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Laufberichte

Der Wolfgang in St. Wolfgang am Wolfgangsee

 

994 in Schwaben geboren und siebzig Jahre später in Oberösterreich in die ewigen Jagdgründe eingegangen, wirkte der heilige Wolfgang vor allem als Eremit, Missionar und Bischof von Regensburg. 1052 heiliggesprochen, wird er als Schutzpatron auch bei Fußleiden angerufen – für uns Marathonläufer also genau der Richtige! Hauptverehrungsort ist St. Wolfgang am Wolfgangsee, beides nach ihm benannt. Hier suchte er einen Ort zum Bau einer neuen Kirche, schmiss daher eine Axt weg, um sie drei Tage später wiederzufinden und exakt dort das Gotteshaus zu errichten. Ein ganzer Kerl also, der heilige Wolfgang. Folgerichtig wurde der Erstgeborene meiner Eltern, ein properes Kerlchen voller Lebensfreude, Anmut und Schönheit, nach ihm benannt. Quasi „back to the roots“ berichte ich also vom Wolfgangsee.

Ein paar Tage sind wir schon in der Gegend, u.a. haben wir aus der Grenzregion Steiermark/Salzburg vom Wilde Wasser Lauf in Schladming auf trailrunning.de berichtet. Ins Salzkammergut umgezogen, residieren wir als Verehrer Peter Alexanders angemessen im – nein, Schleichwerbung wollen wir keine betreiben, wo kämen wir denn da hin! Nur so viel sei gesagt: Im Schwarzen Pferdl am Wolfgangsee sammer ned. Esther, wir vermissen Dich! Was tut man nicht alles zur Vorbereitung auf den großen Lauf: Man jagt die Gattin auf Schusters Rappen 1.192 m in die Höhe auf den Schafberg, lässt sich zum Ausgleich rund um den See schippern, umrundet den Schwarzensee, joggt hier, joggt da. Kurzum: wir lassen es uns gutgehen, die Gegend ist wirklich sehr schön.

Das weiß auch der Chef und reist daher nebst seiner besseren Hälfte ebenfalls an, um für die Hochglanzfotos im Anschluss an den Bericht zu sorgen. Jede Menge Disziplinen werden hier angeboten, „Mythos und Leidenschaft“ verspricht man uns bei DEM Erlebnis- und Landschaftslauf Österreichs. Der Klassiker ist natürlich der 27 km-Lauf einmal um den See herum, dabei ist es jedoch nicht geblieben. Wem das zu viel ist, kann sich auf 10 bzw. 5,2 km beschränken. Die Hardcore-Marathonsammler bekommt man jedoch mit solch einem Unterdistanzlauf, und sei er noch so schön, nicht gelockt. Daher ist man vor vier Jahren auf die glorreiche Idee gekommen, 15 km Anlauf vom mondänen Bad Ischl anzubieten, um dann die Hauptlaufstrecke zu absolvieren. Und schon kamen auch die Marathoner. Insgesamt, das darf mit Freude vermeldet werden, steigen die Teilnehmerzahlen seit Jahren ungebremst an.

Am Samstag gibt’s ab 13 Uhr die Startunterlagen im Pacher-Haus in St. Wolfgang. Ein schönes Rahmenprogramm inkl. Lauftechnik-Check, Körperfettmessung, Pasta-Party, Live-Mucke und vieles mehr bilden v.a. am Abend den passenden Einstieg auf morgen. Wir treffen, fast wie bestellt, Kollegen Herbert Orlinger und Helmut Linzbichler nebst Gattin Brigitte.  Küss die Hand. Zu spät erst wird mir klar, dass das ein ehemaliger Trans-Amerika-Läufer ist, dessen Buch über diesen Event ich zuhause (und auch aufmerksam gelesen!) habe. Vor lauter Quatschen vergessen wir leider ein gemeinsames Foto zu machen. Herbert ist bedauerlicherweise erkältet und hat auf den Panoramalauf umgemeldet.

Auch meinem Freund „Dorfi“ nebst Freundin und dem „Bergdoktor“ laufen mir über die Füße, diese Treffen sind mir immer wieder Anlass zu großer Freude. Michael Dorfstätter läuft unter dem Motto: „7 Grundsätze. 7 Termine. 7 Läufe“ als laufender Botschafter des Jugendrotkreuzes in diesem Jahr 7 Marathonläufe in Europa - für jeden Rotkreuz-Grundsatz, die in diesem Jahr 50 Jahre alt werden (Universalität, Einheit, Freiwilligkeit, Unabhängigkeit, Neutralität, Unparteilichkeit, Menschlichkeit) einen, Laibach und Verona stehen noch aus. Dabei begleitet ihn jeweils ein „Grundsätze-Team“ laufaffiner Rotkreuz-Freiwilliger. Nach Ulm bin ich schon das zweite Mal dabei.

In Strobl kämpfen bereits am Mittag auf der Seepromenade die Kleinsten um Ruhm und Ehre. Am Sonntag müssen Elke und ich uns aufteilen, ein gemeinsames Frühstück bekommen wir dennoch hin, auch wenn die Betonung auf dem urlaubsfeindlichen „Früh“ liegt. Elke wird als 10 km-Teilnehmerin per Schiff nach Gschwendt gebracht (hierzu gibt es vier Möglichkeiten zwischen 9:02 und 10:10 Uhr, der Start erfolgt ab 10:30 Uhr in drei Blöcken). Mich verfrachtet man im Bus um 8:15 Uhr zum Start um 9:20 Uhr nach Bad Ischl, damit entgeht mir die Möglichkeit, mit kirchlichem Segen zu laufen, denn der Läufergottesdienst findet leider erst um 8:30 Uhr statt.

Bei „einer der bewegendsten Laufveranstaltungen“, so der rührige OK-Chef Franz Sperrer, purzeln seit Jahren die Teilnehmerrekorde: Nach 4.084 Meldungen über alle Bewerbe im vergangenen Jahr verzeichnet man zum heurigen Voranmeldeschluss deren satte 4.378 aus 40 Nationen. Und das wird beileibe nicht nur bei den Schülern erreicht, nein, alle Bewerbe zeichnen sich gleichermaßen durch steigende Beliebtheit aus. Die absolute Zahl von 264 Marathonern hört sich jetzt nicht so gewaltig an, die relative, nämlich das Plus von gut 20 %, dagegen sehr wohl. Nicht anders sieht es beim 27 km-Hauptlauf, dem Zugpferd, aus: Fast 2.000 wollten bis zum Donnerstag dabei sein, gute 500 beim 5,2 km Panoramalauf und fast anderthalbtausend beim 10 km-Uferlauf. Ein Bombenerfolg also schon vor den Start!

Jede Menge Elite, ein bunter Mix aus kenianischen Gazellen bis hin zu „Local Heroes“, bereichert die Szenerie. Besonders erwähnenswert empfinde ich als langsam in die Jahre kommender Mensch den Auftritt zweier Lauf-Methusalems, wenn Ihr mir diesen Ausdruck verzeiht: Der 83-jährige Norbert Schild ist dabei der Alterspräsident. Wer nun glaubt, Schild würde den 5,2-km-Panoramalauf in Angriff nehmen, der irrt. Vielmehr wird er die schwierigste Herausforderung der gesamten Veranstaltung, den Salzkammergut Marathon, laufen. Und trifft dabei auf den ein Jahr jüngeren „Jungspund“ Josy Simon vom Veranstalterverein LG St. Wolfgang, der erst vor zwei Wochen in Steyr eine neue M80-Weltbestmarke (53,948 km) im 6-Stunden-Lauf aufstellen konnte und letztes Jahr nach 4:26:55 Std. (!!!) ins Ziel kam. Schafft es Schild ins Ziel (er hat es tatsächlich gepackt), wird er der älteste Finisher sein, der jemals das Ziel beim Salzkammergut Marathon erreicht hat.

Das Feld der Läufer verteilt sich auf die Startorte, wir Marathoner fahren per Bus nach Bad Ischl, die Zehner per Schiff nach Gschwendt, die 5,2 km-Läufer nach Strobl. Für alle wird das Ziel an der Kirche in St. Wolfgang, nur hundert Meter entfernt vom „Weißen Rössl“ sein. Gibt es jemanden, der mit diesem Begriff nichts anfangen kann und der Hotel, Theaterstück, Operette von Ralph Benatzky und Filme (v.a. mit Peter Alexander von 1960) nicht kennt? Dem sei mit dem musikalischen Slash Hammer geholfen:

Im Weißen Rössl am Wolfgangsee,
Da steht das Glück vor der Tür,
und ruft dir zu: "Guten Morgen,
tritt ein und vergiss deine Sorgen!"

Ortswechsel nach Bad Ischl, das seine Blütezeit zwischen 1849 und 1914 als kaiserliche Sommerresidenz erlebte und wo sich Franzl und Sisi verlobten. Die zwischen 1829 und 1831 errichtete, in den sechziger Jahren gerade so vor dem Abriss  gerettete und zuletzt 2007 generalsanierte Trinkhalle ist der ideale Startpunkt: Trocken, warm und mit gescheiten Klos versehen. Die Schlange ist dieses Mal allerdings bei den Herren, worüber sich jede zweite Dame („Das ist sonst immer anders herum!“) beeumelt. Die Erwähnung des Reporters im letzten Newsletter bringt ihm die Gelegenheit, ein paar warme Worte ins Mikro des Moderators loszuwerden, dann werden wir vom Bürgermeister auf die 15 km lange Anreise zur Umrundung des Wolfgangsees geschickt.

Die ersten Meter gehen noch durch Bad Ischl, vorbei an einigen Prachtbauten. Danach rechne ich im Geheimen mit mehr oder weniger langweiligen 15 km und werde sehr angenehm enttäuscht, denn fast drei km verlaufen unmittelbar am Ufer der Ischl, für einen Wasserliebhaber wie mich ein Hochgenuss. Ich freue mich, sehr bald auf den bereits erwähnten  Josy Simon, den neuen Weltrekordinhaber der M80 im 6-Stunden-Lauf zu treffen und beglückwünschen zu können. Ich möchte auch gerne mit 82 so fit sein und so gut aussehen! Den folgenden vierten km absolvieren wir über einen kleinen Trail, auch der ist so richtig nach meinem Geschmack. Weiter parallel zur Ischl, allerdings mit einigem Abstand, führt die Strecke weiter.

In Pfandl, der ersten Ortschaft, die wir nach Ischl durchlaufen, haben sich einige Zuseher eingefunden, die uns mit ihrem Applaus bereits Beine machen. Ich bin heilfroh, dass ich mitlaufen kann, denn am Straßenrand zu stehen und nur zuzuschauen, täte mir in der Seele weh. Und auch das wurde seinerzeit schon „Im Weißen Rössl am Wolfgangsee“ erkannt:

Zuschau'n kann i net,
zuschau'n mag i net.
Wann i net selber bin dabei
bricht mir das Herz entzwei

Neidisch - bin i net
nein das - i net
aber zuschau'n, ich gesteh'
zuaschau'n tut halt goar so weh.

Danach gibt’s tatsächlich elf Landstraßenkilometer, die aber garniert mit jeder Menge schöner Landschaft, also alles andere als langweilig. Oliver ist als Ossi selber Marathonveranstalter, läuft mit seinem Wessi-Kumpel und grüßt auf diesem Weg einen gewissen Joe K., der mir persönlich leider unbekannt ist. Vielleicht liest er ja diese Zeilen. Die erste von vielen, vielen Labestationen versorgt uns mit allem Notwendigen. In Radau ist es wider Erwarten ruhig, daher lassen wir es, wie vorher schon Kreutern, Wirling, später Rußbach und Bürglstein – dazu später mehr - bald hinter uns.

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Informationen: Wolfgangseelauf
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