Baden, Karlsruhe – bisher weiße Flecken auf meiner Landkarte. Klar, beim Bund haben wir sie gerne gequält und die Kameraden aus Baden „Gelbfüßler“ genannt, was die dann mit der altbekannten Trennung zwischen Badischen und Unsym-Badischen konterten. Mein einziger aktueller Berührungspunkt zu Karlsruhe steht im Zusammenhang mit der US-amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. Wie das jetzt?
2006 hatte ich das Glück, dienstlich dort zu sein und aufgrund des selbstverständlich rein zufälligen zeitlichen Zusammentreffens den Marine Corps Marathon laufen zu können. Im Zuge meiner Recherchen zum damaligen Laufbericht stieß ich dann auf die Information, daß der spätere 3. Präsident, Thomas Jefferson, dem Stadtarchitekten Pierre Charles L’Enfant unter mehreren Stadtplänen als Inspiration für die Gestaltung von D.C. auch den von Karlsruhe vorlegte, das nämlich ebenfalls am Reißbrett entstanden war. Jefferson hatte diese Pläne 1788 von einer Europareise mitgebracht. Jetzt geht’s für mich also endlich zum Original.
Ein Insidertipp führt mich zu einem Parkplatz, von dem aus ich in wenigen Minuten zu Fuß die 9.000 Zuschauer fassende Europahalle, vor der der Start erfolgen wird, erreiche. In der Halle erhalte ich fix die Startunterlagen. Bald darauf bin ich lauffertig und beruhigt, im Gegensatz zu Norderney am vergangenen Sonntag, wieder mehr als 90 Sekunden Zeit zwischen Ankunft und Start zur Verfügung zu haben.
Karlsruhe, die ehemalige Haupt- und Residenzstadt des Landes Baden mit knapp 300.000 Einwohnern, ist fächerförmig um das Schloß angelegt und somit etwas Ungewöhnliches. Verwinkelte Altstadtgassen, wie wir sie aus gewachsenen Städten kennen, sucht man hier vergebens. Wir werden dies insbesondere auf den km 32 bis 38 sehen können, die uns um das Schloß führen werden.
Und auf noch etwas anderes Einzigartiges freue ich mich ganz besonders: Den 2. Karlsruher Tanzmarathon. Wie erstmals im Vorjahr werden erneut über 80 Tanzgruppen, Tanzvereine und Tanzschulen unterhalten, animieren und anfeuern. Heiße Rhythmen, Bollywood, Squaredance und vielerlei Folklore aus Nah und Fern sollen jedes Schwächeln schon im Ansatz verhindern und die Läufer quasi ins Ziel tragen. Für mich wird das eine echte Herausforderung werden. Also fotografisch, versteht sich. Ich habe schon mal den dicken Speicherchip und den Ersatzakku eingepackt, um möglichst viel Farbenprächtiges für Euch einzufangen. Wenn im Schnitt tatsächlich alle 500 m ein optisches Spektakel wartet, könnte das Erreichen des Ziels heute sehr lange dauern.
Am Start, der in zwei Wellen erfolgt (linke Straßenseite in drei Blöcken bis Zielzeit 4 Stunden und rechte Straßenseite über 4 Stunden und Ersttäter) treffe ich direkt den omnipräsenten blinden Didi, der heute von Joachim vom 100 MC geführt wird. Sie haben Daniel im Schlepptau, der heute seinen ersten Marathon laufen wird. Didi sucht noch für die Wochenenden 9./10. und 16./17. Oktober jeweils einen Führer, Zielzeit etwa 4:30 Std. Bezüglich der zu laufenden Marathons ist er flexibel. Kontaktaufnahme mit ihm über: ultrarunner[at]web.de.
Ich reihe mich in der ersten Welle ganz am Ende ein. Nach meinem zügigen Marathon vom letzten Wochenende wird der Genuß heute im Vordergrund stehen. Mal schauen, ab welchem km dieser Genuß wieder beendet sein wird... Nach etwa 10 Minuten überschreite ich die Startlinie, die ersten km führen über eine breite Ausfallstraße, wo sich die Läuferschar doch recht schnell auseinanderzieht. Bald sind wir in der „Kriegstraße“, ich sehe aber bis zum Ende keinen Grund, Stadt und Lauf denselbigen zu erklären. Darüber hinaus geht sie in die Kapellenstraße über und klingt schon wieder friedlicher.
Die ersten Glanzlichter – nein, das muß ja heute Highlights, besser noch „Äcktschen Poinz“ heißen – lassen nicht lange auf sich warten. Die ersten Mädels puscheln, hübsch anzusehen (also in Anbetracht meines hohen Alters sind selbstverständlich die Puscheln gemeint!). Zwei Unterführungen weisen jetzt schon darauf hin, daß Karlsruhe kein ganz ebenes Pflaster ist. Ohne Frage, der Kurs lässt bestimmt gute Zeiten zu, ist aber für Bestzeitenjäger nicht unbedingt optimal geeignet.
Chinesische Drachen (mit Menschen drin) sehen klasse aus wie übrigens auch die km-Markierungen. Die sind nämlich nicht nur nüchtern/sachlich dargestellt, sondern jeweils auch mit einem toll künstlerisch, Comic-ähnlich gestalteten Plakat. Scheinbar sind die, was ich verstehen kann, sehr beliebt, denn an mindestens drei Stationen fehlt es, vermutlich geklaut. Aber ich mache mir dann doch mehr Gedanken über meine linke Wade, die mich die ganze Woche über geärgert hat. Aber dank Kompressionsstrumpf ist nichts davon zu spüren, was doch sehr beruhigt.
Nach 5 km treffe ich auf den Pumuckl, Dietmar Mücke, der wie so häufig mit Unterstützung Anderer beim Spendensammeln erfolgreich ist. „Das ist der Veranstalter vom Staffelmarathon in Bräpisch!“, stellt er mich seinem Mitsammler vor und nimmt mich in die Arme. Da geht mir echt das Herz auf, solch ein netter Kerl ist das. „Und das ist Anita Kinle“. Zum Schießen: In dieser Woche hatte ich erstmals Mailkontakt mit der „Chefin“ der Down Syndrom-Staffeln, um diese für unserer 2011er Lauf zu gewinnen und treffe sie hier zufällig. Die Welt ist wirklich klein!