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Laufberichte

Jungfrau for ever

11.09.05
Autor: Klaus Duwe

„Freude schöner Götterfunke“

 

Lange stand der 13. Jungfrau-Marathon auf der Kippe. Zu schlimm waren die Folgen der Hochwasserkatastrophe vor genau 3 Wochen. Nur der unermüdliche Einsatz von ungezählten Helferinnen und Helfern nicht nur beim Veranstalter, sondern auch in den Gemeinden, macht die Durchführung letztendlich doch noch möglich. Die Läuferinnen und Läufer bringen ihre Dankbarkeit und ihre Solidarität nicht zuletzt mit einer Spendenaktion zu Ausdruck. Es ist spürbar: Gäste, Aktive und die Bevölkerung sind sehr eng zusammen gerückt.

 

Zum Jungfrau-Marathon sollte man auf jeden Fall schon am Freitag anreisen. Das Rahmenprogramm am Vorabend des Laufes hat es nämlich in sich. Startnummerausgabe, kleine Marathonmesse und Pasta-Party sind da fast Nebensache. Fetzige Guggemusik und eine gekonnt aufspielende Rockband begeistern die Anwesenden. Der Saal ist nahezu voll besetzt. Auf den zahlreichen Bildschirmen ist der Lauf vom letzten Jahr zu  sehen. Die aktuelle  Wettervorhersage wird ausführlich erläutert und dann die Eliteläuferinnen und –Läufer vorgestellt. Hier sind alle eine Familie. Viele sind Stammgäste, und bei keinem Lauf in der Schweiz ist das Läuferfeld internationaler.

 

Dann wird es auch für mich Zeit. Ich schnappe meine Tasche und gehe die paar Schritte. Neben dem Kurhaus werden die LKW’s  mit den Läuferklamotten beladen. Alles Durcheinander, ohne Sortierung nach Nummern. Kopfschütteln bei den einen, Gelassenheit bei den anderen, die das schon kennen.

 

Auf dem Startgelände stimmen Alphornbläser und Fahnenschwinger Teilnehmer und Zuschauer auf das Großereignis ein - eine einmalige Atmosphäre. Die Stimmung unter den Läuferinnen und Läufer ist prächtig. Noch einmal wird uns bestes Laufwetter versprochen. Erst am späteren Nachmittag soll regnen. Es ist bedeckt, die Wolken hängen tief, aber es ist nicht kalt. 15 Grad werden es wohl sein.

 

Der Sprecher weist auf die großen Probleme nach dem Hochwasser hin und dankt allen Helferinnen und Helfern, aber auch der Bevölkerung, für ihren unermüdlichen Einsatz. Kaum hat er seine Dankesworte gesprochen, gibt es tosenden Applaus, Bravo-Rufe und die La-Ola-Welle. Die Jungfrau-Läuferinnen und -Läufer zeigen Solidarität mit der Region. Sie haben sogar eine Spendenaktion initiiert.

 

Jetzt werden die Favoriten vorgestellt. Auch bei den Eliteläufern hat der Jungfrau-Marathon eine große Fangemeinde. Viele sind jedes Jahr am Start, die Siegerin und der Sieger sowieso.  Neu sind in diesem Jahr die Pacemaker für Zielzeiten von 4:30 - 5:00 und 5:30 Stunden.

 

Punkt  9:00 Uhr dann der Startschuß, abgegeben von Horst Milde, dem Vater des Berlin-Marathon, gefolgt von lauten Böllerschüssen. Riesenapplaus brandet auf, als sich die 4.000 Läuferinnen und Läufer in Bewegung setzen. Es dauert nur zwei Minuten, und auch bin aus dem hinteren Feld über der Zeitmatte. Die Runde durch Interlaken ist herrlich. Schon in der Lindenallee spielt die erste Guggemusik. Richtig stimmungsvoll wird es dann am Bahnhofsplatz und in der Bahnhofsstraße, und als wir wieder am Jungfrau Viktoria vorbei kommen, kennt der Jubel keine Grenze. Drei Kilometer sind es bis hier hin. Über Lautsprecher bekomme ich mit, dass die Spitzengruppe bereits die doppelte Strecke zurückgelegt hat und in Bönigen ist.

 

Vorbei am Bahnhof Ost geht es nun Richtung Brienzer See. Das Feld ist bereits so weit auseinander gezogen, dass jeder seinen Rhythmus findet. Auf der gesperrten Verkehrsstraße kommen wir nach Bönigen (568 m), das schon immer eine Stimmungshochburg ist. Bereits am Seeufer geht es los. Eine Musikkapelle spielt auf, viele Leute haben sich versammelt und klatschen begeistert. Den Blick auf den See mit den tief hängenden Wolken lasse ich mir nicht nehmen. Ich höre schon von weitem die Burschen, die rechts und links der Straße mit ihren übergroßen Glocken für einen ganz eigentümlichen  Klangteppich sorgen. Ich bin mir schon hier sicher, dass viel mehr Menschen als sonst den Jungfrau-Marathon mit feiern. Viele Läufer geben den Applaus zurück und bedanken sich so bei der Bevölkerung, dass dieser herrliche Lauf heute stattfindet.

 

Auf dem Weg nach Wilderswil (585m - 10 km) führt die Strecke ein gutes Stück an direkt am Flüsschen Lütschine entlang, das noch immer viel Wasser führt. Trotzdem kann man sich kaum vorstellen, was sich hier vor genau drei Wochen abgespielt haben muss. Der Weg ist tadellos hergerichtet und wunderbar zu laufen. Hin und wieder sieht man Schuttberge und Schwemmholz. Das Wetter entwickelt sich genau wie vorher gesagt. Die Sonne gewinnt gegenüber den Wolken immer mehr die Oberhand. Dort, wo es keinen Schatten gibt, ist es bereits recht warm.

 

Nach der uralten Holzbrücke geht es zuerst recht steil, dann gemächlich steigend weiter über Gsteigwiler, Zweilütschinen (652 m – 15 km) nach Lauterbrunnen (810 m – 21 km), dem Marathondorf unter dem Staubbachfall. Über Lautsprecher kommt die Information, dass die Spitze des Feldes bei km 30 Wengen verlässt.
 
Die Straße in Lauterbrunnen ist bunt geschmückt und die Atmosphäre unbeschreiblich. Die Menschen stehen dicht gedrängt und machen einen Heidenlärm. Keiner hat die Hände in der Tasche, alle machen mit. Hier treffe ich Wolfgang, der im letzten Jahr bei Kilometer 38 aus dem Rennen genommen wurde. Er hatte die Sollzeit knapp überschritten. Seit einem ¾ Jahr bekommt er ein neues Medikament gegen seine Leukämie. Dadurch geht es ihm viel besser und er ist sicher, dass er es heute schafft.

 

Beim Campingplatz ist dann die Halbdistanz erreicht und die Zwischenzeit wird genommen. Die Strecke führt weiter ins Tal hinein, bis es auf der Fahrstraße leicht abwärts wieder Richtung Lauterbrunnen gelaufen wird. Dazwischen gibt es noch mal reichlich Verpflegung und viel Stimmung. Denn sogar hier draußen auf den Wiesen stehen Leute mit Glocken und feuern die Marathonis an Eine Reggae-Band gibt ihr Bestes und erhält dafür kräftigen Applaus.
 
Dann wird das große Marathon-Festzelt von Lauterbrunnen erreicht, wo ebenfalls am Freitag und Samstag ein viel besuchtes Rahmenprogramm stattfindet. Guggemusik und viele beigeisterte Zuschauer sorgen für Stimmung. Bei km 25 wird Trümmelbach erreicht. Jetzt ist Schluß mit lustig. Über 26 Serpentinen geht es hinauf durch den Wengwald nach Wengen (1.284 – 30 km). Die Umstellung auf diesen extremen Anstieg fällt schwer und ist schmerzhaft. Zügiges Gehen ist angesagt. Alle 250 Meter kommt ein großes Transparent mit der Kilometerangabe.

 

Teilweise geht es entlang der Bahnlinie. Die Fahrgäste der voll besetzten Zahnradbahn jubeln uns zu. Unterwegs stehen immer wieder Leute mit Glocken und feuern uns an. Kurz vor Wengen wird es etwas flacher und es ist auch wieder langsames Laufen möglich.  Das Wetter ändert sich. Die Bewölkung nimmt zu und die Sonne lässt sich nicht mehr blicken. Die Temperaturen sind zum Laufen aber ideal.

 

Gleich bei den ersten Häusern von Wengen  werden wir von einem Fahnenschwinger und vielen Menschen empfangen. Der weltbekannte, autofreie Skiort  ist wieder festlich geschmückt, der Lauf durch den Ort mit den vielen jubelnden Menschen ist ein Genuss und Ansporn für die jetzt bevorstehende Prüfung.

 

Knapp 1.000 Höhenmeter sind es noch bis zum höchsten Punkt. Gleich nach Wengen geht es auf gut befestigter Straße in wechselnden Steigungen über Haneggschuß (1.585 m – 34 km), wo über eine Brücke die weltbekannte Lauberhornabfahrt-Strecke führt,  zur Mettlenalp (1.720 m – 36 km). Jetzt fängt es leicht zu regnen an.

 

Unterhalb des Bahnhofs Wengernalp ist das Ziel auf der Kleinen Scheidegg schon gut zu sehen. Viele Menschen warten hier auf ihre Freunde, Bekannte oder Lebenspartner, um ihnen für die letzten Kilometer Mut machen. Wer hier seine Körner schon verpulvert hat, hat schlechte Karten. Schon der Blick hinauf zur Moräne, wo sich die Läufer- und Läuferinnen wie bunte Perlen an der Schnur an einander reihen, flößt jedem einen gehörigen Respekt ein. Ein kurzes Stück geht es jetzt abwärts zur Seilbahn Wixi (1.830 m – 38 km). Hier heißt es an der reich bestückten Verpflegungsstation auftanken und dann geht es weiter. Auf den nächsten 2 Kilometern sind 400 Höhenmeter zu bewältigen.

 

Normalerweise ist das Panorama hier atemberaubend: das berühmte Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau mit den höchsten Eiswänden der Alpen, Gletscher, Felsen und saftige Weiden. Aber heute geht in Wolken weiter steil nach oben, zuerst noch durch ein kleines Waldstück, dann jenseits der Baumgrenze immer steiler auf einem steilen, schmalen Steig. Die berüchtigte Moräne (40 km) hat es in sich. Alle 250  Meter kommt ein Transparent mit der Kilometerangabe. Auch in diesem unwegsamen Gelände gibt es alle 10 Minuten etwas zu Trinken. Alphornbläser und Fahnenschwinger lenken von den Beschwerden, die hier jeder hat, ab und schaffen eine ganz eigenartige Atmosphäre. Nur der Klang ihrer riesigen Instrumente ist zu hören, dazu die schweren Schritte und der kurze Atem der Läufer. Keiner spricht.

 

Noch habe ich den dumpfen Klang der Alphörner im Ohr, da dringen von oben durch den Nebel schon die markanten Töne von Roman Kaeslins Dudelsack. Er ist noch lange  nicht zu sehen, aber schon bald ganz deutlich zu hören: „When the saints goes marchin’ in.“ Zu „Freude schöner Götterfunke“ taucht das lebende Wahrzeichen des Jungfrau-Marathon dann am höchsten Punkt (Eigergletscher, 2.205 m) aus dem Nebel auf. Diese stimmungsvollen Momente gehen unter die Haut. Alleine dafür lohnt sich dieser Lauf.

 

Jetzt kommt eine flache Passage und ein felsiger Übergang, den kräftige Arme und Hände helfen zu überwinden. Plötzlich lichten sich die tief hängenden Wolken und die Kleine Scheidegg liegt vor mir. Noch einen Kilometer geht es abwärts. Gleich sehe ich den mit vielen bunten Fahnen geschmückten Zielbogen und die zahlreichen Zuschauer. Jeder Finisher wird stürmisch begrüßt. Ein tolles Gefühl. Dann gegenseitiges abklatschen und gratulieren.

 

Jeder bekommt seine Medaille und ein Erfrischungsgetränk. Weiter unten ist dann ein Verpflegungsbereich aufgebaut, der seines gleichen sucht. Es gibt Iso, Wasser, Bouillon, Riegel, Bananen, und das berühmte Birnenbrot. Gegen die Rückgabe des kostenlosen Leihchips bekommt man das Funktions-Finisher-Shirt.

 

Dann der spannende Moment im Kleiderdepot. Die Taschen und Rücksäcke wurden in Interlaken ja wahllos auf die LKW’s geworfen. Jetzt sind sie im großen Bahnhofsdepot fein säuberlich nach Nummern sortiert. Ich brauche nicht suchen und mich auch nicht bücken. Meine Tasche wird mir schon entgegen gebracht.

 

Die Rückfahrt nach Interlaken soll wegen der Hochwasserschäden in Grindelwald ausschließlich über Lauterbrunnen erfolgen. Das führt zu Engpässen und zu Wartenzeiten auf der Strecke. Der Zug ist rammelvoll und nicht nur für die Leute ohne Sitzplatz ist es ziemlich unbequem. Aber keiner schimpft oder klagt. Trotz des Gedränges läuft alles geordnet ab. Bei allem überwiegt der überwältigende Eindruck des Erlebten und die Dankbarkeit dafür, überhaupt dabei zu sein. Gerade in diesem Jahr, wo der Jungfrau-Marathon doch auf der Kippe stand. Das wird gerade jetzt jedem noch einmal bewusst, wo auf der Fahrt nach Interlaken große, noch immer schlammbedeckte Flächen und Lagerplätze mit riesigen Mengen Schwemmholz zu sehen sind.

 

Am Abend gibt es dann im Kursaal die Cool-Runners-Party. Wieder mit viel Musik, Unterhaltung und der Siegerehrung. Über die vielen Bildschirme laufen bereits das aktuelle Video und Andy Mettler’s tolle Bilder.

 

Streckenbeschreibung:

Punkt-zu-Punkt-Kurs mit Start in Interlaken und Ziel auf der Kleinen Scheidegg. Flacher Teil bis 10 km auf Asphaltstraße, dann ein Abschnitt mit leichtem Anstieg und kurzen Abwärts-Passagen bis 26 km (abwechselnd Wald- und Teerstraßen) und dem Anstieg bis auf 2.205 m auf Wander- und Bergwegen. Anstieg gesamt 1.821 m. 

 

Zeitnahme:

kostenloser Leih-Chip, Zwischenzeiten in Lauterbrunnen und Wegen. Jeder Kilometer ist deutlich angegeben, auf den Steigungen Markierungen alle 250 Meter.


Rahmenprogramm:

Am Freitag einmaliges Rahmenprogramm im Casino in Interlaken mit Marathon-Messe, Pasta- Essen bei viel Musik, Wetter-Show, Präsentation der SpitzenläuferInnen mit Interviews und zur Einstimmung auf etlichen Monitoren das Video der Vorjahres-Veranstaltung. Hier gibt es auch die Startunterlagen. Nach dem Rennen an gleicher Stelle Cool-Runners-Party , mit Guggemusik und Unterhaltungskapelle, Siegerehrung und Präsentation der Videoaufnahmen vom Lauf und Ausgabe der Urkunden.
 
In Lauterbrunnen findet parallel ebenfalls ein stimmungsvolles und gut besuchtes Programm im großen Festzelt statt.


Weitere Veranstaltungen:

Am Freitag Jungfrau-Minirun für SchülerInnen und Jungendliche, und Nachwuchsrennen 2004 zum ersten mal die Jungfrau-Meile etlichen SpitzenläuferInnen. 


Auszeichnung:

Medaille, Urkunde, Finisher-Shirt 


Logistik:

Wer in Interlaken übernachtet, ist bequem zu Fuß am Startplatz. Autofahrer müssen den ausgewiesenen Marathon-Parkplatz benutzen und kommen mit Shuttle-Bussen zum Start. Vor dem Start geben die Teilnehmer beim Casino ihren Kleiderbeutel ab, der dann zum Ziel auf der Kleinen Scheidegg gebracht wird. Warme Kleidung nicht vergessen. Die Zugfahrt von der Kleinen Scheidegg hinunter nach Lauterbrunnen und Interlaken ist ein weiteres Highlight. Ihr erlebt den Jungfrau-Marathon noch einmal aus anderer Perspektive. 


 Verpflegung:

Optimal! 11 Verpflegungsstationen (oder mehr?) und noch einmal mindestens 4 Getränkestellen. Es gibt Wasser, Cola, Iso, Bouillon, Riegel, Gel und das berühmte Birnbrot. Beachtet den Plan mit der Wettkampfverpflegung im Programmheft.

 

Zuschauer:

Zahlreiche Zuschauer und Super-Stimmung an Start und Ziel, in den Ortschaften und teilweise an der Strecke. Auf den Bergstrecken natürlich etwas ruhiger. Aber auch hier immer wieder Gruppen mit Kuhglocken und aufmunternden Zurufen. Der Dudelsackspieler Roman Kaeslin am Ende der Moräne muss noch einmal extra erwähnt werden.


Temperaturen:

Der Temperaturunterschied zwischen Interlaken und Kleiner Scheidegg muss unbedingt beachtet werden. Maßgeblich sollte der aktuelle Wetterbericht sein, der am Freitagabend ausgegeben wird. 2004 war es so, dass es kurz vor dem Start zwar geregnet hat, es aber mit 15 Grad nicht zu kalt war. Später lockerte die Bewölkung auf und es war sonnig und richtig warm, genau wie vorher gesagt.

 

Besonderer Hinweis:

Das Teilnehmerfeld ist auf 4.000 limitiert. Die Startplätze wurden in den vergangenen Jahren bereits im Frühjahr ausgelost. Rechtzeitige Anmeldung ist unbedingt erforderlich. Es ist auch möglich, im August/September Startplätze von Läufern zu erwerben, die umständehalber nicht teilnehmen können. Gästebuch auf der Website des Jungfrau-Marathon beachten.

 

Informationen: Jungfrau-Marathon
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