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Top-Athleten, aber Geringverdiener: Können Laufprofis vom Sport leben?

17.10.25
Quelle: PM

Während in den großen Ligen anderer Sportarten Fernsehgelder, Sponsorpakete und Wettmärkte die Kassen füllen, stemmen Laufprofis Trainingswochen mit enormem Aufwand und kehren anschließend mit Zahlen heim, die kaum über den Alltag tragen. 

Der Widerspruch springt ins Auge, denn in diesem Bereich treffen körperliche Höchstleistung und schmale Budgets aufeinander. Besonders absurd wirkt, dass ausgerechnet ein Sport, der Millionen Menschen regelmäßig in Bewegung bringt, seine Besten häufig am Existenzminimum arbeiten lässt. 

Bei den meisten Laufveranstaltungen lassen sich keine Sportwetten platzieren, was das geringe wirtschaftliche Interesse an dieser Disziplin deutlich erkennen lässt. Die Motivation der Läuferinnen und Läufer entspringt selten finanziellen Zielen. Es geht um persönliche Entwicklung, sportliche Leidenschaft und die Suche nach dem eigenen Limit. 

Doch auch Idealismus braucht eine stabile Basis. Eine gerechtere Verteilung von Preisgeldern und eine stärkere mediale Präsenz könnten bereits viel bewirken.

Die glanzvolle Spitze und die vergessene Mehrheit

Fernsehbilder zeigen Zieleinläufe, verschwitzte Gesichter und Medaillenzeremonien. Abseits der Kameras fällt jedoch auf, wie dünn die Luft für viele Athletinnen und Athleten ist. 

Ein kleiner Kreis internationaler Namen kassiert bei großen Stadtmarathons fünfstellige Prämien, erhält Startgelder und verdient zusätzlich an Boni. Diese wenigen können tatsächlich vom Sport leben und haben ein finanzielles Polster. Für viele andere reicht das nicht aus. 

Selbst bei Weltmeisterschaften sind Preisgelder zwar vorgesehen, aber nur die Medaillengewinnerinnen und Medaillengewinner profitieren wirklich davon. Das Gefälle bleibt bestehen, auch wenn die Leistungen immer weiter steigen. Das Problem liegt weniger im Talent der Sportlerinnen und Sportler, sondern im fehlenden wirtschaftlichen Fundament, das eine nachhaltige Karriere ermöglichen könnte.

Preisgelder, Sponsoring und Förderung

Preisgelder bringen Aufmerksamkeit, sichern aber selten ein dauerhaftes Einkommen. Sponsorenverträge hängen stark vom öffentlichen Interesse ab. Bekannte Gesichter ziehen Marken an, während Athletinnen und Athleten im Mittelfeld kaum Chancen auf lukrative Deals haben, obwohl ihre Leistungen ähnlich hoch sind. In Deutschland tragen Fördergelder einen Teil der finanziellen Last. 

Die Sporthilfe unterstützt mit monatlichen Beträgen, die Bundeswehr, Polizei und Zoll bieten zusätzliche Förderstellen. Diese Programme schaffen eine gewisse Stabilität, bleiben jedoch begrenzt. Nicht alle erhalten diese Plätze, was viele zwingt, sich mit Nebenjobs über Wasser zu halten. Das System wirkt dadurch brüchig und reagiert empfindlich auf Leistungs- oder Verletzungsschwankungen.

Hinzu kommt die wachsende Bedeutung von Social Media. Einige Athletinnen und Athleten nutzen ihre Reichweite, um durch Kooperationen Einnahmen zu erzielen. Doch dafür braucht es ein gutes Gespür für Selbstvermarktung, Kreativität und Zeit. Für viele wird die Pflege der eigenen Online-Präsenz zum zweiten Vollzeitjob, der zusätzlich zum Training bewältigt werden muss. Es ist ein Balanceakt, bei dem Sport und Selbstdarstellung oft miteinander konkurrieren.

Weltweite Unterschiede im Blick 

In Ostafrika gilt Laufen als Weg aus der Armut und wer dort erfolgreich ist, kann mit einem einzigen Sieg beim Marathon in Berlin oder London die Existenz der Familie sichern. Weltstars für Haile Gebrselassie oder Eliud Kipchoge haben es sogar zu ansehnlichem Reichtum gebracht. Doch der Traum vom Wohlstand bleibt nur einer Minderheit vorbehalten. Die meisten kenianischen und äthiopischen Läuferinnen und Läufer trainieren unter einfachsten Bedingungen, ohne medizinische Betreuung oder Sponsorenverträge. Der Konkurrenzdruck ist enorm und viele verschwinden trotz beeindruckender Leistungen in der Bedeutungslosigkeit.

In den USA profitieren Athletinnen und Athleten stärker von Stipendienprogrammen und professioneller Vermarktung. Ein erfolgreicher College-Abschluss kann dort der Schlüssel zu einer profitablen Karriere sein. In Europa hingegen hängt vieles von staatlicher Förderung ab, die jedoch oft an Erfolge gebunden ist. 

Das bedeutet, dass eine Verletzung oder eine schlechte Saison sofort finanzielle Folgen hat. Am Ende stehen weltweit sehr unterschiedliche Strukturen, doch die Hürden bleiben dieselben: zu wenig Sicherheit, zu viel Zufall und eine ungleiche Verteilung von Chancen.

Ein strukturelles Defizit – Aufmerksamkeit bleibt aus und Wertschöpfung fehlt

Der Laufsport begeistert Millionen Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportler, doch professionelle Wettkämpfe erreichen selten die notwendige Aufmerksamkeit, um Sponsoren zu überzeugen. Übertragungen sind selten, mediale Geschichten verschwinden rasch aus den Schlagzeilen und selbst Olympioniken verdienen kaum Geld mit ihrem Sport. Damit gehen Einnahmen verloren, die Athletinnen und Athleten dringend bräuchten. Fördergelder orientieren sich stark an Medaillen, was den Druck zusätzlich erhöht. Wer knapp an einer Podestplatzierung vorbeiläuft, fällt häufig komplett aus der Unterstützung.

Dadurch verliert der Laufsport an Vielfalt. Ohne mediale Präsenz sinkt die Attraktivität für Nachwuchstalente und ohne Nachwuchs verliert die Disziplin an Tiefe. Dieser Kreislauf hält den Laufsport wirtschaftlich klein, obwohl seine gesellschaftliche Bedeutung riesig ist. Mehr Sichtbarkeit könnte nicht nur die Einnahmen der Profis steigern, sondern auch neue Generationen inspirieren, den Weg auf die Bahn zu wagen.

Idealismus, Pragmatismus und ein paar Stellschrauben

Laufveranstaltungen ließen sich interessanter gestalten, etwa durch emotionale Erzählungen, regionale Partnerschaften und gezielte Nachwuchsförderung. Verbände sollten zudem langfristige Fördermodelle schaffen, die nicht bei der ersten Verletzung enden.

Ebenso wichtig wäre eine neue Haltung gegenüber den sogenannten „Zweiten Reihen“. Wer konstant nationale Spitzenleistungen bringt, sollte dieselbe Sicherheit erfahren wie ein Medaillengewinner. Nur so bleibt der Sport glaubwürdig und langfristig attraktiv. Wenn Leidenschaft und Professionalität denselben Wert bekommen wie Erfolg, wird aus dem Kampf ums Überleben endlich ein Beruf, der Zukunft hat.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass sportlicher Erfolg und finanzielle Sicherheit im Laufsport selten Hand in Hand gehen. Leistung verdient Wertschätzung, Verlässlichkeit und faire Rahmenbedingungen, damit der Sport nicht nur Herzblut kostet, sondern auch ein Leben trägt. Der Laufsport braucht keine Revolution, sondern schlicht eine gerechtere Balance zwischen Leistung und Lebensrealität. Erst dann können Athletinnen und Athleten ihren Traum leben, ohne auf der Strecke zu bleiben.

 
 
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