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Laufberichte

Bärenstark wie ein Feller

 
Autor: Joe Kelbel

Dieses Frühjahr brachte das schönste Laufwetter, das es je gab. Doch ich war nur selten laufen. Macht auch keinen Sinn, wenn man gesagt,bekommt, dass wir sterben werden. Im Kreis Birkenfeld ist schon einer der 80.720 Einwohner an der Seuche gestorben. 82 Einwohner waren infiziert. Der Bärenfels Sommertrail startet in diesem Landkreis, also ist das rheinlandpfälzische Gesundheitsamt für die Genehmigung eines Marathonlaufes zuständig.

Die Familie Feller, die diesen Lauf über 55, 42 und 21 Kilometer organisiert, war persönlich bei der Ortspolizei, Abteilung Ordnungsamt, um das fünfseitige Hygiene-und Schutzkonzept vorzulegen, das sie entwickelt haben. Wie ein Rekrut bei der Musterung, mit runtergelassenen Hosen, so stand Robert  Feller vor dem Hygienebeamten in Birkenfeld und ließ sich belehren.  

Oma Jutta (82) und Opa Franz (84, mindestens 120mal die 100 km) waren allerdings nicht dabei.  Jutta ist wacklig auf den Beinen, Franz läuft noch täglich 5-10 Kilometer, nimmt aber nicht an Wettkämpfen teil: „ Da sind mir zu viele alte Leute“.  Der Sommertrail ist gut für alte Leute: Start. 8 Uhr, Zielschluss 18 Uhr. Wer mehr Zeit braucht, macht einen Frühstart.

 

 

Die Startnummern haben wir per Post bekommen, so gibt es keine Tröpfcheninfektion. Start- und Ziel ist auf der Kempeswiese. Diese Wiese war einst die Kampfwiese der Raubritter der Burg aus dem 13. Jahrhundert, die oberhalb der Wiese stand. Hier liegen Tote, die der Erzbischof von Trier zu verantworten hat. Wer keine Probleme mit Untoten hat, der kann campieren, ein glasklarer Altarm der Nahe lädt zum Baden ein.  Die Nahe wurde wegen des Baues der Autobahn verlegt. Die Grenze zwischen Saarland und Rheinland Pfalz verblieb beim Altarm. Mitten über die Wiese führt von West nach Ost ein etwas erhöhter Weg, es sind die Reste des Westwalls.

Nördlich vom ehemaligen Westwall steht das Bürokratiezelt, dort müssen wir alles unterschreiben, was in dem Konzept fürs Ordnungsamt vorgeschlagen wurde. Robert sitzt auf einem niedrigen Campingstuhl, sodass wir uns tief und demütig zu ihm hinabbeugen müssen.

Natürlich warten wir mit Mundschutz und in angemessenen Abstand, dann bekommen wir einen Rucksack mit Nahrung und Getränken. Die Flasche Wasser im Rucksack ist für die Füße. Robert macht das Briefing.  Ich kapiere, das ist heute eine ganz neue Strecke. Nach 4,5 und 9 Kilometern gibt es je einen VP, an dem man zuerst die Maske anlegen muss, dann reiht man sich mit Abstand von 1,5 Metern ein, bekommt die Hände desinfiziert, greift sich Coladose,  Wasserflasche und, Banane, geht weiter, setzt die Maske wieder ab und trinkt.

Bei Kilometer 10 wird die Nahe durchquert und nach 11 Kilometern erreicht man wieder die Kempeswiese, wo ich meine Eigenverpflegung deponiert habe. Marathonläufer machen viermal die 11 Kilometerrunde, Ultras fünfmal. Vom Ordnungsamt ist übrigens niemand anwesend, es ist zu früh.

Seit letzter Woche wären sogar 350 Läufer erlaubt gewesen, aber wer ist nach dem Lockdown fit genug, um hier anzutreten? Knapp 1400 Höhenmeter weist der Marathon auf, über 1600 der Ultra.

Wir starten direkt auf dem ehemaligen Westwall nach Westen. Nach 50 Metern biegt der Wall ab, hinauf zu den Höhen des Tales, das die Nahe gegraben hat. Ein schwer zu laufender Trail aus Hohlwegbündel führte einst hinauf zur Burg. Wilhelm Bossel vom Stein (Oberstein) wollte dem Bischof von Trier zuvorkommen und seinen Machtbereich Richtung Westen ausweiten. Er kam aber zu spät, der Bischof hatte ganze Arbeit geleistet und die Ritterburg zerstört. Wilhelm ließ wütend die gesamte Burg abtragen,  jeden Stein, und erbaute damit die Burg Nohfelden (Nahefelsen, 1285), die man eventuell im Osten sieht, wenn wir oben sind.  

 

 

Je höher wir kommen (über 500 Meter Höhe), desto öfters wechseln wir zwischen Saarland und Rheinland-Pfalz. Grund sind uralte Wasserrechte. Kein Herrscher durfte einem anderen Gebiet die Quellrechte nehmen, deshalb gibt es kleine Enklaven. Der Rohwiesfloß ist so tief eingegraben, dass er deutlich die Grenze darstellt. Dies ist ein wunderschönes Trailgebiet, alle Achtung! Viele Veranstalter nennen ihren Lauf „Trail“ und meinen damit Wirtschaftswege. Die neue Strecke des Bärenfels Sommertrails besteht aber in weiten Teilen aus herrlichen Singeltrails, zumindest, solange es abwärts geht.  Der erste VP steht am östlichen Ende der Kempeswiese, durch das Gebüsch sieht man das Start/Zielgelände.  Neben den Fellers sind fungieren die Helferichs als Veranstalter. Wie der Name schon sagt, die helfen überall. Gernot macht die Zeitnahme und die Finisherfotos. Ansonsten ist er noch immer ein exzellenter Läufer.

Ich lasse den ersten VP aus, das Vorschriften-Prozedere ist mir zu kompliziert. Stattdessen beginne ich den Aufstieg zum zweiten Teil des Trails. Es gibt richtig steile Stellen, aber auch Abschnitte, in denen man sehr gut laufen kann. Oben am Talrand weht ein angenehm kühler Wind mit Sprühregen. 27 Grad wird es im Laufe des Tages geben. Deshalb werde ich auch nach sechs Stunden diesen Marathon nicht beendet haben.

Es geht hinunter, man hört wieder die Autobahn, die die Nahe begleitet, dann wieder hinauf. Ahnungslose Läufer posieren vor den Stauden des Riesenbärenklau. Das Zeug  hat wenig mit dem Bärenfels zu tun, sondern kommt aus dem Kaukasus und macht höllische Verbrennungen, wenn man ihn berührt.  Wieder oben, grüßt ein mit Elektrozaun umgebenes Maisfeld: „Achtung Vorsicht Lebensgefahr“. Tatsächlich ist an den Zaun ein großer Generator angeschlossen. Der Strom soll aber nicht Menschen, sondern Fraßfeinde abhalten, die den genveränderten Mais verteilen könnten. Ich kann mir darüber gerade keine Gedanken machen, es geht wieder abwärts. 

 

 

100 Meter Asphalt, wir überqueren die Autobahn. Dahinter auf dem Asphalt jede Menge Anweisungen und Abstandsmarkierungen, hier ist der zweite VP. „Moment, Moment“ ruft mir Andrea entgegen, „ erst Maske aufsetzen!“ – „Ähm ja, eigentlich wollte ich ja …“-  „Hände her, es wird desinfiziert!“  Alles ein bisschen kompliziert und ungewohnt, aber lustig, neuartig und scheißegal.

Interessant wird es unten an der Nahe. Die ist wild romantisch. Kurz vor der Querung muss man einen Baumstamm meistern. Da steht man davor und überlegt, ob unten oder oben rum. Die Nahe ist zum Glück heute flach, Schwemmholz kündet von anderen Zeiten. Ja,  man bekommt nasse Füße. Auf der ersten Runde weniger, aber je schwächer man wird, desto mehr. Hechte und Krebse soll es hier geben, also Vorsicht! Vor dem Autobahntunnel, wo der Bärenfels Heiligabendlauf startet, kommt man hochgekraxelt, läuft durch den Tunnel und dann hinauf, wieder auf die Kempeswiese.

Die Rundenlänge von 11 Kilometern ist optimal. So optimal, dass ich noch in der vierten Runde überlege, ob dies noch die richtige Strecke ist, weil alles so neu aussieht. Aber Robert hat den Trail so gut markiert, dass man auch im Läufertran nicht den Weg verliert.

Der neue Trail ist wirklich gut. Das stetige Auf und Ab beschert uns ein Wechsel  zwischen Anstrengung und genialem Abwärtslauf. Da ich mich hygienegerecht gleich vom Läuferfeld habe zurückfallen lassen, begegne ich allerlei Getier:  Rehbock, Schmetterlinge und Mücken glotzen mich ungläubig an und sagen: Der Typ da, der ist bärenstark wie ein Feller!

Der nächste Lauf der Fellers wird der Mai Trail sein, der am 1. Mai stattfinden sollte und im Herbst (September/Oktober 2020) nachgeholt wird. Der Termin wird noch bekannt gegeben. Turnusgemäß findet dann der 19. Bärenfels Heiligabend Lauf (8,5km/Marathon) am 24. Dezember 2020 statt. Dazu  kann man sich jetzt schon anmelden, Voranmeldungen sind übrigens  Pflicht.

 

 

Informationen: Bärenfels Sommer Trail
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