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Laufberichte

Gerstensaft in der „Toskana“

 

In diesem September steht zum dritten Mal der Brauereienlauf auf dem Programm. Austragungsorte der alle zwei Jahre stattfindenden Veranstaltung sind die oberfränkischen Gemeinden Litzendorf, Memmelsdorf und Strullendorf.

Obwohl die sanften Hügel der Gegend den aus Bamberg stammenden Mundartpoeten Gerhard C. Krischker zu der Bezeichnung „Fränkische Toskana“ angeregt haben, sucht man so etwas wie den beliebten Rotwein aus dem Chianti-Gebiet hier vergebens.Stattdessen ist Oberfranken bekannt für seine große Anzahl an Brauereien, die längst als Touristenattraktion gelten und per pedes der Reihe nach auf einem eigens ausgewiesenen Wanderweg angesteuert werden können. Da lag es nahe, auch einen Lauf mit Bierverkostung anzubieten.

2018 zur Premiere waren Greppi und einige Bekannte von Judith und mir hier unterwegs und dieses Jahr wollen Axel und Andy ihr Brauereienwissen vertiefen. Da schließen wir uns gerne an.

Das Veranstaltungsgelände liegt in Strullendorf neben dem Brose-Bamberg-Trainingscenter. Man kann gut mit der S-Bahn hinkommen, die Nürnberg mit Bamberg verbindet. Von der Haltestelle ist es ein kurzer Spaziergang. Für diejenigen, die mit dem Auto anreisen, gibt es am Lauftag ausreichend Parkmöglichkeiten auf einer Wiese nebenan. Allerdings sollte man in diesem Fall den Alkohol eher zurückhaltend konsumieren.

Der Lauf findet samstags statt, sodass wir schon am Freitag anreisen und in der Grundschule in Gundelsheim unsere Startnummern abholen. Ein nettes T-Shirt kann zusätzlich erworben werden. Highlight des Abends ist die „Soß-und-Kloß-Party“ samt Live-Blasmusik - und der ersten Geschmacksprobe des lokalen Bieres. Die Cheforganisatoren geben noch einige Hinweise zur Strecke. Und weil es so gut schmeckt, ist ein Nachschlags-Kloß noch drin. Obacht: Wer noch Fleisch dazu möchte, wird hier nichts bekommen. Soß und Kloß pur, heißt die Devise.

 

 

Der Marathontag beginnt schon etwas wärmer, die vorangegangene Kältewelle scheint unterbrochen. Im Startbereich in Strullendorf versuchen wir die ersten Sonnenstrahlen auszunutzen.

Halbmarathonis starten in Litzendorf und müssen den Busshuttle erwischen. Die Teilnehmenden des 10 km-Laufs und der Bambiniläufe bleiben hier.

Wir nehmen vor dem Start/Zielbogen Aufstellung. Der Startschuss erfolgt durch den Landrat und wir stürmen auf das Festzelt zu, aber nur um es durch eine grüne Nebelwand auf der anderen Seite wieder zu verlassen. Also eine Nebel-, Light- und Soundshow am Beginn.

Was steht auf dem Streckenprogramm? Im Grundriss einer Blume geht es erst ein Stück nach Nordosten, dann eine große Runde im Uhrzeigersinn und über den Stengel zurück. Kurz vor dem Ziel dann ein kleiner Zusatzschlenker. Dass der Kurs leicht hügelig verläuft, passt zum Toskana-Ambiente. Am Ende werden es 500 bis 600 Höhenmeter sein.

Unter der Autobahn A 73 hindurch liegt links eine nette Ausflugsgaststätte, der Weg dorthin findet sich auf der Karte unter dem Namen „Ho-Chi-Minh-Pfad“. Wir dürfen aber auf dem geteerten Sträßlein bleiben. In Roßdorf am Forst wartet nach gut 3 Kilometern schon der erste Verpflegungspunkt bei der Brauerei Sauer auf uns. Wer noch nicht vorgeglüht hat, kann hier beginnen. Ich warte ab.

Kurz danach Geisfeld. Brauerei Grieß. Neben dem obligatorischen Bier gibt es auch lokale Köstlichkeiten, hier beispielsweise einen Zwiebelkuchen. Ich bleibe vorsichtig und genehmige mir Iso und Banane. Ich komme ja noch einmal vorbei. Beim Bergauflaufen kommen wir mit einem Teilnehmer ins Gespräch, der beim Zwiebelkuchen nicht nein sagen konnte. Ich wünsche ihm schon mal einen guten Nachbrennereffekt. Wir rollen auf einem Radweg bergab. Ich vermute, dass man ein paar Kilometer entfernt die Kirchtürme von Bamberg sieht. Eine Helferin weist den Weg in ein Wäldchen, aus dem uns Sportler entgegen kommen.

 

 

Vor der Regnitztaler Alm, einer traditionellen Ausflugsgaststätte, das nächste Bier. Ein Schluck zur Verkostung muss auch beim Rauchbier reichen, dafür greife ich diesmal bei den Fleischpflanzerln zu, den ebenfalls eingetroffenen Sportlern aus Berlin als Buletten bekannt. Von ihnen erfahre ich, dass sie nicht vorhaben, am morgigen Sonntag beim Marathon in der Hauptstadt zu starten. Zu der Startnummer gab es auch einen Trinkbecher, der helfen soll, Müll zu vermeiden. Der Vorteil ist auch, dass man den Biergenuss besser dosieren kann und nicht zu den vollen Einwegbechern greifen muss.

Es folgt ein Waldstück, letztendlich werden wir nun auf sieben Kilometern viel Grün sehen, leicht bergauf auf dem Forstweg. Wir sind im Hauptsmoorwald, einem Kiefernwaldgebiet, das bis 2014 von den US-Streitkräften genutzt wurde. Als Markierung an den Bäumen erkennen wir  das Rennsteig-R. Hier gibt es einen Ableger des Rennsteiglauf-Vereins. Ein Rennsteig war eine militärische Verbindungsstraße, welche hier das hochwassergefährdete Regnitztal umging.

Ein Marterl erinnert an die heiliggesprochene Kaiserin Kunigunde von Luxemburg, die hier um die erste Jahrtausendwende mit Kaiser Heinrich II unterwegs war.

Einige abgestorbene Bäume stehen in einem Moor. Die Kunigundeneiche, eine altehrwürdige ehemalige Huteeiche nahe dem Litzendorfer Gemeindeteil Kunigundenruh, erfreut sich hingegen bester Gesundheit. Auf einer Tafel wird erwähnt, dass sogenannte Hute-Bäume es früher schafften, auf Weiden zu wachsen. Wir verlassen den Wald und jetzt kommt echtes Toskana-Gefühl auf: Der Blick schweift über Hügel und kleine Weiler. Ein „castello“ kann ich auch ausmachen. Das könnte die Giechburg sein. Irgendwo dort warten Schätze auf uns, die ein gewisser Zabro, ein hinterlistiger kleinwüchsiger Mann mit dickem Kopf, im 13. Jahrhundert den Rittern geraubt haben soll.

 

 

Wir rasen hinunter nach Naisa. Und dann weiter nach Schammelsdorf, oben am Hügel. Beim VP Brauerei Knoblach steht ein Fässchen Bier bereit und ich sehe nun auch ein DIN-A4-Blatt mit dem Namen des VP und der Kilometerposition für Marathon und Halbmarathon, dessen Strecke hier wohl zu uns stieß. Ansonsten fehlen leider Km-Markierungen auf der Strecke. Deren Verlauf ist dafür hervorragend markiert.

Judith genehmigt sich jetzt öfter mal eine Bierprobe, wenn auch homöopathisch dosiert. Ich halte mich zurück, da ich nachher noch Auto fahren muss. Wir drehen in ein breites Tal. Vor uns die Ortschaft Lohndorf. Links das Naturwaldreservat Lohndorf mit dem 560 Meter hohen Stammberg. Rechts von uns geht es bis auf 596 Meter hoch zum Brandholz. Wir sind aktuell so auf 330 Metern über dem Meer.

Unvorbereitet wie ich bin, kommen mir die Kirchtürme hier alle bekannt vor. Die Türme aus hellem Stein mit einer sehr hohen und spitzen Metallkappe. Diese sind wiederum von vier Ecktürmchen flankiert. Anzumerken wäre  noch, dass es aus vorchristlicher Zeit hier in der Gegend viele Hügelgräber gibt.

Einiges an Kunst erwartet uns auf der fränkischen Straße der Skulpturen. Ein Betonblock entpuppt sich als Transistorradio. In Lohndorf dann eine große Figur, die in den Himmel schaut. Die Brauerei Hölzlein ist auch was fürs Auge, so schön herausgeputzt. Der Blumenschmuck mit vielen Agaven mutet schon sehr südländisch an.

 

 

Die Anstiege hören nicht auf und werden auf der zweiten Hälfte des Laufs zu einer größeren Herausforderung. Unentwegt kommen uns nun Wandergruppen entgegen, die zu 100% aus Männern bestehen. Anscheinend zieht der 13-Brauereien-Wanderweg keine Damen an. Und Bierflaschen werden hier getragen wie andernorts Wanderstöcke. Mit etwas Glück feuert uns der eine oder andere Wanderer an. Ansonsten ist es heute zuschauertechnisch sehr mau, wie man es von vielen italienischen Marathons auch kennt.

Vor Melkendorf erreichen wir den höchsten Punkt der Strecke. Schwungvoll hinab ins Dorf führt ein Schlenker in den Hof der Brandholz-Brauerei, ehemals Winkler. Einige Bürger haben nach der Einstellung des Braubetriebs die Anlage aufgekauft, um in den Räumen Flüchtlinge unterzubringen. Da die Braugeräte noch vorhanden waren, startete auch wieder ein Hobby-Braubetrieb. Und im Biergarten können die Anwohner dann ihr lokales Bier trinken und mitgebrachtes Fleisch selber grillen. Heute herrscht hier viel Stimmung, da man auch an die Laufenden das flüssige Gold ausschenkt. Ich habe inzwischen Gefallen an Brot mit „Obatztem“, einer pikanten bayerischen Käsezubereitung, gefunden.

Nochmals geht es nun spürbar bergab. Der Mais von den Feldern ist geerntet. Anscheinend war es hier nicht ganz so trocken in diesem Sommer. In Geisfeld beim Landgasthof Büttel treffen wir auf bekannte Strecke. Endlich kann ich bei Zwiebelkuchen und der fränkischen Spezialität „Schäufele“, einem Braten aus der Schulter des Schweins, zuschlagen. Eine neue Getränkekreation, bestehend aus Bier und Iso, nenne ich in Anlehnung an das Radler die „Läuferin“. Ich denke aber nicht, dass dem Getränk nachhaltiger Erfolg beschieden sein wird.

 

 

Dann ab km 36 eine Variante: ein kurzes Stück auf einem Trampelpfad. In Amlingstadt können wir am Gasthaus Schiller wieder unseren Flüssigkeitsverlust ausgleichen. Der Schwanenkeller wird nur tangiert. Die A73-Talbrücke wird nun auf der anderen Talseite unterquert. Der Felsenkeller ist auch geschlossen. Harald, ein nicht weit von hier ansässiger Oberfranke, hat sich zu Judith und mir hinzugesellt. Wir kennen ihn als Pacer von einigen Marathons. In zwei Wochen sehen wir uns in München.

Ein Ziel habe ich vor Augen: allen kulinarischen Ablenkungen zum Trotz unter 5 Stunden zu bleiben. In Strullendorf wird ein Weg zu den Duschen in einer Schule gewiesen. Aber wir sind noch nicht so weit. Vor dem Rathaus wird gerade eine Hochzeit gefeiert. Wir biegen in die nette Lindenallee und erreichen den letzten VP  bei Kilometer 40. Da geht die Post ab. Wir fassen uns kurz. Bier in Kölschglasmengen kann man quasi im Vorbeilaufen runterspülen. Die Brennerei Motzelhof, gleich nebenan, schenkt nichts aus, was Autofahrern nur recht sein dürfte.

Mir fällt wieder einmal auf, wie gepflegt die Ortschaften hier sind. Unser Ministerpräsident, ein gebürtiger Franke, scheint seine Heimat nicht zu vergessen. Schwungvoll bergab. Wir sehen die Parkplatzwiese. Dann ist es nicht mehr weit. Holzschilder zählen die letzten Viertelkilometer herunter. Noch mal durch das Zelt. Wir werden von der Trachtenkapelle mit einem kräftigen Tusch empfangen!

 

 

Die Medaille ist eine BieruhR. In spezifischer Schreibweise mit großem R am Schluss. Was das ist, frage ich mich. Da ist ja nur ein Zeiger? Und eine Zehner-Einteilung? Damit kann ich künftig den Überblick über meinen Bierkonsum behalten, erklärt mir Andy. Praktische Sache und mehr als 10 Gläser schaffe ich sowieso nicht.

Wir genießen die musikalische Unterhaltung in der warmen Sonne. Die Zielverpflegung wird immer umfangreicher, denn von den Verpflegungsstellen werden die übrig gebliebenen Leckereien angeliefert. Und das Bier fließt in Strömen. Wobei das Kuchenbuffet auch nicht schlecht ist.

Nach der Übergabe der Urkunden an die AK-Siegerinnen und -Sieger beginnt die Party im Zelt. Besser als Oktoberfest.

 

Nachschlag:

 

Die Veranstaltung geht mit einer geführten Stadt- und Brauereibesichtigung bzw. einem Frühschoppen am Sonntag weiter. In der traditionsreichen Biergaststätte „Schlenkerla“ in Bamberg trifft man sich auf ein Freibier und Weißwürste. Im Mittelpunkt steht diesmal nicht das bekannte Rauchbier, sondern das Heinzlein-Bier, das auch gestern im Ziel ausgeschenkt wurde. Dabei handelt es sich um ein alkoholarmes Bier, das nach einem alten, kürzlich wiederentdeckten Rezept gebraut wird. Im Gegensatz zum alkoholfreien Bier wird bei der Herstellung auf viele Tricks und Prozesse verzichtet. Es kommt durch ein natürliches Verfahren nur auf 0,9% Alkoholgehalt und liegt damit unter dem zulässigen Gehalt von Traubensaft. Und wie uns der Wirt, Braumeister Matthias Trum, erzählt, braucht man dafür auch keine Kohlensäure, die ja auch bald Mangelware sein kann. Neben der Verkostung lokaler Biersorten kann man hier also auch noch viel über die Braukunst lernen.

Da es inzwischen in Strömen regnet, fällt unsere private Stadtbesichtigung des „fränkischen Roms“, wie Bamberg wegen seiner sieben Hügel auch genannt wird, leider ins Wasser.

Und so beenden wir ein schönes Laufwochenende leider zu früh.

Aber einer Neuauflage in zwei Jahren steht ja nichts im Wege.

 

Siegerinnen

1. Hötte, Kerstin        3:39:33               

2. Grüneberg, Nadine 4:14:19                     

3. Lehmberg, Stefanie 4:14:19

 

Sieger

1. Wilms, Robert        2:55:38                     

2. Schumann, Thomas 3:31:38                     

3. Tietgen, Hans         3:31:39                     

 

68 Finisher

6 Staffeln

 

 

 

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