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Laufberichte

Laufen ist besser als Sitzen

 

Viel bietet der Laufkalender Mitte November nicht: Las Vegas, Turin, Istanbul, Borna, Werdau… Wie im Vorjahr habe ich mich für Borna und Werdau entschieden. Borna findet am Samstag statt, Werdau am Sonntag. Und da beide Städte nicht weit voneinander entfernt in Sachsen liegen, kann man läuferisch mal wieder so richtig aus dem Vollen schöpfen.

Ich weiß, manch einer meint, Borna sei kein richtiger Marathon. Aber wer in Borna läuft, kann auch nichts falsch machen. Es ist ein geführter Marathon, es wird in Zeitgruppen gestartet, die eigentlich zusammen bleiben sollten. Eigentlich… Am Anfang ist es schön, viele Läufer um sich zu haben, es wird viel erzählt. Und später, wenn das Sprechen dann nicht mehr so richtig Spaß macht, trottet ohnehin jeder in seinem Tempo dahin.

Die Landschaft ist vom ehemaligen Braunkohlenbergbau geprägt, also schön. Mit Seen, Wäldern und Feldern, nicht flach, aber wenn ich von Bergen berichten würde, das wäre Hochstapelei.

Übrigens führt die Strecke unmittelbar an der JVA Regis-Breitingen vorbei. Ein modernes Gefängnis, dass mich bei seinem Anblick in meinem Lebensmotto bestärkt: Laufen ist besser als Sitzen…

Sitzen ist auch nach dem Lauf angesagt. Da alle Läufer fast zur gleichen Zeit das Ziel erreichen, wird es im Anschluss ganz Familiär, sitzt man zusammen bei Kaffee, Kuchen und Bratwurst. Die meisten Läufer kennen sich ohnehin. Es ist nun mal so, wer einmal in Borna gelaufen ist, kommt wieder.

Sonntag geht es dann nach Werdau. Start 11 Uhr, was den Vorteil hat, dass man, wenn man nicht gerade in Ostfriesland wohnt, früh bequem anreisen kann. Aber auch für Ostfriesen ist es kein Problem, man kann direkt am Start in der Sportschule für wenig Geld übernachten.

Der Nachteil ist das sich aus der späten Startzeit ergebende Zeitlimit von fünf Stunden. Ich habe mich in Borna mit Hajo Meier darüber unterhalten. Begeistert war er nicht – und reiste gemeinsam mit Sigrid Eichner statt nach Werdau nach Berlin.

Das Problem ist, das man aus organisatorischen Gründen an der Startzeit nichts ändern kann. Am Zielschluss auch nicht, abends wird es nun mal dunkel… Aber ich habe Hoffnung, im kommenden Jahr auch Sigrid und Hajo wieder in Werdau treffen zu können. Die Zielzeiten der letzten Läufer sagen aus, die Veranstalter haben nicht nur ein Auge zugedrückt, sondern zwei – und vielleicht sogar noch ein Hühnerauge…

Übrigens: Das Zeitlimit dürfte die meisten Läufer kaum interessieren. Wenn ich mal vorgreife und auf die Zielzeiten schaue, kann ich nur staunen. Von 117 Läuferinnen und Läufern blieben 72 unter 4 Stunden.

Über Parkmöglichkeiten, die Ausgabe der Startunterlagen und Umkleideräumlichkeiten kann ich mir jedes Wort sparen. Oder es genügt ein Satz: Da gibt es nichts zu meckern!

Am Start steht Jürgen Lange. Nun hoffe ich, dass jetzt keiner fragt: Und wer ist das? Mensch, das ist der Präsident des Rennsteiglaufvereins! Und der steht nicht nur am Start, der findet auch noch lobende Worte für die Veranstalter. Und als ob das nicht für einen Präsidenten schon genug ist, macht er sich auch noch selbst auf den Weg über die Marathon-Distanz.

Glaubt mir, wenn ihr Werdau den ersten Kilometer hinter euch habt, könnt ihr euch das erste Mal freuen. Auf den letzten Kilometer. Denn diesen Berg, den ihr euch jetzt hinaufgequält habt, lauft ihr dann hinunter.

Die nächsten zwei Kilometer führen erst bergauf, dann bergab auf Asphaltstraße durch die Waldsiedlung, bis uns bei Kilometer drei die erste Verpflegungsstelle erwartet. Nicht mehr weit, da sind wir auch schon im Wald und das wird bis Kilometer 39 so bleiben. Also wer nicht gern im Wald läuft, da wäre vielleicht Las Vegas doch eine Alternative…

Kaum im Wald, erlebe ich etwas, was ich nicht so schnell vergessen werde. Laub fällt! Gut, dass kommt im Herbst manchmal vor, aber hier ist es etwas Besonderes. Ein plötzlicher Windstoß löst einen Blätterregen aus und geht ganz langsam auf die vor mir laufende Läuferin nieder. Als mir einfällt, dass man das vielleicht auch fotografieren könnte, ist es schon vorbei.

Es ist heute mein 68. Marathon. Und ich stelle fest, dass darunter welche waren, bei denen es schlechter lief als heute. Zwei oder drei, wenn ich mich richtig erinnere. Ein Blick auf die Uhr verrät jedoch, dass ich im Zeitlimit liege. Um Kilometer 31,5 in 3.45 Stunden zu erreichen, muss ich den Kilometer in 7 Minuten laufen. Kilometer 5 passiere ich in 34.57 Minuten. Wer nachrechnet – ich habe noch ein Zeitpolster…

Der wohl wichtigste Punkt der Strecke ist die Gaststätte Weidmannsruh, oder besser gesagt, die Verpflegungsstelle davor. Ich erreiche sie erstmals bei Kilometer 10. Man kennt sich, ich bin das vierte Mal in Werdau dabei und die Helfer sind auch Wiederholungstäter.

Ich schaue mir den Verpflegungsstand genau an und werde stutzig. Wo steht der Kübel mit dem Schleim? Gibt es heute keinen? Wenn ich beim Halbmarathon wieder hier vorbeikomme und es gibt keinen Schleim – da sollten sie meinen Laufbericht lieber nicht lesen…

Ich schnappe mir meinen Teebecher und mache mich auf die hier beginnende 10-Kilometer-Runde, die zweimal zu laufen ist. Die Marathon-Paarläufer haben uns verlassen, ich habe Platz auf den gut ausgebauten Waldwegen.

Dass man sich verläuft, davor braucht man keine Angst zu haben. Es ist, wie es Organisationschef Peter Schmidt vom SV Rot-Weiß Werdau sagte: „Bisher hat sich bei uns noch keiner verirrt!“ Dank der Streckenposten, die mitunter ganz allein an den Abzweigungen stehen. Die können sich heute trösten: Es gab schon schlechteres Wetter! Aber um ehrlich zu sein, es gab auch schon besseres.

Den Streckenposten sollte der besondere Dank der Läuferschar gelten. Ihr wisst, es liegt mir fern zu übertreiben - aber ohne die Streckenposten würden wir wohl noch heute durch den Werdauer Wald irren…

Die Runde zieht sich. Aber die Zeit vergeht, weil ich mir überlege, ob es nun richtig war, an einem Wochenende zwei Marathons zu laufen. Und was ich nun im Laufbericht schreibe, wenn es keinen Schleim gibt…

Dann taucht er wieder auf, der Verpflegungsstand Weidmannsruh. Und als ich dort nach dem Teebecher greifen will, werde ich sofort darauf hingewiesen: Den Schleim gibt es am Ende vom Tisch! Ich freue mich, dass man mich schon kennt. Und die Helfer können sich freuen, dass sie den Laufbericht gerettet haben. Ich muss mich revidieren: Selbst für Leute, die Wald nicht mögen, ist Las Vegas keine Alternative zu Werdau. Denn: Sollte es in Las Vegas Schleim geben, besser als in Werdau könnter der nicht schmecken. Ich bitte um Zusendung des Rezeptes, Vertraulichkeit wird garantiert…

Noch an meinem Schleimbecher nippend, habe ich plötzlich einen Läufer neben mir, der anders ist als die meisten Marathonläufer. Der ist jung! Ganz jung, gerade mal 23 Jahre und damit auch der jüngste Starter. Andreas Brehm heißt er und was er mir erzählt, versetzt mich in Staunen. Es ist sein siebenter Marathon und er hat sich vorgenommen, monatlich einen Marathon zu laufen. Wenn er das durchzieht und ich mal davon ausgehe, dass man mit zunehmendem Alter mehr Marathons läuft, dann würde ich mir an Stelle von Rekordhalter Christian Hottas langsam so meine Gedanken machen…  

Da wir beide nicht den Ehrgeiz haben, heute zu gewinnen, bleiben wir fast bis ins Ziel zusammen. Passieren also noch einmal die Verpflegungsstelle Weidmannsruh und das dann auch noch im Zeitlimit. Was seinen Preis hat: Ich habe kaum fotografiert!

Den Berg auf dem letzten Kilometer vor dem Ziel laufe ich dann mit einem Tempo hinab, dass man glauben könnte es sei Kilometer 1. Ich fühle mich übrigens auch so…

Im Ziel nehme ich das für den Lauf typische Handtuch entgegen. Gestern in Borna gab es ein T-Shirt. Wie schön – das ist des Wahnsinns fette Beute.

Übrigens: Sollte jemand Lust auf Werdau bekommen haben, der muss nicht bis November 2015 warten. Schon am 19. April gibt es den 37. Werdauer Waldlauf.


Marathonsieger Männer

1. Riedmann, Johann                           Lauftreff Lausitz                               02:56:52
2. Henkel, Tobias                                 USV Erfurt                                        02:59:33
3. Thiele, Sven                                     LV Einheit Greiz                               02:59:50
 

Marathonsieger Frauen

1. Meyer, Juliane                                 SC DHfK Leipzig                             03:03:40    
2. Boitz, Sandra                                   SC DHfK Leipzig                             03:07:29
3. Fischer, Christine                             FSU Jena                                   03:21:13           
        

 

Informationen: Werdauer Herbstmarathon
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