marathon4you.de

 

Laufberichte

Wien-Reminiszenzen

14.04.13

Es wird die Bundeshymne gespielt. Schließlich erfolgt weit vorne der Start von Haile Gebrselassie und vier weiteren Läufern. Haile soll seine Halbmarathonbestzeit von Wien unterbieten, 1 Woche vor seinem 40. Geburtstag. Kurz darauf der Start der Elite-Marathonläufer und um 9h der erste Startschuss für die Masse. Ein paar Minuten später gehe ich die ersten Schritte Richtung Startlinie. Dann ein weiterer Startschuss. Um 09h11 überquere ich die Startlinie. Zu diesem Zeitpunkt hat Haile schon 4km hinter sich! Mit dem Donauwalzer von Johann Strauss werden wir bei bestem Wetter über die Donau geschickt. Erst leicht bergauf, am Scheitelpunkt der Reichsbrücke runter zum Praterstern. Bis nach dem Praterstern sind die beiden autobahnartigen Spuren getrennt, denn die rechte Seite muss weiter laufen als die linke. Daher wird auf der linken Spur die Startzeit früher erfasst.

Nach dem Praterstern, einer großen Verkehrsdrehscheibe, sind alle auf der Prater Hauptallee vereint. Links das Riesenrad und der sogenannte Wurschtelprater (Wurschtel = Kasperl), der Vergnügungspark mit dem relativ jungem Madame Tussaud’s Wachsfigurenkabinett, Fahrgeschäften und beliebten Ausflugslokalen. Die Prater Hauptallee ist 4,4km lang, die ersten 2km davon stehen zu Beginn am Programm. Zwei „Erdinger“ Getränkedosen laufen auch, den Marathon! Die tun sich was an!

Die Bäume werfen kaum Schatten, denn Blätter haben sie heuer noch keine. Für die ersten 5km habe ich eine knappe halbe Stunde gebraucht. Bevor es raus aus dem Prater geht – das war einmal das Jagdrevier des Kaisers – gibt es zu trinken.

Bei km6 sind wir auf der Schüttelstraße entlang des Donaukanals und laufen stadteinwärts. Zusätzlich zu den Versorgungsstellen gibt es Wasserstationen. Da läuft unaufhörlich Leitungswasser aus mehreren Hähnen. Hier ist die erste davon und die wird auch vielfach genutzt.

Ich kann/muss das erste Telefonat hören, in dem ein Treffpunkt vereinbart wird. „Ich bin gerade bei der Rotundenbrücke . . .“   Am jenseitigen Ufer ist die Urania zu sehen, eine Sternwarte im 1. Wiener Gemeindebezirk, bereits zu Zeiten von Kaiser Franz Josef in Betrieb genommen.

Meine Kniescheiben halten. Noch am Dienstag hatte ich ganz gehörige Schmerzen. Am Mittwoch in der Sauna hatte ich eine Spontandiagnose bekommen. Von Otto Schauer, Heilmasseur zu Linz: „Dein Quadrizeps ist überlastet. Gib drei Tage Ruhe, kühlendes Gel drauf, massieren, dann ist die Sache erledigt. Recht hat er gehabt, was bin ich froh! Ich befürchtete schon, meine “Karriere“ als Läufer wäre zu Ende.

Wir passieren km9 überqueren den Donaukanal und sind im ersten Bezirk. Nun geht es den Ring rauf. Der Ring umfasst den ersten Bezirk. Hier stehen Ministerien, die berühmten Ringstraßenpalais und viele Nobelhotels. Am höchsten Punkt ist der Heldenplatz, unser heutiges Ziel, aber das wird noch dauern. Am Stadtpark vorbei – darin das berühmte goldene Strauss-Denkmal – erreichen wir kurz nach km11 die Staatsoper. Hier ist eine Powerzone, die Bässe wummern, und wir erfahren, dass es in Österreich noch nie eine Sportveranstaltung gegeben hat mit mehr aktiven Teilnehmern. Über 41.000 sind wir. Das Zuseherinteresse hier ist enorm.

Links abgebogen in die Wienzeile raus zum Schloss Schönbrunn. Achtung auf die Straßenbahnschienen, hier kreuzen sich mehrere Linien. Vorbei an der Wiener Secession, Museum für zeitgenössische Kunst. Dieses Gebäude ziert die österr. 50- Cent-Münze. “Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“ – steht in goldener Schrift drauf. Rechts das „Theater an der Wien“, links der Naschmarkt. Diesen Naschmarkt hat man über den Wienfluss gebaut. Schließlich ist der Fluss dann aber doch zu sehen.

Km15, ich bin 90min unterwegs. Bei der Labestelle gibt es zum Wasser und zum Powerade auch Bananen. Hier liegen bereits abertausende zersplitterte Plastikbecher, die beim Drauftreten ungeheuren Lärm erzeugen. Zudem kommt die Unmenge an Bananenschalen. Dadurch wird es rutschig, das verschüttete Powerade hinterher hingegen lässt die Sohlen pickig werden. Wir nähern uns Schönbrunn und damit dem ersten Staffelwechsel bei km16. Sagt einer in sein Handy: „Ich bin durch, du kannst loslaufen!“ Als wir rechts abbiegen liegt hinter uns Schloss Schönbrunn, schaut schon schön aus! Darüber die Gloriette, prachtvoll!

Es geht bergauf, ein Mädchen versucht ihre Freundin zu motivieren. „Bis zum Halbmarathonziel sind es nur mehr 4km!“ Kurz nach dem Technischen Museum haben wir die höchste Stelle des Marathons erreicht. Ein paar Cheerleader zeigen ihr Können. Am Westbahnhof stolpert einer vor mir über die Straßenbahnschienen und fällt hin, gleich kümmert sich seine Begleiterin um ihn. Für die Halbmarathonis geht es ab nun nur mehr bergab ins Ziel.

Bei km19 gibt es noch eine gut frequentierte Labestelle. Im Schatten der Häuser auf der Mariahilfer Straße runter zum Kunsthistorischen Museum, hier trennt sich die Halbmarathonmeute vom Marathonfeld. Zwei große Bögen signalisieren das. Dazu gibt es Streckenposten, die auf die Startnummern achten und gegebenen Falls den Läufer aufmerksam machen.

Das Kunsthistorische Museum wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet, wie sein Schwestergebäude das Naturhistorische Museum, welches u.a. die weltgrößte Meteoritensammlung beherbergt. In beiden Museen kann man locker einen Tag verbringen.

Rechts das Heldentor, heute quasi der Zielbogen. Als ich mit den Marathonis daran vorbei laufe, höre ich den Zielsprecher die nahende Marathonsiegerin ankündigen: Cheyech Flomena wird in 2h 24min 34sec  siegen, ich bin unmittelbar vor der halben Distanz!

Nun geht es am Parlament vorbei und die nächsten km leicht abschüssig. Zwischen dem Burgtheater und dem Rathaus durch. Im Burgtheater bin ich gestern noch mit meinen Neffen gewesen. „Liliom“ – wer Gelegenheit hat: Nicht versäumen!

Vor der Hauptuni Wien ist der nächste Staffelwechsel, vorbei an der Votivkirche und ab in den 9. Bezirk. Es ist ruhiger geworden, aber aufgrund des großen Starterfeldes ist man auch als Marathonläufer nicht einsam. Bei einem Geländemarathon in Tschechien habe ich einmal 8km lang keinen einzigen weiteren Teilnehmer gesehen. Erst ab km33 wieder. Das hatte schon etwas Expeditionsartiges. War aber auch schön, so alleine durch die Wälder zu laufen.

Bei km23 gibt es wieder zu trinken, also verdursten muss heute keiner. Wenn es einmal etwas wärmer wird, ziehen für ein paar Minuten Wolken vor die Sonne und es kühlt wieder etwas ab. Ab und zu weht der Wind, ziemlich gut. Nun geht es wieder über den Donaukanal und wieder auf die Schüttelstraße, wir müssen noch einmal in den Prater.

Die vielen Brücken über den Donaukanal bedeuten auch immer ein paar Höhenmeter an deren Ende. Da kommt was zusammen. Km25 ist geschafft, ich bekomme ein flaues Gefühl im Magen, und erhöhe die Fotografierhäufigkeit. Das Tempo leidet darunter. Aber für heute bin ich froh, dass ich ohne Schmerzen an den Kniescheiben so weit gekommen bin und nächste Woche ist ja auch noch ein Marathon!

123
 
 

Informationen: Vienna City Marathon
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner
 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024