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Laufberichte

Pusztahitze im Oktober

 

Mit dem Auto ist man von Wien aus in knapp drei Stunden in der 1,7 Millionen Metropole an der Donau. Die ungarische Hauptstadt mit vielen vom Weltkulturerbe für schutzwürdig befundenen Sehenswürdigkeiten aus der der Zeit der k.u.k. Doppelmonarchie von 1867 bis 1918 eignet sich gut für einen Tagesausflug. Deutsche und Österreicher fahren gerne ein Stück weiter, allerdings nicht um beispielsweise in der 3. Märzwoche beim 195,4 km langen Supermarathon den Plattensee in 4 Etappen zu umrunden, sondern um sich dort den Gaumenfreuden hinzugeben. Ungarn ist ein Paradies für Gourmets auch mit dünnen Brieftaschen.

Ich wundere mich daher nicht über das starke Verkehrsaufkommen auf der Ostautobahn an diesem späten Freitagnachmittag. Die in Österreich  arbeitenden Ungarn fahren heim. Und die Österreicher ins verlängerte Wochenende, für das laut Wetterbericht im Osten spätsommerliche Temperaturen angekündigt werden.

Seit meinem Beginn als Hobbymarathonläufer im April 2001 bin ich schon dreimal in Budapest gestartet, Höhepunkt war das 25. Jubiläum dieses Events, der seit einigen Jahren von der österreichischen Handelskette Spar gesponsert wird.

Mit dem Renndirektor Árpád Koscics habe ich letztes Jahr beim 90. Košice Marathon in der Ostslowakei kurz gesprochen – er war dort auf Inspektion. Árpád bemerkte, dass der Budapest Marathon jedes Jahr kleinere Änderungen an der Strecke aufweise, das schaffe Abwechslung. Für das 30jährige Jubiläum nächstes Jahr wird er sich bestimmt was Besonders ausdenken.

Eigentlich wollte ich gar nicht am 12.10. in Budapest laufen, sondern lieber in Graz antreten. Doch bei einem Check der Webseite bemerkte ich, dass der Veranstalter wegen der Kommunalwahlen den diesjährigen Budapest Marathon auf den 11.10., einen Samstag, vorverlegt hat. Ich habe nicht lange überlegt und mich noch rechtzeitig vor Ende der Online-Frist registriert. Läufer, die schon einmal bei einem Laufevent in Budapest dabei waren, erhalten einen 25% Rabatt. Allerdings sind diese dann nicht berechtigt, nach dem Marathon das weltberühmte Széchenyi Heilbad zu besuchen. Wenn einem die Füße wehtun, ist heißes Quellwasser mit Kalzium, Magnesium, Natrium, Sulfat und anderen Stoffen zu empfehlen.

Meine Pläne sind anders gelagert – nach dem Marathon werde ich nach Wien zurückfahren und am nächsten Tag auch in Graz laufen. Das wäre dann mein vierter Doppelpack in diesem Jahr. Wegen der Verschiebung ist die Expo nahe dem Heldenplatz (Hősök tere) am Freitag bis 21 Uhr und auch am Renntag bis knapp vor dem Start um 11 Uhr geöffnet. Ich hole mein Startpaket gegen 20 Uhr ab, den Gutschein für die Pastaparty löse ich ein. Es gibt Nudeln mit Topfen, Rahm und Zucker drüber. Zum Trinken ein Gösser Bier oder Mineralwasser, als Snack eine mit Schoko gefüllte Waffel.

Ich schlendere gegen 21 Uhr zurück in die Innenstadt, viele Menschen sind unterwegs. Die wahlwerbenden Parteien laden an den Ständen die Menschen ein, morgen ihre  Stimme abzugeben, die konservative Fidesz-Regierungspartei von Ministerpräsident Viktor Orban wirbt mit Würstchen und Semmel. Auch die Kommunisten sind präsent, doch ähnlich wie die nationalistisch ausgerichtete rechtsextreme Jobbik-Gruppierung in der Wählergunst eher am Absteigen. Unter Orban wurden österreichische Banken und Unternehmen höher besteuert, Pächtern wurde langjährige Verträge gekündigt, Gesetze für ungültig erklärt.  Doch das Verhältnis zwischen den beiden Nationen ist dennoch ein gutes.

Ungarn, mit 93.036 km² und 9,9 Mio. Einwohner etwas größer als Österreich, ist  seit 1994 bei der Europäischen Union. Das Land hat bisher durch gezielte Transferzahlungen aus Brüssel für Infrastrukturmaßnahmen und allerlei Projekte in Ziel-3-Gebieten enorm profitiert. Ungarn gehört nicht zu den Euro-Ländern innerhalb der Union, 1 Euro entspricht rund 300 ungarischen Forint. Die ermäßigte Startgebühr betrug 38 Euro.

Ich mag Marathonstarts um 11 Uhr nicht wirklich. Zwar hat man viel Zeit für ein längeres Frühstück im Hotel oder zu Hause, doch mit einem übervollen Magen sollte man nicht unbedingt laufen. Der Blick durch das Dachfenster im Baross City Hotel zeigt einen strahlend blauen Himmel. Es wird ein Spätsommertag mitten im Herbst, keine Wolke ist zu sehen. Drei Lagen habe ich in den Kleidersack am Abend eingepackt, ein Leibchen reicht heute aus. Vom Hotel sind es knapp zwei Kilometer bis zum Start. Taschen können die Starter in der ca. 800 m vom Heldenplatz entfernten Petöfi-Halle im Stadtwäldchen (Városliget) abgeben.

Viele Läufer werden von Angehörigen begleitet. Die Menschen sind bei diesem schönen Wetter richtig glücklich, das sieht man ihnen an. Ich mag die Stimmung am Start in Budapest. Bis zuletzt halten sich die Läufer an den Messe-Ständen auf, nehmen eine Kostprobe, unterhalten sich und genießen das Flair. An den vielen aufgezogenen Fahnen erkennt man, dass wohl mehr als  60 Nationen vertreten sind. Meine einzige Sorge heute ist der Umstand, dass es im Verlaufe des Rennens entlang der schattenlosen Strecke sehr heiß werden könnte, wenn um die Mittagszeit die Sonne einstrahlt. Ich liebe die Sonne, aber bei einem Marathon empfinde ich Temperaturen ab 25 Grad als zusätzliche Belastung.

Neben dem klassischen Marathon über 42,195 km und der Staffel mit 4 Läufern steht ein 30 km-Lauf, ein Kurzbewerb mit 7 km, ein 2,7 km Fun Run und ein Family Run mit 600 m auf dem Programm. Die Startzeiten sind unterschiedlich, der 30 km beginnt bei der 12,195 km-Marke der Marathonstrecke am Ujpest-Kai beim Szent Istvan Park ab 11.45 Uhr.

Laut meiner Startnummer mit an der Rückseite integriertem Chip bin ich dem Block 5 mit einem Lauftempo von 6:00 bis 6:30 min/km zugeteilt. Das entspricht meinem Leistungsvermögen derzeit, wobei ich bei Hitze zumeist noch langsamer laufe. Die auf den Startschuss in der Olof Palme sétány,  einer Seitenstraße im Park wartende Läuferschlange ist gut 200 m lang, unter den Startern sind auch die Staffelläufer des ersten Abschnitts.

Es geht los - der heutige 29. Budapest Marathon wird in der von Gust Schwab mit großem Können betreuten Marathon Austria-Statistik als mein Lauf Nr. 197 aufscheinen. Nach meiner eigenen Aufstellung, die auch für die US-amerikanischen Marathonmaniacs, bei denen ich seit 2009 Mitglied bin, relevant ist und die wie die meisten Laufvereine auch die Ultramarathons dazuzählen, habe ich den Zweihunderter schon erreicht. Als ich mit 55 im Jahre 2009 wieder mit dem Marathonlaufen anfing, hatte ich seit 2001 36 Marathons gefinisht. Ich setzte mir zum Ziel, bis zum Sechziger 100 Marathons zu schaffen. Diese Zahl erreichte ich bereits mit 58 Jahren im Jahr 2012, bis Ende dieses Jahres wird die Zahl 200 um einiges überschritten sein.

Der Beginn des Marathonkurses ist im Vergleich zu den Jahren zuvor gleich geblieben: Von der Olof Palme sétány bewegt sich der Tross um den Heldenplatz, der zum Weltkulturerbe zählt, mit dem Millenniums- und Heldendenkmal, umgeben von der Kolonnade, vorbei am Museum der Bildenden Künste (Szépművészeti Múzeum) zur Rechten hinein in die Andrássy út, der Champs-Élysées von Budapest. Diese breite Prachtmeile mit vielen prunkvollen Herrschaftshäusern, Symbol für die städtebauliche Aufbruchstimmung nach dem Ausgleich Österreichs mit Ungarn im Jahre 1867, gehört ebenfalls zum Unesco-Welterbe.

Hier ist viel Platz zum Laufen, aber schon nach ca. 2,5 km wird gewendet. Der starke „Gegenverkehr“ zu meiner Rechten verdeckt mir fast die Sicht auf die Staatsoper auf der anderen Straßenseite. Vor zwei Jahren intonierte der Chor ein Ständchen für die Läufer, heute spielt eine 5-Mann-Abordnung des Orchesters. Auf dem Spielplan der 1884 eröffneten ungarischen Staatsoper steht Mozarts „Cosi fan tutte“ aus 1789. Man muss sich fragen, ob Läufer in der Bewegung die kulturhistorischen Bauwerke bei einem Citymarathon wie in Budapest wirklich so bewusst registrieren wie jemand beim Sightseeing oder einer geführten Tour mit Stopps. Das würde ich eher mit nein beantworten, dazu ist die Zeit zu kurz. Viele schauen sich daher vor dem Marathon die Stadt an, oder auch danach und freuen sich, wenn sie an den bekannten bzw. gesichteten Plätzen wieder vorbeikommen.

Die nachfolgende Strecke ab Kilometer 3 führt im Zickzackwendekurs mitten durch die noble Altstadt von Pest – bis 1872 waren Buda und Pest eigenständig. Buda liegt westlich der Donau und ist über insgesamt neun Brücken erreichbar. Auch den Marathonis stehen heute mehrere Überquerungen berühmter Donaubrücken bevor, deren Anstiege gegen Ende eines Marathons als mühsam empfunden werden.

Auf der Bajcsy-Zsilinszky út bei Kilometer 4 und gegenüberliegend Kilometer5 herrscht dann wieder Gegenverkehr, hier ist auch die 1. Labestelle. Den knorrigen Dänen vom 100 Marathon Club habe ich – wie mir scheint – beim Kopenhagen-Marathon heuer im Mai gesichtet. Der Mann drängt sich förmlich nach vorne. Ob er das 5:30er-Tempo beibehalten kann? Ich bleibe an der Labe nicht stehen, nehme aber einen Becher Wasser und trinke im Laufen. Die Uhr zeigt bei 5 km 32:20 Minuten an, ich habe Reserven, noch ist die Sonne erträglich.

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Informationen: Budapest Marathon
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