung. Aber rasch geht es weiter. Und einmal richtig Luft holen und durchatmen, kann ja auch nicht schaden.
Eine Wiese ist zu queren. Rechts liegt das gestern gesehene Burschenschaftsdenkmal und im Tal Eisenach, wo rechtschaffene Bürger sich zu der frühen Tageszeit noch im Schlaf befinden. Ich bin hellwach und habe Spaß.
Der Lauf ist hier schon nach meinen Geschmack. Allerdings gestehe ich, dass ich gerne etwas mehr Platz zum Laufen hätte. Es bleibt noch eine Weile eng im Feld.
Die ersten 10 Km sind einzeln ausgeschildert. Die Wege sind gut zu laufen. Pfützen hat es kaum und es geht schön voran, immer leicht ansteigend. Der Höhenmesser auf meiner Pulsuhr zeigt stetig steigende Werte.
Bei Km 6,9 ist der Waldsportplatz erreicht. Es gibt Getränke und Obst. Wenig später treffen wir an der Hohen Sonne bei Km 7,4 auf den Höhenweg der dem Lauf seinen Namen gab. Von hier an sind wir auf dem Rennsteig unterwegs.
Von den Höhen haben wir leider keinen Ausblick auf die Landschaft. Wir sind zumeist im Wald und es ist trüb. Gottlob ist es trocken. Regen wird uns heute erspart bleiben. Der Tageszeit entsprechend ist es noch frisch. Zum Laufen gerade richtig.
Immer wieder sehen wir links und rechts am Weg das charakteristische R für Rennsteig. Zudem bieten viele markante Wegweiser Hinweise. Die Dimension des heutigen Supermarathons von 72,7 Km wird mir durch einen solchen Wegweiser noch einmal deutlich vor Augen geführt. 17,6 Km bis zum Großen Inselsberg. Der ist im Lauf bei 25,5. Hier haben wir erst ein Drittel der Strecke absolviert!
Bange machen ist nicht. Km 10 wird passiert, von hier sind die Km-Schilder zweistellig sage ich mir. In Ascherbrück bei 12,6 Km kommt die nächste Getränkestelle. Mir fällt ein freundlicher Zuschauer mit einem Spruchband um den Körper auf. "Distanz ist, was Dein Kopf daraus macht". Recht hat er. Wie auch mit den weiteren Spruchbändern, mit denen ich ihn noch im Laufe des Rennens noch sehen werde.
Zuschauer hat der Lauf wenige. Von denen werden wir jedoch begeistert angefeuert. Bei einer Straßenquerung spenden sogar die absichernden Polizisten heftig Beifall. Das nenne ich Bürgerservice.