Den „Brauereinlauf durch die Fränkische Toskana“ lasse ich mir nicht entgehen. Die Fränkische Toskana ist eine Tourismusregion, die die Gemeinden Litzendorf, Memmelsdorf und Strullendorf zusammenfasst. Alle drei Gemeinden werden beim Marathon, der neben einem Halbmarathon und einem 10-Kilometerlauf angeboten wird, auch durchlaufen. Warum wird ausgerechnet hier ein Brauereienlauf durchgeführt? Weil er hierher gehört. Mit rund 300 Brauereien hat das Frankenland die größte „Brauereidichte“ in Deutschland.
Die Bezeichnung Fränkische Toskana geht auf den Bamberger Mundartpoeten Gerhard Krischker zurück, der 1996 in einer Erzählung von seinen Ausflügen in diese Region berichtet. Im Jahr 2005 beschlossen die drei Gemeinden sich gemeinsam als „Fränkische Toskana“ zu präsentieren, was sich in Tourismus- und Wanderführern natürlich hervorragend liest und im Gedächtnis bleibt. Die leicht wellige Landschaft an den Ausläufern des fränkischen Juras erinnert tatsächlich an die italienische Namensgeberin. Sie liegt vor den Toren Bambergs, das sich auch wunderbar für eine Übernachtung anbietet, sollte man in den kleinen Pensionen in den drei Gemeinden kein Marathon-Quartier mehr finden.
Zuerst gehen wir, Bernie, Jan und ich, direkt nach Litzendorf. In der Touristinformation können wir unsere Startunterlagen bis 18:00 Uhr abholen. Im Anschluss wollen wir auch noch auf die „Kloss mit Soss Party“ im Festzelt auf der Litzendorfer Tanzwiese gehen. Unsere Startnummern haben wir schon nach wenigen Minuten in Hände. Im Festzelt spielt eine Blaskapelle auf und wir holen uns unseren Kartoffelknödel, sprich den Kloss, den es wahlweiße mit Braten-, oder für die Vegetarier auch mit Bechamel-Soße gibt. Der Kloss ist lecker, dient aber allenfalls als Vorspeise, so dass wir den Abend mit einer Pizza ausklingen lassen.
Es scheinen tolle Laufbedingungen zu werden. Am Morgen ist am Himmel ist keine Wolke auszumachen, dafür strahlt die Sonne. Dabei ist es noch reichlich frisch, aber etwa 15 Grad sind angekündigt. Einem perfekten Lauftag steht nichts im Wege. Die Vorfreude auf den Brauereinmarathon ist jedenfalls groß. Kati und Axel treffen gleich nach uns ein, so dass es schon früh morgens ein freudiges Wiedersehen mit unseren Lauffreunden gab. Schnell ist ausgemacht, dass wir den Marathon heute gemütlich und gemeinsam bewältigen wollen. Das Zeitlimit beträgt sechs Stunden. Thomas vom LIWA-Lauftreff müssen wir auch nicht lange von unserem Plan zu überzeugen. Zusammen sind wir eine wirklich spaßige Truppe.
Wie angekündigt erfolgt der Start pünktlich um 10:00 Uhr, allerdings nur für uns Marathonis. Der Start der Halbmarathonis wird auf 10:15 Uhr verschoben, was wohl der hohen Teilnnehmerzahl (insgesamt ca. 700) geschuldet ist.
Zu den Klängen von AC/DC`s Hells-Bells scharren 140 Marathonis mit den Laufschuhen. Viele neugierige Zuschauer lassen sich das Spektakel nicht entgehen. Wir laufen durch den Ortskern von Litzendorf und nähern uns der katholischen Pfarrkirche St. Wenzeslaus und dem Pfarrhaus, das uns im weiteren Verlauf des heutigen Tages immer wieder als Orientierungspunkt dienen wird. Denn die barocke Kirche St. Wenzelaus wurde aus leuchtend goldgelben Eisensandsteinquadern errichtet und ist im Ellertal schon von weitem zu erkennen. Sie wurde von 1715 bis 1718 durch den Baumeister Johann Dientzenhofer errichtet. Der Kirchturm mit seinen Scharwachttürmen ist noch im gotischen Stil gestaltet und ein wahrer Blickfang.
Litzendorf verlassen wir nach einem kurzen ersten Anstieg und laufen auf einem Radweg in Richtung Schammelsdorf, wo wir bereits bei Kilometer 2 die Knoblach Brauerei pünktlich zum Frühschoppen erreichen werden.
Seit ungefähr 1800 gibt es die Gastwirtschaft und Braumeister Michael Knoblach höchst persönlich serviert uns seinen hauseigenen Gerstensaft. Er hat vier Sorten im Angebot, ein ungespundenes Lagerbier, das Märzen „Räuschla“ (fränkisch für Rausch), ein dunkles Landbier und natürlich auch ein Hefeweizen. Der Inhalt in meinem Becher sieht recht dunkel aus, wir dürfen also das Landbier verkosten und das schmeckt lecker. So lässt sich der Marathon also schon gut an.
Nach dieser Stärkung heißt es nun aber laufen, denn auch dazu sind wir hier. Die Strecke führt uns über Feld- und Radwege durch die Landschaft der fränkischen Toskana. Es gibt immer wieder leichte Anstiege zu bewältigen, aber auch längere abschüssige Passagen, wo man es wunderbar rollen lassen kann. Auffallend ist, dass sich viele Grüppchen bilden, die den Marathon gemeinsam unter die Füße nehmen wollen. Diejenigen, die heute auf Zeit laufen, sind längst aus unserem Blickfeld entschwunden. Gutgelaunt kommen wir voran und tauchen schließlich in ein größeres Waldgebiet ein. Hier wartet bei Kilometer 8 die nächste Verpflegungsstation auf uns. Es gibt allerdings nur Wasser und Bananen. Macht aber nichts, es warten ja noch sieben Brauereien auf uns. Da sollte man es ja nicht gleich am Anfang übertreiben.
Keine zwei Kilometer sind es, bis wir von einem Radweg nach links zur Regnitzer Alm abbiegen. Hierbei handelt es sich um einen Vereinsbiergarten des Regnitztaler e.V., einem Verein, der sich der Pflege der fränkischen Traditionen verschrieben hat. Zweimal im Jahr veranstalten sie unter anderem ein rauschendes Weinfest mit mehr als tausend Besuchern. Bier gibt es auch hier nicht, aber als Grundlage für die weitere Zechtour deftige Brote und Obst. „Ich bin schon leicht unterhopft!“, wird gescherzt und wir freuen uns schon auf die nächste Verpflegungsstelle. Bis dahin sind es allerdings noch vier Kilometer.
Es geht leicht hüglig weiter, wir kommen gut voran. Bald laufen wir in den Biergarten des Brauerei-Gasthofes Sauer in Roßdorf am Forst ein. Hier wird seit 1784 Bier gebraut. Richard Sauer und Sohn Christian zeigen sich hier für das süffige Urbräu, ein feinherbes Pils, das Weißbier und ein frisches Braunbier verantwortlich. Wir dürfen das Braunbier verkosten, das frisch aus dem Fass in Steinkrügen serviert wird. Wobei der Franke nicht Steinkrug sondern „Krügla“ sagt. Und so stoßen wir also gemeinsam mit unseren Krügla an und genießen das Bier, das uns Kraft für den weiteren Weg geben wird.
Die Dichte an Verpflegungsstationen wird auf den kommenden Kilometern deutlich zunehmen und so können wir uns schon nach weiteren vier Kilometern über einen Besuch in der Almrauschhütte Amlingsstadt mit dem wunderbaren Waldbiergarten freuen. Die fränkische Traditionsbrauerei Ott ist seit über 300 Jahren in Familienbesitz und deren Bier wird hier ausgeschenkt. Uns empfängt eine Blaskapelle und Bernie würde sie am liebsten gleich dirigieren. Doch wir haben andere Aufgaben. Es gilt das Bier der Brauerei Ott zu verkosten. Aus Spaß greifen sich Bernie und ich je ein 5-Liter-Fass und tun so, als wollten wir es leeren. Dabei verschütte ich einiges auf mein Shirt. Die Helferin kommentiert es nur mit einem Lachen: „Ich hab nichts gesehen!“. Die Stimmung passt, wir sind endgültig angekommen beim Brauereienlauf und ich rieche nun auch wie ein Teil von ihm.
In ausgelassener Stimmung geht es weiter nach Strullendorf. Wieder sind es vier Kilometer, die bis zur nächsten Bierverkostung zu bewältigen sind. Die Strecke bis dahin ist gewohnt wellig, aber gut zu laufen. Am Ortseingang von Strullendorf sperrt die Freiwillige Feuerwehr die Strecke und rund um das Fahrzeug hat sich eine kleine, aber lautstarke Fangruppe gebildet. Wenige Meter später stoppen wir am Gasthaus Lindenbräu um nachzutanken. Hier gibt es das zigfach prämierte Bier vom Mahrs aus Bamberg. Die Geschichte des Brauhauses reicht bis 1602 zurück. AU heißt das ungespundete Naturtrübe, das uns gereicht wird. Diesess Spezialbier reift in Fässern ohne das übliche Spundloch und hat weniger Kohlensäure. Schmecken tut’s nach mehr, aber wir müssen weiter. Wir haben ja noch nicht einmal die Hälfte und etliche Verkostungsstationen liegen noch vor uns. Aber aufrecht ins Ziel kommen wollen wir auch …
Aber schon ein paar hundert Meter weiter ist eine weitere, wie es mir scheint, private Verpflegungsstelle aufgebaut. Es gibt Gebäck und Rauchbier. Da man sich so viel Mühe gibt, nehmen wir das Angebot an und gönnen uns einen kräftigen Schluck.
Die Halbmarathonmarke wird am Schwanenkeller erreicht. Doch bis dahin gilt es nach Strullendorf erst mal einen etwas längeren Anstieg zu bewältigen. Dann erreichen wir den herrlich gelegenen Waldbiergarten. Es wird fränkisches Löwenbräu gereicht, nicht zu verwechseln mit der Großbrauerei aus München. Die Brauerei „Zum Löwenbräu“ befindet sich seit gut 260 Jahren im Besitz der Familie Wirth und auch hier wird nach guter alter fränkischer Tradition gebraut. Man schmeckt es. Gut drei Stunden sind wir bis hierin unterwegs. Wer schneller läuft, ist selbst schuld.
Als nächstes folgt der Gasthof Schiller in Warnsdorf, nur einen Kilometer entfernt. Der Ort gefällt durch zahlreiche schöne Fachwerkhäuser und alte Geschäfte am Straßenrand. Doch ehe wir uns versehen, biegen wir schon wieder nach links ab in den Biergarten. Diesmal gibt es kein selbstgebrautes, dafür Rostbratwürste und ein Hübnerbräu aus Steinfeld. Es läuft. Und das nicht nur auf der Strecke. Sogar Kati, die sonst Bier gar nicht so sehr mag, hält ganz gut mit und ist begeistert. Das Personal ist andererseits von uns total begeistert und will unbedingt ein Selfie mit unserer gesamten Truppe haben. Dazu sind wir natürlich gerne bereit.
Dann nehmen wirKurs auf das Waldstübla Leesten. Gut vier Kilometer liegen vor uns und das Profil der Strecke ist unverändert. Im Waldbiergarten werden wir erneut begeistert empfangen. Überhaupt, die vielen Helferinnen und Helfer an den Verpflegungsstellen sind durchweg sehr motiviert und für jeden Spaß zu haben. Das geht schon über das Maß des bisher Gewohnten hinaus und verdient besonderes Lob und Anerkennung. Im Waldstübla wird Bier der Brauerei Griess aus Geisfeld zum Verkosten gereicht. Die Brauerei befinden sich seit 1872 in Familienbesitz und wurde 1983 an Peter Griess übergeben, der zu dieser Zeit Deutschlands jüngster Braumeister war. Er macht bis heute einen hervorragenden Job.
Wieder nur ein kurzes Stück weiter wartet bei Kilometer 29 der Landgasthof Büttel auf uns. Huppendorfer Bier ist im Ausschank, gereicht in Gläsern, kleiner als Kölschgläser. Ich frage nach, weshalb, eine direkte Antwort bekomme ich nicht. Noch nie habe ich aus solchen Gläsern getrunken und ich bitte den Zapfer, niemanden zu verraten, dass ich es heute getan habe.
Gut drei Kilometer haben wir es bis zum Bräuhaus Melkendorf. Bis dahin geht es weiter leicht profiliert dahin. Unsere Truppe ist noch immer zusammen und gut drauf. Wir haben jede Menge Spaß, auch abseits der Verpflegungsstationen. Das Bräuhaus Melkendorf ist erst seit gut zwei Jahren im Besitz der Gemeinde Litzendorf. Der Braumeister und der Bürgermeister von Litzendorf, suchen nach Möglichkeiten, die Brauerei am Laufen zu halten. Es wäre wünschenswert, wie ich finde. Der Biergarten im Hinterhof hat Flair und lädt a zum Verweilen ein. Das Bier ist ebenfalls sehr schmackhaft und so drücke ich den Betreibern an dieser Stelle einfach mal die Daumen.
Trotz aller Gemütlichkeit müssen wir uns wieder auf den Weg machen. Die Brauerei Reh (km 34) erwartet uns. Aber bis dahin gibt es allerhand zu sehen. Die Fränkische Straße der Skulpturen liegt vor und und die unterschiedlichsten Kunstwerke zieren die Strecke. Aber auch landschaftlich ist es hier wunderschön. Die Ausblicke über das Ellertal sind herrlich und ich meine, sogar den markanten Kirchturm von Litzendorf in der Ferne zu sehen. Dann ist die Brauerei Reh erreicht, ein kleines Familienunternehmen, das sich immerhin seit 1901 dem Brauen verschrieben hat. Wir gönnen uns wieder eine kleine Rast und verköstigen ein gutes, naturtrübes Helles. Bevor wir wieder antraben, stellen wir die Frage, wie weit es denn noch bis ins Ziel ist. Die „ernüchternde“ Antwort lautet: Nur noch zwei Brauereien. Na, dann mal auf zum Endspurt.
Die Brauerei Hönig und den Gasthof „Zur Post“ finden wir in Tiefenellern bei Kilometer 37. Die Brauerei ist seit 1778 in Familienbesitz. Das Braurecht besaß der Gasthof jedoch schon dreihundert Jahre früher und war zudem die Posthaltestelle von Tiefenfeller, woher auch der Name der Gaststätte rührt. Natürlich wird auch hier wieder das hauseigene Bier ausgeschenkt und nochmals feste Nahrung aufgenommen. Es sind ja immerhin noch fünf Kilometer bis ins Ziel.
In Lohndorf ist die Brauerei Hölzlein istletzte Verpflegungsstation. Hausgemachte Brotzeiten und ein eigenes Bier stehen auf der Karte. Das Bier ist gut, zur Brotzeit nehmen wir uns keine Zeit, denn der Endspurt in Richtung Litzendorf steht an. Ohne Pausen, ohne weitere Verkostungen. Das ist hart. Die „erlaubten“ sechs Stunden nehmen wir in Anspruch und ziehen gemeinsam auf den letzten Kilometern schon ein Fazit über diese Marathon-Premiere. Uns gefällt‘s. Die Stimmung an und auf Strecke ist super, innerhalb unserer Gruppe sowieso. Die Premiere ist gelungen, auch wenn es hier und da vielleicht noch Kleinigkeiten zum Nachfeilen gibt. Aber wer will heute meckern?
Statt einer Medaille bekommen wir im Ziel ein „Seidla“ mit dem Aufdruck des 1. Brauereinlaufs in der Fränkischen Toskana, den man sich auch noch mit (diesmal alkoholfreiem) Bier füllen lassen kann. Im Anschluss gibt es noch eine Siegerehrung im Festzelt, mit der wir natürlich nicht das Geringste zu tun haben. Um 20:00 Uhr startet das Marathon-After-Fest mit Live-Band. Wir nutzen allerdings die Duschtrucks zum Erfrischen und machen uns nach einem gelungenen Tag auf den Nachhauseweg.
Apropos Nachhauseweg: Man sollte während des Laufes schon bedenken, dass tatsächlich alkoholische Getränke ausgeschenkt werden. Da muss jeder selber wissen, ob der das will oder nicht. Pflicht ist es nicht, überall ein Glas zu leeren. Wenn man mit den Auto unterwegs ist, sollte man sowieso darauf verzichten.