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Laufberichte

Ideale Verhältnisse

16.12.12

Am Langstreckenlauf mag ich, dass man etwas von der Gegend sieht. So scheue ich auch keine Marathons mit vielen Höhenmetern, da diese Höhenmeter vielfach schöne  Aussichten und Einblicke zur Folge haben.

Höhenmeter und schöne Landschaftseindrücke bietet der Wiener Hallenmarathon nicht. Flacher als Null Höhenmeter geht nicht. Auch gibt es keine zweistelligen Minusgrade wie im Februar in Bad Füssing, kein Schneegestöber wie am 1. April in Bratislava, keine stürmischen Winde wie auf Mallorca, keinen starken Dauerregen wie an der kroatischen Adriaküste in Crikvenica vor zwei Wochen, keine höchstsommerlichen Temperaturen wie im Juli und August und kein Geläuf aus Schotterstraßen und Geröll wie rund um Plasy Anfang September.

Dafür gibt aber ideales Laufwetter, denn das Wetter kann man sich in der Halle selber machen und man versprach uns niederschlagsfreie 15°C.

Mehrere Distanzen werden angeboten: Mit unterschiedlichen Startzeiten Marathon, die halbe Distanz und Viertelmarathon. Marathonis dürfen länger schlafen, sie starten erst zu Mittag. Das ermöglicht mir eine Anreise am Renntag. „Heimschläfer“, wie man beim Bundesheer sagt.

Wien ist schön und immer wieder eine Reise wert. Hier habe ich meinen Militärdienst abgeleistet. Das Messegelände liegt nur wenige Schritte von der Stelle, wo einmal meine Kaserne war. Ich kenne mich also gut aus und finde auch gleich einen kostenlosen Parkplatz. Als ich um 10.30 Uhr beim Messegelände eintreffe, gibt es strahlenden Sonnenschein und +3 Grad.

Die Viertelmarathonis sind bereits fertig, die Halbmarathonis sind seit einer halben Stunde unterwegs, der Start der Marathonis wird um 12.00 Uhr sein. So habe ich Zeit mit dem Fotoapparat das Gelände zu erkunden. Die Strecke in den beiden Hallen erinnert an überdimensionale Go-Kart-Bahnen mit sehr weitläufigen Kurven. Habe ich mir vom Streckenplan her enger vorgestellt, ich bin angenehm überrascht. Die, die da laufen, kommen mit den Kurvenradien offensichtlich gut zurecht. Ähnlich der Streckenverlauf in Halle B und anschließend zwei lange Gerade. Die Durchsagen aus Halle A werden auch in Halle B „ausgestrahlt“, laut genug. LäuferInnen gibt es mehr als Zuseher. 226 Halbmarathonis sollten schließlich das Ziel sehen.

In der Caféteria treffe ich Leopold Eigner und Susanne Schöberl, beide waren beim Indoor-Marathon Anfang November in Nürnberg am Start, haben im Gegensatz zu mir also schon Hallenmarathonerfahrung. Martina, die im April in Linz erstmals unter 4 Stunden geblieben ist, ist auch da, in Begleitung. Mein Fanclub hingegen ist zuhause beim Kekse backen.

Startnummernübergabe, Goodie-Bag und Garderobe funktionieren ruckzuck. Alles ist weitläufig angelegt, die Helferleins werden mit dem Andrang spielend fertig. Die großzügigen Glasflächen im Eingangsbereich lassen gar nicht den Eindruck aufkommen, man wäre outdoor.

Gerno macht Werbung für den Bilstein-Marathon am 14. April 2013. Das ist auch das Datum des nächsten Vienna-City-Marathons. Da wird Gerno in Wien nicht viele Starter finden, könnte ich mir vorstellen.

Natürlich kann sich Gerhard Wally den dritten Heimmarathon heuer nicht entgehen lassen. Sein 492. insgesamt soll das heute werden. Vincenzo aus San Remo ist noch nie in der Halle gelaufen. Er schätzt, in etwa 3 Stunden im Ziel zu sein, aber eigentlich ist er auf Ultras spezialisiert. So kurz läuft er selten.

Es gibt eine eigene Startspur, sodass wir den Halbmarathonis, die nach zwei Stunden noch unterwegs sind, nicht in die Quere kommen.

Vorher laufe ich mich noch etwas ein und entdecke, dass ich heute ziemlich gut drauf bin. Es hat sich also gelohnt, die zwei Wochen seit dem Adria-Marathon keine langen Läufe mehr zu machen, nur ein paar mal 8 – 10km. Kühl ist es in der Startaufstellung. Gut, wenn es los geht. Wir werden darauf aufmerksam gemacht, dass jeder seine Runden zählen solle. Nach 16 Umläufen wäre man im Ziel. Im Ziel könne man sich erkundigen, ob man eh genug Runden beisammen habe. Falls nicht, könne man gleich noch eine anhängen. 

High Noon! Pünktlich um 12.00 Uhr erfolgt der Start, 180 LäuferInnen setzen sich in Bewegung. Schon in der Startkurve, eigentlich ein U-turn, haben die vielen Kehren ihren Schrecken für mich verloren. Sie lässt sich nämlich gut laufen, auch bekomme ich gut Luft. Leider ist das Licht zum Fotografieren ungünstig, die Belichtungszeit ist zu lange und zum Blitzen ist es der Kamera meist zu hell. Schade.

Etwas achtsam muss man beim Rauslaufen aus den Hallen sein. Diese 90°-Kurven weisen einen relativ engen Radius auf, auch ist der Belag im Verbindungsgang nicht ganz so griffig wie der in den Hallen. In Halle B gibt es sogar etwas Weihnachtsschmuck, sind ja nur mehr acht Tage bis dahin. Wenn nicht vorher die Welt untergeht! 

Auf den beiden langen Geraden (= Verbindungsgang zwischen den Hallen A - D) haben es sich viele junge Leute auf roten Fauteuils bequem gemacht, sie führen die Rundenprotokolle. An mehreren Stellen sind Profi-Fotografen platziert, es wird heftig  geknipst. Am Ende der ersten langen Gerade die einzige Labestation des Rennens. Es gibt Wasser, peeroton-Iso, Cola und Bananen, von Anfang an. 16 Labestellen im Rennen also, man ist nie weiter als 2,637km vom nächsten Getränk entfernt. Dieser Bereich ist mit blauem Teppich ausgelegt, ansonsten würde der Terrazzo-Belag zu rutschig werden. Dennoch warten zwei Sanis auf Ihren Einsatz. Zu Beginn begnüge ich mich mit Wasser.

Es läuft super, ich bin gespannt, wann ich zum ersten Mal überrundet werde. Kurz vor Ende des ersten Umlaufs tangiert man am Rande die Eingangshalle mit den Ausstellern und den wenige Zuschauern, bevor man wieder in Halle A verschwindet. Hier gibt es auch eine Boxengasse für Laktattests, die bei angemeldeten Personen durchgeführt werden.

13min habe ich gebraucht für die erste Runde, nicht schlecht für mich. Unablässig werden wir über Lautsprecher mit Musik versorgt. Das Feld hat sich längst in die Länge gezogen, sodass es zu keiner Drängelei kommt. Es wären sogar 333 Starter zugelassen gewesen, es ist aber nur wenig mehr als die Hälfte unterwegs. Für Marathonsammler ist so ein Termin, wenn in unseren Breiten kaum wo Marathons veranstaltet werden, natürlich eine klasse Sache. Gelegenheitsläufer sind heute in der Minderheit. Relativ viele Ausländer laufen mit, aus 4 Kontinenten, wie ich über Lautsprecher höre. Kaum Frauen jedoch, nur 5 %. In den USA kommen sie schon auf bis zu 50%!  

Nach 26min bin ich mit dem zweiten Umlauf fertig und werde augenblicklich vom Führenden überrundet. Bis zum Zweiten dauert es dann etwas. Halle B wird zwar auch beschallt, hier sind aber nur einige Streckenposten die darauf achten, dass man keine Abkürzungen nimmt. Sie sind warm angezogen, denn der Temperaturunterschied zwischen den Geraden und den beiden Hallen ist beträchtlich.

39min nach Runde drei, und 52min nach Runde vier. Mittlerweile bin ich selber zum Überrunder geworden. Der Führende lässt nach. Hat er für seine ersten drei Runden fast gleich lange gebraucht wie ich für meine ersten beiden, hängt er nun hinterher. Ich bin seit etwa 1min mit Runde 4 fertig, kommt er erst herangebraust. Und er macht keine Bilder unterwegs! Ich aber auch nicht besonders viele.

Halbmarathon nach 1h45, das ist vier Minuten schneller als meine bisherige Bestzeit, das könnte heute noch etwas werden. Ich fühle mich noch immer frisch. Bei der Labestelle arbeiten sie nun mit einem Nass-Sauger, um die verschütteten Getränke weg zu bekommen. Hier wird wirklich alles getan, um Stürze zu vermeiden. Da mehr als die halbe Strecke an Glasfronten entlang führt, kommt man sich gar nicht eingesperrt vor. Immer wieder sieht man die U-Bahn vorbei fahren, ein paar Rundenzähler stehen rauchender Weise im Freien und spähen durch die Glasscheibe.

Keine zwei Stunden für 9 von 16 Runden, das sieht noch immer gut aus. Mein rechter Knöchel zeigt mir, dass er das viele Kurvenlaufen nicht gewöhnt ist. Auch meine Oberschenkel sind mit dem Tempo auf Dauer nicht vertraut. In freier Wildbahn nutze ich die bergauf führenden Abschnitte zum Gehen und erhole mich dabei, das geht hier aber nicht! Fotografieren ist auch gut zum Erholen, aber schlecht für die Zeit. Denn für scharfe Fotos muss ich stehen bleiben, maximal langsam gehen. Das fällt hier auch weg, ich kann nicht 16x das Gleiche knipsen, wen interessiert das?

Martina kommt mir wieder einmal entgegen, sie muss aufhören und wünscht mir alles Gute. Mike ist bei Halbmarathon klar unter seiner Bestzeit geblieben, wie er mir bei einer Überrundung mitteilt. Der Veranstalter Hannes Menitz hat hier wirklich erstklassige Streckenverhältnisse organisiert.

Langsam muss ich aufpassen, dass ich mich nicht verzähle. Ich fange an, erste Gehpausen einzulegen, immer nur 15 oder 20sec. Das hilft, meine Muskulatur erholt sich erstaunlich schnell.  

Da höre ich, dass der lange Zeit Führende noch überholt worden ist und Zweiter geworden ist. Von einem, der für den Halbmarathon angemeldet war. Dick Demeter aus Linz hat es mit konstanten Rundenzeiten geschafft, in 2h 23min 55sec  Kurz vor Schluss hat er Rainer Predl noch abfangen können.

3h11min. Noch zwei Runden. Da überholt mich Vincenzo zum 3.(?) Mal. Wenn mein Rundenzählen stimmt, dann müsste der längst im Ziel sein. Ich bin etwas verunsichert. Das legt sich aber als Gerno sagt, wir kommen unter 3h45 ins Ziel, und Gerno habe ich mehr oder weniger das ganze Rennen über im Auge gehabt, der ist definitiv in der selben Runde wie ich.

Die Läufer werden weniger, immer mehr sind im Ziel. Bei der Labe fragt man mich, ob ich die letzte Runde hätte? Nein, einmal komme ich noch vorbei. Beim Trinken etwas gehen, Becher entsorgen und wieder Tempo aufnehmen. Jetzt kommt auch wieder die Sonne raus.

3h26min und noch eine Runde. Meine Bestzeit von Pisa vor fast genau einem Jahr werde ich toppen. Damals schnürten mir eiskalte Getränke bei den Labestellen die Kehle zu, sodass ich nicht genügend trinken konnte. Starke Muskelprobleme im zweiten Streckenabschnitt waren die Folge und verhinderten eine noch bessere Zeit.

Heute aber passt alles. Ein paar treue, neu gewonnene Fans feuern mich 100m vorm Ziel noch einmal an und ein paar Sekunden nach Gerno bin ich in 3h 41min 40sec im Ziel.

Als ich die laufende Zeit fotografiere kommt Vincenzo ins Ziel. Er ist schon längst als 24. in der Wertung, hat aber drei Extrarunden absolviert. Mangels Deutschkenntnissen hat er die Startansage nicht mitbekommen und nicht mitgezählt. Er hatte darauf gewartet, dass man ihn abwinkt. Kann einen Ultra-Läufer aber nicht erschüttern. Insgesamt finishten 162 Marathonis.

Die Vielzahl der erzielten Bestzeiten lässt den Verdacht aufkommen, dass das keine vollen 42,2km sind. Wie der Veranstalter später einräumt, fehlten tatsächlich 1,76 km, da nach der Vermessung die Streckenmarkierungen noch umgestellt worden sind, um Fluchtwege frei zu halten.

Zusätzlich zur Entschuldigung verspricht man für 2013 eine exakte, zertifizierte Streckenlänge. Wenn es dann auch noch die Möglichkeit zum Duschen gibt, ist diese Veranstaltung perfekt.

Wenn man kurz vor Weihnachten in Wien ist, sollte man sich Zeit nehmen für den einen oder anderen Weihnachtsmarkt. Den zwischen Rathaus und Burgtheater kann ich empfehlen, und nicht weit davon entfernt den Weihnachtsmarkt am Spittelberg.

 

Informationen: Vienna Indoor Marathon
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