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Laufberichte

Trailrunning Party im Gasteiner Tal

 

Trailrunning ist „in“, vor allem in alpinem Umfeld. Und so schmückt sich mittlerweile schon fast jedes Alpental, das etwas auf sich hält, mit einem entsprechenden Laufangebot. Das vor allem bei Wintersportlern weithin bekannte Gasteinertal im Pongau im Salzburger Land macht da keine Ausnahme und bietet seit nunmehr vier Jahren mit den „Infinite Trails“ reichlich Gelegenheit, die Bergwelt beidseits des 40 km langen Tales sozusagen im Schnelldurchlauf und ohne Schneeverzierung kennenzulernen. Denn davon haben diese Ausläufer der Hohen Tauern zumeist reichlich.

Geboten wird ein Potpourri aus Team- und Individualläufen. Im Mittelpunkt steht dabei das Team-Race: Drei Starter – drei verschiedene „Loops“ – eine gemeinsame Wertung, lautet das Motto. 21, 35 und 44 km messen die Loops, wie Konfektionsgrößen mit S, M, L bezeichnet, in Summe also insgesamt 100 km mit zudem summa summarum satten 7.700 Höhenmetern.

Der Loop L über 43,7 Kilometer mit 3.080 Höhenmetern stellt gleichzeitig das Bindeglied bzw. die Schnittmenge zu den Individualläufen dar. Den kann man also im Team oder einzeln unter dem Kürzel 45K absolvieren. Ansonsten sind die weiteren Parcours der Solisten beim 60K, 30K und 15K andere als im Team. Bei diesem vielgestaltigen Streckenangebot wird die Bezeichnung „infinite“ = unendlich im Veranstaltungsnamen schnell plausibel.

Man hat also die Qual der Wahl, wobei ich mich zugegebenermaßen nicht wirklich quälen muss und mich schnell für den 45K erwärme: Maximal viel sehen und erleben und dafür auch maximal viel Zeit haben, konkret bis zu 13,5 Stunden bis zum Zielschluss um 20 Uhr, das erscheint mir für jemand, der aus der Liga der Berggämsen ausgeschieden ist, gerade recht und machbar.

 

Trailkapitale Bad Hofgastein

 

Bad Hofgastein, mit fast 7.000 Einwohnern die größte und zentralst gelegene Gemeinde im Gasteinertal, ist die „Trail-Kapitale“. Hier, in 859 m Höhe, wird gestartet und gefinisht und hier findet auch das komplette Rahmenprogramm statt. Die Kurpromenade mit dem Start-Zielgelände im Herzen des Ortes bildet sozusagen die Kernzone, die anderen für die Veranstaltung relevanten Örtlichkeiten – Kongresshalle, Kursaal, Alpentherme – sind jeweils nur ein paar Schritte entfernt.

 

 

Das Kongresszentrum ist erster Anlaufpunkt, um die Startnummer zu bekommen. Den bereits gepackten Laufrucksack muss man mitbringen, denn zunächst gilt es, vor den gestrengen Blicken der Pflichtgepäckkontrolleure zu bestehen. Und die lassen sich tatsächlich alles gemäß Liste Erforderliche zeigen. Groß ist der Auftrieb kurz vor 18 Uhr, als ich eintrudle. Schon hier fällt auf: Es sind fast nur Starter im Alter 20 bis 35 Jahren, die sich die gute und ausgelassene Laune durch die langen Warteschlangen nicht verderben lassen. Erst mit dem Athletenarmbändchen als Insignie des Bestehens der Gepäckkontrolle werde ich zur nächsten Warteschlange vorgelassen und bekomme mit der Startnummer auch gleich ein chices Badetuch. In diesem Moment ahne ich noch nicht, welch große und praktische Bedeutung das Tuch für die Veranstaltung hat. Jedenfalls verpasse ich das Race Briefing um 18 Uhr im Kongresssaal. Aber so viel vorweg: Die Organisation ist perfekt und das gilt insbesondere auch für die Streckenmarkierung und -betreuung, sodass man das verpasste Briefing verschmerzen und im Übrigen auch online absolvieren kann.

 

Start im Morgengrauen

 

Im Läuferhotel „Österreichischen Hof“ direkt neben dem Startgelände bin ich perfekt untergebracht. Schon um 5 Uhr morgens bekomme ich hier am Samstag ein Frühstück, eine gute Basis für einen langen Lauftag. Früh geht es los mit den Starts, durchgetaktet im Halbstundenrhythmus. Die ersten, die am Morgen „dran“ sind, sind die Läufer der längsten Distanz: des 60K. Es ist noch dunkel, als der Startmoderator, untermalt vom Gewummer aus der Box, um Punkt 6 Uhr das Startsignal für die etwa 120 Starter gibt.

Nur kurz kehrt Ruhe ein. Schnell füllt sich der Startkanal mit dem sehr viel größeren Pulk der etwa 350 45K- und 30K-Starter. Mit lautstarker Musik werden wir auf Touren gebracht - und der Rest der Anwohner wohl auch. Jedenfalls verfehlt die Musik ihre Wirkung nicht und der Startmoderator tut das Übrige, die Läufer heiß auf den Start zu machen.

 

 

Punkt 6:30 Uhr ist es auch für uns so weit. Dynamisches Getrappel erfüllt im bleichen Licht des jungen Morgens die Straßen des Ortes. Nur kurz währt die Einlaufphase über den Asphalt der innerörtlichen Gassen. Schnell erreichen wir via Wasserfallgasse den Ortsrand und schon setzt die Steigung ein. Ein zunächst noch breiter Naturweg führt uns direkt hinein ins dichte Grün des Kronwalds. Kaum liegt der erste Kilometer hinter uns, geht es über Stiegen und Holztreppen steil bergan. Dicht an dicht reihen sich die Läufer, staut es sich gar bisweilen, denn auf dem schmalen Single Trail ist Überholen unmöglich. Schwer keuchend ist mir das gar nicht unrecht. Deutlich langsamer kommen wir zwar voran, aber dafür umso schneller hinauf. Wild und malerisch rauscht ein Wasserfall neben uns.

Aus dem dichten Wald treten wir hinaus in grüne Almwiesen und blicken erstmals auf das unter uns liegende Bad Hofgastein. Weiter schlängelt sich der Weg steil nach oben und verschwindet erneut im Wald. Hinter dem Annencafe nach gut zwei Kilometern setzt sich der 30K-Kurs ab. Für die Läufer des 45K geht es über einen wurzeligen Pfad ein kurzes Stück noch hinauf, bis dieser plötzlich in eine breite Forststraße einmündet.  

 

Über die Poserhöhe

 

Wieder flach und schon bald überaus aussichtsreich gleitet die Forststraße hoch über dem Gasteinertal dahin. Im flotten Laufschritt geht es mit weitem Blick über die Bergwelt jenseits des Tales voran. Im ersten Sonnenlicht erstrahlen matt die Gipfel und Kämme. Faszinierend: Bis hier hinauf ertönen die Geräusche des Startgeländes tief unter uns und ich bilde mir ein, gerade den Start der Teamläufer zu erleben. Um 7 Uhr werden die etwa 100 Teams bzw. deren 300 Mitglieder alle miteinander auf ihre Laufreise geschickt.

Der Forstweg mäandert schließlich als Asphaltband durch die Almlandschaft. Das ändert sich allerdings schlagartig nach 4,5 km: Dem Planitzenweg folgend erreichen wir wieder trailiges Terrain und der schon bald wieder ausgesprochen profiliert dahin führende Trampelpfad hat es in sich. Von Stein zu Stein springend queren wir nach 5 km den Gadaunerner Wildbach und dürfen in dessen Umfeld die Schlammtauglichkeit unserer Trailtreter austesten.

 

 

Entspannte Forstwegpassagen und lange Waldpfade, mal auf weichem Nadelbelag, mal über Stock und Stein führend, gewürzt mit einigen satten Steigungen, wechseln einander ab - Trailrunning pur eben.

Die nach 9,5 km wie aus dem Nichts auftauchende Poserhöhe (1.514 m üNN) bedeutet in mehrfacher Hinsicht einen Einschnitt: Erstmalig dürfen wir hier oben im Licht der nun gleißenden Morgensonne baden. Wunderschön und mit weitem Blick in die Berglandschaft ist die Lage des malerisch in die Alm eingebetteten Alpenhauses. Der erste Kulminationspunkt unseres Laufkurses ist erreicht.

Leichter wird es dadurch aber nicht. Denn der steil durch den Wald bergab führende, schmale und technisch anspruchsvolle Zwergalweg fordert volle Konzentration. Und die 450 Höhenmeter, die ich beim vorsichtigen Downhill-Run hinab in Kötschachtal verliere, quittieren meine Oberschenkelmuskeln mit einem irritierten Zucken.

Aber die „Rettung“ ist nahe. Im Hoteldorf Grüner Baum im Talgrund ist nach 11,4 km die erste von sieben Verpflegungsstationen eingerichtet. Und bei kühler Wassermelone und gesalzenen Gurkenscheiben stellt sich das Wohlgefühl in den Beinen schnell wieder ein.

 

Auf und Ab über den Graukogel

 

Die nächste Etappe über den Graukogel bzw. für uns nur bis zur Mittelstation der Bergbahn ist anders das erste Wegstück weniger von holprigen Pfaden, als von breiten Forstwegen geprägt. 400 Höhenmeter sind dabei zu bewältigen. Zwar nicht besonders steil, aber dafür beständig führt der Weg in weiten Serpentinen durch den Nadelwald nach oben. Nicht besonders spannend ist das, wenn auch nicht besonders anstrengend, wenn man das nicht zwingend laufend bewältigen will. Weiter oben lichtet sich der Wald und für Abwechslung sorgen ein paar nette Ausblicke gen Tal. Dennoch bin ich froh, nach 15,2 km die Mittelstation und damit schon die nächste Verpflegung erreicht zu haben. Gegenüber kann von hier den höchsten Punkt des Streckenkurses, den Tischkogel erspähen. Bis zum Gipfel liegen aber noch einige Kilometer und vor allem Höhenmeter vor uns.

 

 

Bergab macht das Ganze nun deutlich mehr Spaß. Auf dem bequemen Forstweg kann ich es recht locker dahin rollen lassen. Ein paar ausgesetzte, steile Waldpfade sorgen für Abwechslung. Unter mir rücken die altehrwürdigen Hotelpaläste Bad Gasteins näher und viel fehlt nicht mehr, über Asphalt im Ort einzulaufen. Aber das ist nicht der Plan. Ehe ich mich versehe, geht es schon wieder weg von der Zivilisation und durch den Wald einmal mehr bergan, weiter dem Talschluss des Gasteinertals entgegen.

Der Böcksteiner Waldweg, dem wir folgen, wird allmählich grüner und schmäler und eröffnet schöne Fernsichten in das sich immer mehr verengende, waldreiche Tal. Der Weg senkt sich schließlich ab bis zur Bahntrasse, die dieses Waldidyll durchschneidet. „Wie in Norwegen“ meinen zwei Mädels, die mich überholen. Und so ist es. Ein kleiner Tunnel führt auf die andere Seite der Trasse. Durch sonnenbeschienene Wiesen, vorbei an hübschen alten Häuser und über die durch das Tal rauschende Gasteiner Ache hinweg erreiche ich nach 22,4 km in Böckstein den nächsten Versorgungspunkt.

Halbzeit bedeutet dies und gerne verweile ich an diesem lauschigen Flecken mit Parkbänken und sprudelndem Brunnen etwas länger. Wohl auch, weil ich weiß: Jetzt wird es hart. Richtig hart. Etwa sechs Kilometer bis zum Gipfel des Tischkogels liegen vor mir. Vor allem aber 1.300 Höhenmeter und pralle Sommersonne. Beruhigend ist zumindest, dass ich noch viiiel Zeit habe. Frisch gestärkt und motiviert mache ich mich auf.

 

Aufstieg zum Tischkogel

 

Auf einem zunächst noch breiten, steinigen Pfad schlängelt sich unser Kurs in vielen Kehren nach oben. Der Bergwald bietet anfangs noch Schatten und Kühle vor der intensiver werdenden Sonne. Zunehmend steiler, ausgesetzter, schmaler und damit auch mühseliger werden jedoch Pfad und Anstieg. Von meinen Laufstöcken unterstützt schiebe ich mich Schritt für Schritt über Fels, Wurzeln und den in besonders steilen Passagen gestuften Untergrund.

Zunehmend merke ich, wie mir die Puste ausgeht. Die Gehpausen zum Luftschöpfen werden häufiger und länger. Zumindest kann ich die Auszeit zum Fotografieren nutzen, vor allem, wenn der Waldvorhang mal den Blick auf Berg und Tal freigibt. In einer offenen Wiesenpassage merke ich geradezu, wie ich in der Sonne gebraten werde, der Schweiß fließt in Strömen. Froh bin ich, wieder in den Wald eintauchen zu können.

 

 

Mit der nach 26 km luftig auf 1.872 m üNN gelegenen Almhütte auf der Zittrauer Alm erreiche ich die Baumgrenze. Friedlich grasen hier Pferde in den sattgrünen Almwiesen und lassen sich von den direkt an ihnen vorbei trottenden Läufern nicht beirren. Aufgrund der warmen Witterung wird auf der Alm außerplanmäßig Wasser ausgeschenkt - ein wahrer Segen.

Ein in engen Kehren einen Steilhang emporführender Pfad führt mich auf einen breiten grünen ebenso wie schattenlosen Grat, der direkt in Richtung des sich vor mir noch ein paar hundert Meter höher auftürmenden Gipfels führt. Zumindest habe ich das Ziel nun schon mal vor Augen. Selbst dies und die sich mittlerweile temperaturmindernd auswirkende Höhe ändern aber nichts am permanenten „Der Stecker ist raus“-Gefühl. So mühe ich mich eine gefühlte Ewigkeit den nicht enden wollenden steinigen und zuletzt mit reichlich Fels verblockten Steilhang gen Gipfel empor.

 

 

Andererseits: Um mich herum öffnet sich zu allen Seiten ein wunderbares, weit in die Ferne reichendes Panorama über die Gasteiner und weiter umliegende Bergwelt. Ohne Zweifel, die folgenden Kilometer sind „das“ landschaftliche Highlight des Streckenkurses.

Irgendwie und irgendwann habe ich es geschafft, ich stehe nach 28 km am Gipfel des Tischkogels, dem mit 2.432 m üNN höchsten Streckenpunkt. Einer der vielen gut gelaunten Streckenposten erwartet mich hier und ich strecke erst einmal alle Viere von mir, die Berglandschaft und die Ruhe genießend. Ein finales Gipfelfoto mit Gipfelkreuz und ich mache mich mental gestärkt auf zum nächsten „Filetstück“ des Streckenkurses: Der Querung des Grats vom Tisch- zum benachbarten Stubnerkogel.

 

Über den Felsengrat vom Tisch- und Stubnerkogel

 

Im Gegensatz zum einsamen Tischkogel ist der fast zweihundert Meter niedriger gelegene Stubnerkogel touristisch voll erschlossen. Auch eine Bergbahn führt von Bad Gastein aus auf dessen Gipfel. Schon aus der Ferne sehe ich die diversen Aufbauten.

Der erste Abschnitt des Grats hat es in sich. Denn steil stürzt der Pfad zunächst in engen Windungen in die Tiefe. Einzelne Passagen sind gar seilversichert. Einige Wanderer sind hier wie auch schon zuvor unterwegs. Freundlich und auch anfeuernd lassen sie mir den Vortritt, auch wenn ich nicht wesentlich schneller bin. Aber das sportliche Outfit macht eben den Unterschied.

An einer besonders aussichtsreichen Stelle lasse ich mich erneut in der Wiese nieder. Schöner wird es heute nimmer, denke ich mir, und das Gröbste ist überstanden. Der ausgesetzte Pfad geht in einen komfortableren Naturweg über. Zur Rechten erspähe ich eine über dem senkrecht abfallenden Fels wie ein Ufo thronende Aussichtsplattform, zu der ein im Steilhang „klebender“ Gitterweg inkl. Hängebrücke hinführt. „Glocknerblick“ nennt sich das, blickt man von hier doch bis zu Österreichs höchstem Berg, dem 3.798 m hohen Großglockner. Um das auf 2.246 m üNN gelegene, gut frequentierte Gipfelrestaurant herum und unter den Gondeln der Bergbahn hindurch gelange ich nach 30,1 km zum ersehnten nächsten Verpflegungspunkt.

 

 

Wie an allen Stationen erwarten mich auch hier überaus freundliche, motivierte wie motivierende Helfer, die sich rührend um die mittlerweile raren Ankömmlinge kümmern. Alle Posten sind in gleicher Weise verpflegungstechnisch bestückt: Wasser, Iso, und, besonders wichtig, Cola. Dazu  gibt es diverses Obst, Gurken, Energieriegel und -gels, Nüsse, Salzbrezeln etc.. Besonders charmant ist ein kleines Mädel, das eifrig mitwerkelt und meint: „Du bist der öideste Mo, der heut hier vorbei kemma is“. Tja, so ist es wohl. Und es deckt sich auch mit meinem Eindruck. Fast ein Viertelstündchen bleibe ich und lasse mir final noch einen Schwamm kalten Wassers über dem Nacken ausdrücken.

Gleich hinter der Verpflegung blicke ich auf ein weiteres Gipfelhighlight: Eine 140 Meter lange und lediglich einen Meter breite Hängebrücke mit transparenten Boden und Maschendrahtgeländer. Schwindelfrei sollte man bei der schwankenden Querung schon sein, blickt man doch bis zu 28 Meter in die Tiefe. Die Zeit, dies auszutesten, nehme ich mir dann aber doch nicht. Ein langer Weg steht mir noch bevor.

 

Der lange Abstieg ins Tal

 

Zumindest führen die noch vor mir liegenden knapp 14 Kilometer weitgehend bergab. Was nicht heißt, dass nun „easy going“ angesagt wäre. Steil schlängelt sich ein ausgesetzter Weg durch die Almen in die Tiefe. Der fantastische Blick ins vor und unter uns liegende Gasteinertal sollte nicht allzu sehr ablenken, sonst werden die zahlreichen Steine schnell zur Stolperfalle. Eine friedlich im Almgras wiederkäuende Kuhherde nimmt den Läuferabtrieb gelassen. Nach 32 km erreiche ich die gut besuchte, gemütliche Stubneralm. Von den Gipfelwiesen abgeleitet werden wir hier auf einen Forstweg, der uns zurück in bewaldete Regionen führt.

Die durch den Wald gen Tal führenden breiten Schneisen der Skipisten sind unser weiteres Laufrevier. Angenehm ist dies, solange sich der Weg in Serpentinen hindurch schlängelt. Doch unangenehm wird es, als er direttissima über die Wiesen in die Tiefe führt. Sehr einsam ist es um mich herum geworden. Nur ab und an preschen Läufer an mir vorbei. Aber es ist nicht mehr die Nachhut der 45K-ler, sondern es sind dynamische 60K-Läufer, die auch steilen Abhängen unerschrocken trotzen. Verwunschen wirkt der Wald, sind doch die Felsen zu meiner Linken über und über mit Moos bedeckt.

 

 

Sich in der Landschaft zu verirren, ist fast unmöglich. Mit Wegweisern, Flatterbändern sowie Pfeil- und Punktmarkierungen am Boden ist der Kurs mustergültig ausgewiesen. Und an wichtigen Abzweigungen sind Helfer postiert. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich: Gefangen in Läufertrance kann es trotzdem passieren, dass man Zeichen nicht wahrnimmt. Aber heute passiert mir das nicht.

Der dichte Wald währt bis hinunter ins Angertal. Hier wartet nach 35,8 km die letzte Möglichkeit zur Verpflegung vor dem Ziel, bevor sich der Downhill Run durch den Wald, hinab in ein kleines Tal mit wild rauschendem Bach, fortsetzt.

Nach dem Motto „eine geht immer noch“ steht ein finaler Anstieg im Streckenprogramm, der uns bei den aufsummierten Höhenmetern endgültig über die 3000er-Marke katapultiert. Unspektakulär über kleine Asphaltsträßchen geht es bergan, ehe uns wieder ein schmaler Pfad durch Wald und Wiesen endgültig unserem Ziel näherbringt. Schöne Blicke eröffnen sich über Bad Hofgastein, ehe wir, unter einem Eisenbahnviadukt abtauchend, final in den Ort vorstoßen.

Schon Kilometer zuvor war die Stimme des Zielmoderators in der Einsamkeit der Landschaft zu vernehmen, nun rückt der Ziellärm merklich näher, auch wenn wir nicht den direktesten Weg durch den Ort gen Ziel nehmen. Der letzte Kilometer führt auf einem Alleenweg an der Gasteiner Ache entlang, ehe er, einen kleinen Ziersee umkreisend und am Freigelände der Alpentherme vorbei, endgültig in die banden- und fahnengesäumte Zielgerade mündet.

 

Geschafft

 

Mit Beifall und namentlich wird jeder Einläufer vom Zielmoderatorenduo angekündigt und beglückwünscht. Erleichtert lasse ich mir die Finishermedaille umhängen und genieße ein erstes kühles Bier an der Zielverpflegung. Geschafft … das habe ich mir hart erkämpfen müssen. Aber mir geht es gut. Richtig gut.

Überaus relaxt ist die Stimmung im Zielbereich, aber lange hält es die meisten der einlaufenden Finisher nicht. Kein Wunder, das Laufevent ist noch längst nicht zu Ende. Aber fortgesetzt wird es an anderem Ort. Schon kurz vor dem Zieleinlauf durfte ich sehen und hören, wo: In der heute komplett für die Läufer reservierten Alpentherme. Und die ist nicht gerade klein. Fröhliche Partystimmung schallte mir da schon vom Freigelände mit dem großen Badeteich entgegen.

 

 

Wenig später habe auch ich mich, nun mit Handtuch und Badelatschen gerüstet, unters läuferische Jungvolk gemischt, das zu Hunderten feuchtfröhlich und musikbeschallt den sonnengefluteten Teich, die Außenpools, Liegen und Wiesen bevölkert. Nie habe ich mich bei einer Laufveranstaltung so als „alter Dackel“ gefühlt. Aber es ist trotzdem einfach nur schön. Am Finisher-Buffet im Thermenrestaurant kann man sich so viel und was man will auf den Teller laden, und das ist eine Menge: Vom Hühnercurry über obligate Pasta in diversen Variationen bis zum Kaiserschmarrn, Nachfassen eingeschlossen. Bier, Weinschorle, Wasser – alles dabei und so viel und oft wie man will. An einem Stand von Laufhauptsponsor Adidas Terrex hole ich mir ein Finisher-Shirt.

 

„It‘s Party“

 

Was mir da noch nicht bewusst ist: Der Höhepunkt steht noch bevor. Als ich frischgeduscht kurz vor 20:30 Uhr wieder in die Therme komme, ist es keinesfalls leerer geworden, aber das Geschehen hat sich von außen nach innen verlagert. Ich traue meinen Augen kaum. Proppenvoll ist der große Innenpool, bassstarke Deep House Musik wummert aus den Boxen, Lichtspots setzen farbliche Akzente. It’s Party! Eine große Bühne ist direkt am Pool für die Siegerehrung aufgebaut. Ein junger Typ entert die Bühne und macht die wartende Meute im Pool richtig heiß. Was folgt ist mehr Show als traditionelle Siegerehrung. Das aufgeheizte Partyvolk im Pool ist völlig aus dem Häuschen und feiert frenetisch jeden, der auf die Bühne geholt wird. Und das sind viele. Was sich da abspielt, kann man nicht wirklich in Worten beschreiben. Man muss es erleben und wird es nie vergessen. Das Ende der Siegerehrung bedeutet jedoch keineswegs das Ende der Veranstaltung: Der DJ legt nun für „dancing in the pool“ auf.

 

 

Und auch damit ist das Laufevent noch nicht vorbei: Am Sonntag sind alle Läufer vormittags zur Kaiserschmarrn-Party auf dem Stubnerkogel, Bergbahnfahrt inklusive, geladen. Dicht an dicht drängen sich die Läufer auf den Bänken der großen Außenterrasse des Gipfelrestaurants, ausgelassen nachfeiernd. Ein DJ sorgt für angenehme Hintergrundbeschallung. Ich genieße bei eitel Sonnenschein nicht nur den leckeren Kaiserschmarrn mit Zwetschenröster und Apfelmus, sondern nochmals ganz in Ruhe die wunderbare Fernsicht und hole nach, was ich gestern ausgelassen habe: Die Querung der Hängebrücke.

Die Infinity Trails im Gasteinertal setzen Maßstäbe, gehen neue Wege. Zielgruppe sind die dynamischen, erlebnishungrigen und fitten Läuferinnen und Läufer. Und davon gibt es offensichtlich eine ganze Menge. Sie kommen hier zusammen zum gemeinsamen Laufhappening mit reichlich Party inklusive. Zur Zielgruppe gehöre ich zwar nicht unbedingt, aber bin sehr froh, dies miterlebt zu haben. Vielleicht kommt das nächste Mal mein lauf- und partyaffines Töchterlein hier her. Nicht ausgeschlossen, dass ich sie begleite …

 

Informationen: adidas INFINITE TRAILS
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