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Laufberichte

Wo ist Paul?

 
Autor: Joe Kelbel

Der Favorit Paul Biwott hat seinen Flieger in Nairobi verpasst und ich hänge im linksrheinischen Trubel fest. Vielleicht schafft es Paul noch mit Blaulicht vom Flughafen zum Start, ich jedoch bin alleine im U-Bahn-Wagen auf dem Weg zum Victoriaplatz. Von dort ist es ein gefühlt ewig weiter Weg zu den Rheinterrassen.

Die Rheinterrassen wurden in den wilden 20er Jahren für die “Weltausstellung” GESOLEI der Weimarer Republik gebaut. „Große Ausstellung für GEsundheit, SOziale Fürsorge und LEIbesübungen “, also passend zu diesem heutigen, denkwürdigen Düsseldorf Marathon. Sämtliche Gebäude im Startbereich zählen zu dem damals entstandenen Ensemble.

Der Rheingoldsaal ist heute Morgen für die Topathleten reserviert, die Messestände schon abgebaut. Die Startnummer bekomme ich nebenan in einem kleinen Kämmerlein, bin wohl einer der Letzten der 4250 Marathonläufer, der seine Unterlagen abholt. Carsten Eich steht plötzlich neben mir, holt aber nicht seine Startnummer, hat es aber auch so eilig, arbeitet  in der Organisation.

Deutsche Topläufer sind heute rar im Starterfeld. Lokalmatador André Pollmächter ist verletzt, Jan Fitschen, der Deutsche Meister im Halbmarathon und Philipp Pflieger, der Zweitplatzierte aus Regensburg, haben andere Pläne. Und ich hechte nun zur Kleiderbeutelabgabe, was nicht heißen will, dass ich ein Kleiderbeutelabgeber bin. Ich brauche nur später meinen Rucksack, um die berühmte Zielverpflegung einzusacken.

Nach dem Start der Handbiker starten die Einradfahrer. Die 28 Zoll Dinger sehen sehr wackelig aus. An der Startlinie sitzen die meisten schon auf den Wackelrädern, halten sich gegenseitig an den Schultern fest, während einige versuchen, sich schaukelnd vor der Startschwelle zu halten. Christina Eiger wird heute einen neuen Weltrekord fahren, doch den Vogel schießt Bill ab: Der arme Kerl schafft es einfach nicht aufs Rad. Rechter Fuß auf die Pedale, der linke trifft nicht. Und jedes Mal rammt er sich den Sattel unter den Augen der gröhlenden Zuschauer irgendwo rein. Als wir merken, dass er kein Wort Deutsch spricht, gibt der Moderator Anweisungen auf englisch. Das bringt ihn immerhin über die holprigen Startschwellen, mehr aber auch nicht. Die Zeit drängt, der Startbereich muss irgendwann frei werden. Ich bin froh Läufer zu sein, das ist manchmal schwierig genug.

Für die Elite ist es bestimmt auch nicht einfach. Christoph Kopp hat die Verträge mit den Hochlandafrikanern abgeschlossen. Er macht das Research, sucht über seine Kontakte den Nachwuchs in Afrika. Er steht zusammen mit Celine auf der Treppe vor der Rheingoldhalle und bespricht die Wettkampftaktik, welcher Hase ab welchem Kilometer und wo Platz machen muss und ähnliches. Celine  hat eine eigene Agentur, die die Afrikaner betreut: Visa, Flug, Unterkunft, Laufschuhe, einfach alles. Sie hat Paul Bigott (Startnummer 2, PB 2:06 :54 ) ein Ersatzticket besorgt, nun steht er ziemlich übermüdet am Start. Ich zwar auch, aber ich werde finishen, oder hat er seine Startnummer an die Ethiopierin Melkam Gizaw weitergereicht? Die steht jedenfalls mit seiner Startnummer in der Ergebnisliste.

Die meisten des tiefgebräunten Pulkes erscheinen nicht in der Ergebnisliste, nur der graubärtige Typ mit der 4503 scheint überall zu sein.

Duncan Koech, der Zeitplatzierte von Düdorf 2012 wird auch als Kandidat fürs Siegertreppchen genannt. Er ist sehr ruhig, kommt mir nicht vor die Linse. Dereje Debele Tulu tänzelt, er wird das Rennen heute machen, kassiert 5000 Euro für den neuen Streckenrekord. Er hätte 10.000 haben können, für eine Zeit unter 2:07:30, aber sein Tempomacher hat schlapp gemacht, ist zu früh ausgestiegen. Auch in solchen Fällen greifen Verträge. So mancher Tempomacher hat seinen Auftraggeber aber auch schon überholt und die Siegprämie unerwartet selbst kassiert und damit seine Vertragsstrafe bezahlt.

Christoph hat heute das beste Elitefeld zusammengestellt, das Düsseldorf je gesehen hat. Sieben Läufer, mit PB unter 2:10 treten an. Die Preisgelder rekrutieren sich aus dem Etat der Sponsoren, nicht aus den Startgeldern der Hobbyläufer. Die gehen voll und ganz in die Organisation und die Sicherung der Strecke.

Ganz unauffällig: René Strosny, er genießt heute beste persönliche Streckenbetreuung, was auch viel wert ist, und wird in 2:44:10 finishen. Veronica Pohl wird nach 23 Km wegen Achillisseuche aufgeben.

Ansonsten sind deutsche Spitzenläufer anscheinend nicht zuverlässig genug, wie Christoph erzählt, oder sagen wir mal so: die Schatzkiste der Hochlandafrikaner ist reich gefüllt. Wolfgang hat letztes Jahr vom kenianischen Trainingscamp berichtet: Es gibt unglaublich viele gute Läufer dort, und die finanzielle Entwicklungshilfe, die mit den Marathon-Preisgeldern geleistet wird, kommt dort auch wirklich an. Ist mir auch lieber als diese gezwungenen Spendentore.

Einige Polizisten stehen mit Schussweste im Startbereich, ist nicht unangenehm, obwohl man sich doch Gedanken machen muss, ob die Verteidigungsaufwendungen eines Landes nicht der Spiegel für dessen politische Beliebtheit sind. 

Trotzdem, Düsseldorf ist nicht so abgeschottet wie die ganz großen Läufe, bietet sehr viel Kontakt zu den Laufgrößen, und vor allem zu den Zuschauern.

Die Bürgermeisterin von Düsseldorf hat so viele Binde-Striche-Im-Namen, dass eine Namensnennung diesen Bericht sprengen würde. Allerdings hat die 45jährige wohl deswegen keine Bindegewebsschwäche, denn sie klettert souverän über das Absperrgitter auf die Tribüne (sehr riskant!), um den Startschuss zu geben.

Tatsächlich sind die Absperrgitter im Startbereich eines Stadtmarathons für mich immer ein Greuel, ganz schlimm war es in Rom, wo man wie Vieh, auf dem Weg zur Sterilisation durch die 2 Meter hohen Gitter getrieben wurde. Hier geht es. Ich finde noch nach dem Startschuss schnell einen Durchlass, kann auch ohne drohend-glühendes Eisen die ersten Kilometer schnell absolvieren, obwohl ich erst seit 30 Minuten in dieser Stadt bin und keine Zeit für ein Frühstück hatte.

Frühstück gibt es entlang der Strecke, in den rheinischen Städten wie Bonn, Köln, Düdorf. In Frankfurt und Hamburg ist das auch so. Ja, Hamburg liegt am Rhein.

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Informationen: Uniper Düsseldorf Marathon
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