marathon4you.de

 

Laufberichte

Von fünf auf dreiundzwanzig

30.03.08
Autor: Klaus Duwe

„Auf, auf, wir wollen los“, mahnt  Sprecher Manfred Kraft. Er meint zwei Läufer, die gemütlich in Richtung Startbanner traben. 9.00 Uhr und die eigentliche Startzeit ist schon vorbei, aber von Hektik keine Spur -  weder bei den Beiden noch bei den Organisatoren. In aller Ruhe legen sie ihre Klamotten unter dem Tribünendach ab und gesellen sich zu den anderen ungefähr 80 Ultraläuferinnen und -läufern. Dann entdeckt das Sprecher-Unikum einen weiteren Nachzügler. „Auf den warten wir auch noch.“

Jetzt könnte es los gehen. Alles wartet auf den Startschuss. Statt „Peng“ macht es „Klick“. Ladehemmung. „Ok, ich mache es wie früher,“ weiß sich der Starter zu helfen. „Auf die Plätze ….. fertig …. los!“ Start im zweiten Anlauf geglückt. Der Letzte hat den Sportplatz noch nicht verlassen, da macht es doch noch „Peng“. Ich kriege fast einen Lachkrampf.

 


Eschollbrücken ist Schauplatz dieser Komödie. Escholl….  was? Eschollbrücken bei Pfungstadt - Pfungstadt bei Darmstadt. Alles klar? Zum 17. Mal wird der Ulramarathon über 50 Kilometer bereits ausgetragen. Mit im Programm ist ein 25 km-Lauf, ein Überbleibsel aus der Zeit, als der „Halbmarathon“ genannte 21,097km-Lauf noch nicht in Mode war. Veranstalter ist der Turn- und Sportverein Eschollbrücken/Eich. Hört sich nicht nach einem Großverein an und ist es auch nicht. Aber rührig sind sie und engagiert. Trotzdem: ein Lauf über diese Distanzen stemmen die Verantwortlichen nur auf einem Rundkurs, der mehrmals zu durchlaufen ist. 5 Kilometer misst  die Runde auf dem Damm, durch Kiefer- und Mischwald und entlang der Spargeläcker. Und holprig ist der Kurs. Rekorde läuft man auf den Schotterstraßen und Waldwegen nicht.

Pasta-Party macht man zuhause und reist am Lauftag an. Die Startunterlagen holt man sich im TSV-Sportheim und bekommt zu seiner Nummer noch eine Tafel Schokolade und ein Duschgel. „Dafür sind die Duschen kalt,“ sagt mir einer, der seine Erfahrungen hier offenbar schon gemacht hat. Gemütlich sich hinsetzen, zweites Frühstück und eine Tasse Kaffee? Nicht möglich, die Räumlichkeiten sind hier nicht vorhanden. Erst nach dem Rennen wird es gemütlich, wenn man sich zur Siegerehrung in der Sporthalle trifft. Aber soweit sind wir noch nicht.

Nicht dass meine Schilderungen jemand in den falschen Hals bekommt. Ich mache mich nicht lustig, ich finde das klasse. Solche Veranstaltungen muss der Werner Sonntag meinen, wenn er von den alten Zeiten schwärmt. Mögen sie uns erhalten bleiben. Sie sind das Salz in der immer gleicher werdenden „Laufevent-Suppe“. 

Es ist bitter kalt am Sonntagmorgen. Unter dem Startbanner ist die Verpflegungsstelle bereits eröffnet. Gefragt ist heißer Tee aus dem dampfenden Kessel. 5 Grad hat es, aber der Wetterbericht verspricht über 20. Das könnte hinkommen, die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Gut, dass es ein Rundenrennen ist, da kann man nach ein paar Runden seine Klamotten den geänderten Temperaturen anpassen. Seinen Kleiderbeutel deponiert man einfach unter dem Tribünendach. „Da kommt nix weg,“ wird mir versichert. Man läuft allerdings auch direkt am Parkplatz vorbei und kann sein Zeug auch im Auto lassen. Marathon der kurzen Wege der anderen Art. Ach, da fällt mir ein: drei Dixis gibt es - und keine Warteschlangen. Na ja, der Wald ist ja auch gleich nebenan.

Einen Marathondebütanten trifft man bei solchen Veranstaltungen nicht – nur alte Hasen, „Hardcore-Runner“ halt, und mich. Schnell habe ich meinen Platz ganz hinten im Läuferfeld gefunden. Zum Glück ist eine Gruppe „Verrückter“ der schlimmsten Sorte am Start. Unter ihnen Eberhard Ostertag, Daniel Basel und Bernhard Hertiger. Sie waren gestern beim 6-Stundenlauf  in Rotenburg und sind dort schon über 50 Kilometer gelaufen. Sie übernehmen die Rote Laterne. Alex will sich dort nicht einreihen. Obwohl auch er die 6 Stunden und sogar 64 km in den Beinen hat, läuft er mir weg. Nachdem ich den Kurs kenne (meiner Kurzbeschreibung am Anfang muss ich nur noch den Zick-Zack-Kurs über den gepflegten Sportplatzrasen hinzu fügen), schalte ich einen Gang zurück auf gemütlichen Sonntagslauf, wähle meinen Lieblingssender SWR 3 und freue mich auf sonnige Stunden.

 


Irgendwann beginnen die ersten Überrundungen. Die Hessen sind’s: Ulrich Amborn und dicht dahinter Vereinskollege Joachim Kempf. Bis mich Andrea Neumer als erste Frau überrundet dauert es noch. Verbissen wird auch an  der Spitze das Rennen nicht geführt. Ein Lächeln in die Kamera, ein Gruß und ein kurzer Zustandsbericht („S’läuft gut“) sind immer drin. Soo De Francisco (wird Zweite) geht das Rennen sogar so langsam an, dass ich ein kurzes Stück mit ihr laufe. Eine schöne Atmosphäre. Schade, dass einige Promis aus der Szene fehlen. Nächste Woche sind in Kienbaum die Deutschen Meisterschaften über 100 km, das hat die Eschollbrücker bestimmt ein paar Anmeldungen gekostet. Carmen Hildebrand hält ihnen trotzdem die Treue, läuft allerdings die kurze Strecke und gewinnt. Auch Elke Streicher, ebenfalls in Kienbaum gemeldet, ist am Start und absolviert einen 50 km-Trainingslauf.


Das muss ich unbedingt auch los werden: nach ungefähr 2 Kilometern ist vor dem Damm eine kurze Begegnungspassage. Hier macht seit Jahren Gerhard Dienst. Bei der ersten Runde liest er noch die Namen ab und begrüßt die Läuferinnen und Läufer. Irgendwann schaut er nicht mehr auf den Zettel. Ich glaube, er kennt jetzt jede und jeden. „Hey Klaus, links laufen“, „Grüß dich, Sabine“, „Bis zur nächsten, Ewald“. Der Mann ist ein Phänomen und ein Motivator erster Güte.

Um 11.00 Uhr starten der 25 km-Lauf. 180 Läuferinnen und Läufer sind am Start und sorgen jetzt für Leben auf der Strecke. Alles klappt reibungslos, auch die Sprinter werden ohne Probleme integriert. Wird’s auf den Pfaden mal eng, wird das sportlich geregelt – der Schnellere hat Vorrang.

 


Meine Lauffreude wird von Kilometer zu Kilometer jetzt aber mehr und mehr getrübt. Rechts, über dem Innenknöchel bekomme ich Schmerzen. „Ignorieren“, würde Eberhard sagen. Ich versuch’s, höre mehr auf die Musik als auf meinen Körper. Die Schmerzen nehmen zu, ich drehe die Musik lauter. Bald ist der Regler am Anschlag. Mittlerweile nehmen die Schmerzen Einfluss auf meinen ohnehin nicht sonderlich sauberen Laufstil. Immer schiefer komme ich daher, ziehe das Bein nach und fange an zu humpeln. Aufhören? Wäre das Beste. Am Sportplatz, kurz vor dem Zielbanner, sehe ich, dass die Gruppe mit der Roten Laterne näher kommt.

Nein, das kann’s nicht sein. Ich mache weiter. „Ich laufe mir die Schmerzen weg,“ hat mir mal Türken-Mike erzählt. Das versuche ich jetzt auch. Ein Kilometer, zwei Kilometer, drei. Es geht nicht. Ich muss gehen. OK, ich mache Schluss. Ich plage mich bis ins Ziel und melde mich bei meinen Rundenzählern ab. Schluss aus, meine erste Aufgabe. „Einmal erwischt es jeden“ – auch so ein dummer Spruch. Jeden ja, aber nicht mich.

 


Ich humple zum Auto, ziehe mich um (duschen brauche ich nicht, bin ja nur 30 Kilometer gelaufen) und lege mich mit dem Fotoapparat auf die Lauer. Den Eberhard trifft fast der Schlag, als er mich so sieht. Und ich bin voller Bewunderung, als ich ihn sehe. Eisern, zäh und mit dem festen Willen, die 50 km zu finishen, dreht er seine Runden und das bei mittlerweile 23 Grad.

Dann erlebe ich, wie die ersten Frauen ins Ziel laufen. Andrea Neumer wird zunächst als Carmen Hildebrand angekündigt. Die kommt zwar aus dem gleichen Verein, ist aber längst im Ziel als Siegerin des 25 km-Laufes. Dann kommt Soo De Francisco. Der Sprecher kündigt sie mit großen Worten an. „Jetzt kommt die zweite Frau nach 50 Kilometern ins Ziel – bravo – ihre Zeit, ungefähr  4:30“. Echt klasse. Noch einmal: ich mach mich nicht lustig. Wo sind wir denn? Und was soll das? Ist doch wurscht, die Zeitmessung ist korrekt, der Sprecher ist halt nicht mit dem Computer verkabelt. Der Läuferin ist’s egal, den Zuschauern und mir sowieso. 

 


Ich bekomme die Diskussionen mit den Rundenzählern mit. „Wie viele sind noch draußen?“ „Fünf oder sechs“. Ok, kein Problem. Niemand rümpft die Nase. Im Gegenteil, wie echte Helden (sind sie auch) werden sie angekündigt und gefeiert: Bernhard, Daniel, Eberhard, Christof. Aber sie sind nicht die Letzten. Beate, echte Schwäbin und „Titelverteidigerin“ wiederholt ihr letzt jähriges Ergebnis. Und der Sprecher weist korrekt darauf hin, dass sie dabei ihre Zeit um 21 Minuten verbessert hat.

So, das war’s aus Eschollbrücken. Nächstes Jahr bin ich wieder dabei. Der fehlt mir ja jetzt immer noch in meiner Sammlung.
 

Siegerinnen und Sieger:

50 km Männer

1.  Amborn, Ulrich  - LG Offenbach - 3:32:56,0   
2.  Kempf, Joachim  - LG Offenbach - 3:34:00,0    
3.  Hedelt, Holger - Mannheim - 3:46:12,0  

50 km Frauen

1. Neumer, Andrea  - SSC Hanau-Rodenbach  - 4:30:30,0  
2. DE Francisco, Soo  - Eintracht Frankfurt e.V. - 4:33:14,4  
3. Fischer, Bärbel  - RLT Rodgau  - 4:34:58,0  

25 km Männer

1. Burkhardt, Dominik - PTSV Freiburg - 1:27:40     
2. Bernd, Uwe  - LG Rüsselsheim - 1:33:41    
3. Scheiring, Oliver  - 1.FC Kaiserslautern - 1:36:17   

25 km Frauen

1. Hildebrand, Carmen  - SSC Hanau Rodenbach  - 1:53:11   
2. Risch, Karin - LG BEC  - 1:53:41   
3. Bünger, Marion  - LG BEC  -  2:00:45  

 

Mehr zum Thema

Streckenbeschreibung
5km-Rundkurs, ziemlich rustikale Wege

Kosten
24 Euro für den 50er, zu bezahlen bei Abholung der Startunterlagen.

Teilnehmer
80 auf der 50 km-, 180 auf der 25 km-Strecke

Zeitnahme
Per Hand, zuverlässige Rundenzähler

Auszeichnung
50 km Urkunde, jeder Teilnehmer erhielt bei der Startnummernausgabe eine Tafel Schokolade und ein Duschgel; die Altersklassensieger Urkunden und Medaille .

Verpflegung
Im Start- und Zielbereich mit Wasser, Tee, Apfelsaft, Cola, Malzbier, Bananen, Schokolade, Kekse.

Zuschauer
Einige im Zielbereich, noch weniger an der Strecke.

 

Informationen: Eschollbrücker Ultra-Marathon
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024