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Laufberichte

Bilderbuch-Rennen auf der Sonnenseite der Schweizer Alpen

 

Swen, mein Vereinskollege und Streckenchef der Rennen des HartfüßlerTrail e.V., erzählte mir im Frühjahr ganz euphorisch vom Engiadina Scuol Trail. 48 Kilometer und 3300 Höhenmeter wären ein perfekter Einstieg in die Bergsaison. Er mag wie ich die kleinen Rennen in den Alpen. Von engagierten Läuferinnen und Läufern organisiert, laufen hier die Einheimischen und ein paar Eingeweihte ein hartes Rennen ohne Poser oder Pseudo-Helden. So liest sich auch die Info zu dieser Veranstaltung. Ganze 54 Finisher gab es im letzten Jahr auf der langen Strecke, dem Alvetern Trail (Edelweiß Trail), bei nur einem DNF. Scheint also machbar zu sein.

48 km bei 3300 Höhenmetern sind natürlich eine Ansage, aber nachdem ich ein paar lange Strecken im Frühjahr gelaufen bin, wollte ich den Feinschliff für die anstehende Alpenüberquerung in den Bergen machen. Lange Anstiege kann man eben nur hier trainieren und davon hat es bei dem Rennen einige. Es werden zwei Berggipfel mit knapp 3000 Metern überquert. Die Fotos davon zeigen eine hochalpine Strecke mit viel Schnee, Blockwerk und Versicherungen und in der Ausschreibung ist sogar für manche Passagen vorsichtiges Gehen vorgeschrieben. Vorsichtiges Gehen? Das kann ich.

 

Bergfrühling mit reichlich Schnee und Regen



Wir starten freitags in aller Frühe Richtung Schweiz, um am Mittag noch mit der Seilbahn etwas Höhenluft zu schnuppern. Wir sind diesmal zu viert. Astrid, Swen und ich auf der langen Strecke. Tom nach längerer Berg-Abstinenz auf der 22 Kilometer Variante, dem Enziana Trail.  Es regnet die ganze Fahrt über und hinter Zürich schickt uns das Navi erst mal Richtung Bodensee. Erdrutsche haben verschiedene Autobahnabschnitte weggespült. Zermatt ist von der Außenwelt abgeschnitten und allerorten gibt es Schäden durch die gewaltigen Wassermassen, die in den letzten Tagen hier in der Schweiz heruntergekommen sind.

 

Im Garten des Inn

 

Bei Davos nehmen wir den Autoverlad und bei unserer Ankunft im Engadin scheint das Wetter besser zu sein.  Der Name Engiadina setzt sich aus den rätoromanischen Wörtern En für Inn und Giardina für Garten zusammen. Wir sind somit im Garten des Inn, der im Engadin seinen Ursprung hat. Heute wälzt er sich als braunes Ungetüm durch das Tal. Auch unsere Straße wird noch von Geröll gereinigt, das einer der vielen Zuflüsse hier zurückgelassen hat. Ein paar blaue Flecken am Himmel machen uns wettertechnisch zuversichtlich, aber an der Talstation der Gondelbahn, die mit unserer Gästekarte umsonst genutzt werden kann, werden wir eines Besseren belehrt. Die Bahn steht heute wegen Sturmgefahr. Das ist offensichtlich, denn hinter uns ziehen schwarze Wolken auf. Es ist unangenehm warm und man spürt schon das Gewitter.

 

 

Ein Spaziergang durch den schönen Ort erübrigt sich beim einsetzenden Regen. So ein Mist. Dabei hat Scuol mit seinen Engadinerhäusern und seinen Mineralwasserbrunnen einiges zu bieten. Uns reicht ein Besuch im Supermarkt. Wir decken uns mit ein paar Dingen zum Frühstücken ein und beziehen anschließend unsere Hotelzimmer.

Am Nachmittag holen wir unsere Startnummern an der Talstation der Gondelbahn ab, wo auch morgen Start und Ziel sein wird. Aufgrund der Wetterverhältnisse wurde die Strecke angepasst. Am höchsten Punkt, dem Piz Spadla, liegt noch zu viel Schnee. Ein guter Kilometer und 300 Höhenmeter werden uns erlassen.

Wir wissen nicht, was uns morgen auf der Strecke erwartet, und so packe ich den Rucksack für alle Eventualitäten inklusive Gewitter, Regen und Schneesturm. Sogar die Spikes nehme ich mit. Die habe ich in diesem Jahr schon einmal überraschenderweise gebraucht, sicher ist sicher. Starker Regen und das Rauschen des übervollen Baches, der durch den Ort schießt, wiegen uns in den Schlaf.

 

Race Day

 

Am nächsten Morgen hängen die Wolkenfetzen noch im Tal, aber ein paar blaue Stellen am Himmel machen uns Hoffnung. Start ist um sieben Uhr. Das ist der Vorteil bei den Marathon-Distanzen. Man kann ausschlafen, braucht keine Kopflampe und ist abends wieder im warmen Bett.

Die Bedingungen sind zum Laufen heute optimal. Nicht zu kühl, leicht bedeckt und vor allem trocken. Etwa siebzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich an der Startlinie eingefunden. Außer ein paar Deutschen sind vor allem Schweizerinnen und Schweizer am Start. Die Oberschenkel sprechen Bände. Da kann ich als Flachland-Tiroler nur staunen.

 

 

 

Hopp Schwyz

 

Entsprechend zügig geht es schon gleich nach dem unspektakulären Start los. In schnellem Tempo zieht das Feld an mir vorbei und ich werde schon gleich nach hinten durchgereicht. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Das Rennen hat erst angefangen und ich will mich nicht zu einem Tempo verleiten lassen, dass mir schon gleich zu Beginn den Stecker zieht. Ich sehe Astrid immer noch vor mir, also bin ich schnell genug.

Fahrwege und kleine Singletrails führen stetig in die Höhe. Ab und zu steigen wir ein paar Höhenmeter ab, um einen rauschenden Bach zu überqueren. Dann geht es wieder über saftige Weiden in die Höhe. Wolkenfetzen ziehen aus dem Tal herauf. Es ist angenehm kühl und die Wolkenlücken werden immer größer. Hinter uns ist auf der anderen Talseite ein fantastisches Bergpanorama zu bewundern, das uns die ganze Strecke begleiten wird. Vor uns erst mal nur der wunderschöne Blumen- und Kräuterteppich der Sommeralmen, die erst an diesem Wochenende in Betrieb genommen werden. Die Bauern haben wohl noch die vergangenen Unwetter abgewartet, bevor sie ihre Kühe auf die höherliegenden Almen treiben.

 

Here comes the sun

 

Schnell sind wir an der ersten Verpflegung angekommen. Astrid begleitet mich. Sie will es heute langsam angehen und ist wie ich begeistert von den schönen Eindrücken. Es geht erst mal wieder bergab, bevor wir durch einen Lärchen- und Kiefernwald wieder aufsteigen. Wolken hängen in den Bäumen fest, aber die Sonne bahnt sich mehr und mehr ihren Weg und zaubert eine mystische Stimmung ins Unterholz.

 

 

Nach dem Wald sehen wir an der zweiten Verpflegung schon unseren ersten Gipfel, den es heute zu erklimmen gibt.  Wir passieren die Baumgrenze und ziehen weglos in die Höhe. Das wurde im Briefing schon so angekündigt. Die Wegführung ist der Umleitung geschuldet, aber die Strecke ist gut markiert. Ich sehe auch noch einige vor mir. Wir liegen also gut in der Zeit und ich muss mir keine Gedanken wegen des Cutoff machen.

Erste Restschneefelder sind zu überqueren. Es ist angenehm frisch und die Wolken geben den Blick auf die uns umgebenden Berge frei. Auf dem kleinen Gipfel haben wir 15 Kilometer und schon 2000 Höhenmeter hinter uns.  Ich bin von der Streckenführung absolut begeistert. Schnell geht es wieder in die Tiefe. An den steilen Schneefeldern heißt es aufpassen, ansonsten sind alle Wege gut laufbar und ohne nennenswerte technische Anforderungen.

 

 

 

Almauftrieb mit Heidi und dem Ziegenpeter

 

Die Sonne hat sich jetzt durchgesetzt und die Strecke ist ein Traum. Kleinere Bachquerungen, saftige Almwiesen in voller Blüte. Auf einem Fahrweg werden Kühe in Anhängern in ihr Sommerrevier verfrachtet. Eine Schafherde ist gerade eingezogen und fühlt sich sichtlich wohl. Vor uns plötzlich Heidi und Ziegenpeter. Nein, es sind die Kinder am Verpflegungsposten, die uns freudig begrüßen. Es ist eine Bergidylle und ich kann mir gerade nichts Besseres vorstellen, als hier und jetzt unterwegs zu sein.

Es wird sommerlich warm und ich merke, dass ich mal wieder zu wenig getrunken und gegessen habe. Ich lasse Astrid ziehen. Sie ist noch frisch und gibt jetzt ordentlich Gas. Da kann ich nicht mithalten. Sie verlässt gerade die Verpflegung an der Bergstation der Gondelbahn des Skigebiets Motta Naluns, als ich ankomme. Ich bediene mich bei den Gels und Riegeln, damit ich beim kommenden letzten Anstieg wieder bei Kräften bin. Ich habe aber eine gute Stunde aufs Cutoff und somit keine Eile.

 

 

 

Gipfelsturm

 

Es trennt sich die Strecke. Die Läuferinnen und Läufer der kurzen Strecken werden hier ins Tal geführt. Für uns geht es auf den zweiten Gipfel, den Piz Clünas, der an den Lawinenschutzzäunen gut zu erkennen ist. Mit 2792 Metern ist er der höchste Punkt der heutigen Strecke. Gut 400 Höhenmeter liegen noch vor mir. Es ist sonnig und ab 2400 Metern merke ich auch, dass die Luft dünn wird. Im Schneefeld kurz vor dem Gipfel laufe ich auf Manuel auf und gemeinsam erreichen wir den Gipfel, auf dem wir von der Bergwacht begrüßt werden. Eine fantastische Rundum-Sicht entschädigt für die Strapazen.

 

 

 

Isotonische Hüttengaudi

 

Auf dem Abstieg sind viele Restschneefelder zu queren, aber die Streckenmarkierung ist perfekt. Wir kommen auf eine Mountainbikepiste, die uns sanft bergab rollen lässt, bis wir zur Alp Laret kommen. Von den Wasserstellen, die vor und nach dem Gipfel angelegt waren, hatte ich keinen Gebrauch gemacht und so gönne ich mir mit Manuel an der Hütte ein frisches isotonisches Getränk.

Es geht jetzt nur noch bergab. Auf guten Wegen rollen wir talwärts. An der letzten Verpflegung in dem kleinen Örtchen Ftan halten wir uns nicht lange auf, denn es beginnt zu tröpfeln. Dunkle Wolken kündigen Regen an, der uns dann drei Kilometer vorm Ziel erwischt. Schnell ziehen wir die Regenjacken über, aber der Regen kann uns jetzt nichts mehr anhaben. Zu schön waren die Eindrücke, die wir auf diesem fantastischen Trail heute gesammelt haben.

 

 

Nach dem Schauer stopfen wir die Jacken wieder in den Rucksack, bevor wir in Scuol freudig im Ziel begrüßt werden. Ein perfekter Tag in den Bergen geht zu Ende. Wir sind mit unserer Leistung allesamt sehr zufrieden.

Als Zielverpflegung gibt es Pasta und allerlei leckere Sachen, aber ich bekomme noch nichts herunter. Wir hatten ein wahnsinniges Glück mit dem Wetter, denn kaum sind wir im Hotel gießt es wieder in Strömen. Man kann ja schließlich auch mal Glück haben.

 

Fazit

Die Ferienregion um Scuol liegt eingebettet zwischen den Silvretta Gipfeln und den Engadiner Dolomiten. Mächtige Bergketten dominieren die Landschaft.

Der Scuol Trail ist eine herausragend schöne Veranstaltung, die mit viel Herzblut organisiert ist. Die Strecken sind perfekt markiert und trotz üppiger Höhenmeter sind die Trails nur selten technisch und allesamt gut zu laufen. Freundliche Helferinnen und Helfer und eine perfekte Wegführung in einer Bilderbuch-Berglandschaft machen den Scuol Trail zu einem besonderen Erlebnis.

Die Markierung ist perfekt und lässt keine Zweifel an der Streckenführung aufkommen. Trotz oder gerade wegen der vielen Höhenmeter, ist der Lauf durch das großzügige Zeitfenster auch uneingeschränkt Berg-Novizen zu empfehlen. Mir hat in den Alpen selten ein Lauf mehr Spaß gemacht.
 

Strecken

ALVETERN (EDELWEISS) TRAIL, 48 KM, 3300 HM
ENZIANA (Enzian) TRAIL, 22 KM, 1300 HM
FLURINA TRAIL EINZELN und FAMILY/GRUPPE, 6 KM, - 450 HM

 

 

 

Informationen: Engiadina Scuol Trail
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