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Laufberichte

Herrliches Wadengondo

06.08.11
Autor: Joe Kelbel


Wunderbar diese alten Steinmauern, die die Alpweiden von den Privatgütern abgrenzen. Einem Bergbauern rufe ich zu, er solle mal das Dach von seiner Scheune reparieren. Es ist auffallend,  wie viele Häuser verfallen sind. Die Menschen ziehen weg von hier, die Natur ist oft zu grausam. Selbst die Kapelle im Undru Gstei ist nur noch eine Ruine. Steil geht es nach oben, aber ich bin fit, es macht unheimlichen Spass, hier zu laufen.

Simplon Dorf (km 8,5, 1460 ü.M) - inmitten grüner Almwiesen liegt das ehemalige Warenlager vom Stockalper. Ein prächtiger alter Gasthof mit Museum zur Geschichte des Weges. Erfrischung am Dorfbrunnen. Mann, geht das jetzt steil nach oben. Alte Originalsteine, ausgewaschen von mehr als 400 Regenjahren.
Der Weiler Egga wurde 1597 durch einen Gletschersturz (Hohmattugletscher) total begraben. 81 Menschen starben. Kaum wieder aufgebaut, plünderten und verwüsteten durchziehende Truppen mehrfach den Ort. Jetzt ziehen wir hier durch und werden freundlich bejubelt.

Hinter Egga  überqueren wir einen mächtigen, von Wald bedeckten Geröllkegel. Es sind die Spuren des Gletschersturzes von 1901 (Rossbodengletscher). 2 Tote, 50 Tiere und 27 Gebäude liegen unter unseren Laufschuhen.

Vor dem Weiler Niederalp liegt die alte Suste (Schutz- und Maultierwechselstation) und das Schutzhaus vom Napoleon. An der Chlusmatte (km 14, 1825 ü.M) die dritte Verpflegungsstation. So ganz frisch fühle ich mich nicht mehr. Noch drei Kilometer bis zur Verpflegungsstation vor dem Simplonpass (1990 ü.M) und die erste Cut-Off Zeit, die ich locker einhalte.

Der Stockalperturn, auch hier ein ehemaliges Warenlager und die große Kaserne werden sichtbar. Wir sind oberhalb der Baumgrenze, nur noch niedriger Bewuchs und nasse Moorwiesen.

Die Seen und Hochmoore des Simplonpasses (2006 üM) sind eiszeitliche Relikte. Archäologische Funde, wie Pfeilspitzen, die am Rande des Rotelsees gefunden wurden belegen, dass die Kameraden vom Özi hier durchzogen. Ich könnte wetten, die hatten damals einen ähnlichen Laufstil wie wir: schnell aber nicht am Rande der Kräfte.

Dann Blick auf das Hospiz (Übernachtungsstelle und Hilfsstation). Napoleon liess es errichten, als er die Strasse 1801 für seine Kanonen ausbauen liess. Im Süden das vergletscherte Fletschhorn. Im Norden das Rhonetal, aber alles im Nebel. Der gewalte Steinadler (1944) besteht aus dem Abbruchmaterial des Forts Gondo.

Keine Zeit zum Luftholen. Hoch geht es zum Bistinenpass (2417 üM). Nur ein schmaler Pfad führt dort hinauf: Oben in den Felsen dunkle Augenhöhlen von alten Bunkern und Geschützstellungen. Ich kann sie entdecken, sie liegen hinter Tarnmatten, aber ich habe keine Kraft mehr den Weg zu verlassen um ein Foto zu schiessen. Es ist saukalt, neblig, und die dünne Luft bremst jede Bewegung. Mir geht es nicht gut, zuwenig gegessen, zuwenig Kleidung, zuviel Nebel und die Höhe ist mir unheimlich. Der Weg ist ein Bach oder eine Wiese, auf der man sich von Fähnchen zu Fähnchen angelt.Spaziergänger sind so trophäengeil, dass sie die Fähnchen mitnahmen. Zur Strafe müssen sie ein Foto von Alex und mir machen. Aber es geht noch höher, ewig lang!

Endlich, Km 23 ist erreicht, Verpflegungspunkt Bistinenpass. 4 Stunden für einen Halbmarathon ist schon der Hammer. Einen Steinhaufen nutze ich, um ein Siegesfoto per Selbstauslöser zu schiessen, niemand sonst hier, nur der eiskalte Nebel und ich.

Aber von nun an geht es bergab, 20 Kilometer! Innerhalb von 5 Kilometern 600 Höhenmeter nach unten! Nach 10 Minuten wird es brütend warm. Föhn. Die kalte Luft stürzt auf die Nordseite und erwärmt sich durch den zunehmenden Druck. Augenblicklich haben alle Alpenblumen die Blüten geöffnet,  Gletscher leuchten und Kühe bimmeln Beifall.

Die erste Almhütte leuchtet. Hurra! Ich erkenne Holzfäller. Und wenn Holzfäller schon keine Finger oder Hände haben, so haben sie doch wenigstens Bier! Ein großartiges Gebrüll, als sei ich ein Außerirdischer, nur weil ich nach Bier frage. Und als ob er es gerochen hätte, kommt plötzlich Eric von oben angeschossen. „Ja, wir kommen aus Deutschland!“ Und so haben wir wieder mal ein Weltbild positiv geändert.

Nidristi Alp (km 28 1700 ü.M): Etwa um 585 n Chr. zogen 3000 Lombarden über den Simplonpass, um Karl den Kühnen von Burgund gegen die Eidgenossen zu unterstützen. Bei einer Schlacht gegen die Vispern liessen die meisten hier auf der Wiese ihr Leben. Eric und ich sind dank des Bieres wieder voll lebensfähig und laufen wie die Weltmeister. Doch die Schlucht wird steiler und ich vorsichtiger, ich muss ihn ziehen lassen. Der Zielort Brieg ist von oben sichtbar, es ist fast 30 Grad warm und das Freibad leuchtet verführerisch.

 
 

Informationen: Gondo Marathon
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