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Laufberichte

Troisdorfer 6-Stunden-Lauf

12.11.06

 "Who's who" des deutschen Ultramarathonlaufes

 

Der 6-Stunden-Lauf, den das Marathon- und Ultra-Team in der Troisdorfer Leichtathletik-Gemeinschaft 1966 e.V. (M.U.T.) üblicherweise am zweiten Sonntag im November durchführt, ist eines der absoluten Highlights im Ultramarathon-Kalender eines jeden Jahres. Hier trifft sich vor Jahresschluss noch einmal alles, was in der Ultralaufszene einen Bekanntheitsgrad erlangt hat, sei es durch Spitzenleistungen oder sei es durch Vielstarterei. Wohl nur bei den Deutschen Meisterschaften im 100-km-Lauf steht mehr "Klasse" am Start. Was die Teilnehmer/innenzahl betrifft, so dürfte das Troisdorfer Meeting unter den inländischen 6-Stunden-Lauf-Veranstaltungen wohl konkurrenzlos sein.

 

Auch in diesem Jahr las sich die Voranmelder/innenliste wie das "Who's who" des deutschen Ultramarathonlaufes. Das große Interesse am Troisdorfer Rennen ist in erster Linie darin begründet, dass die Läufer/innen davon ausgehen können, von Ulli Knab und seinem vielköpfigen Mitarbeiter/innenteam eine perfekte Organisation angeboten zu bekommen. Unter Ullis Mitstreiterinnen und Mitstreitern befinden sich so wettkampf- und veranstaltungserprobte "Marathonis" und "Ultras" wie z.B. Ulrike Steeger, Sabine Schäfer, Michael Irrgang und André-Karl Willems.

 

Als am Sonntag, dem 12. November 2006, um 10.00 Uhr der Start zur diesjährigen Auflage freigegeben wurde, machten sich 46 Einzelläuferinnen und 129 Einzelläufer sowie 22 Staffeln auf den Weg, möglichst viele km zurückzulegen. Gelaufen wurde die übliche 2.500 m lange Runde, in der man auf einem befestigten Hochwasserschutzdammweg und auf asphaltierten Siedlungsstraßen das Aggerstadion umkreiste. In der Internetausschreibung lautete die Streckenbeschreibung: "Landschaftlich schöner 2,5-km-Rundkurs, absolut flach, nicht windanfällig, 80 % asphaltiert, 20 % wassergebundene Decke auf Deichkrone."

 

Dieser Bewertung kann man sich anschließen. Sie ist aber insofern zu ergänzen, als der exakten Streckenlänge wegen ins Stadion hineingelaufen werden musste. Auf der dortigen Kunststoffbahn war eine Pendelstrecke zu absolvieren. Und logischerweise an jener Stelle, von der aus der Start erfolgte, musste die alljährlich den Wendepunkt markierende Puppe umlaufen werden. In diesem Bereich war "am meisten los": Zum einen erfolgte hier die ChampionChip-Rundenzählung. Zum anderen wechselten an gleicher Stelle die Staffelmitglieder. Außerdem informierte (wie bereits in den letzten Jahren) der mit einer sonoren Stimme ausgestattete Moderator Bernd Sehmisch durch sachkundige Kommentierungen die dort Anwesenden über das Renngeschehen.

 

Ein weiteres "Schmankerl" in diesem Abschnitt: Es wurden Musikwünsche erfüllt, die man im Rahmen der Online-Anmeldung äußern konnte. Ich hatte mir bei dieser zunächst den Scherz erlauben wollen, den "Königsjodler" einer bekannten deutschen Interpretin von Alpenliedern zu bestellen. Aber das war mir dann selbst zu krass. Und so war ich auf den "Kurhaustanzteeschmusesong" von Engelbert "Release me" umgeschwenkt in der Hoffnung, auch diese Melodie könnte meine Konkurrenten gehörig schocken. Leider blieben mein Musikwunsch unberücksichtigt und die Schockwirkung aus.

 

Noch am Vorabend hatte die online-Wettervorhersage für die Region Troisdorf zu allen Tageszeiten des Sonntags dunkelgraue Wolkensymbole mit 2 Tropfen angezeigt, was so viel wie "intensiver Dauerregen" bedeutete. Und auch im Fernsehen waren ein solcher und dazu heftige Windböen angekündigt worden. Während des Rennens selbst (sowie in der Stunde vor und nach diesem) trafen diese Prophezeiungen alle nicht zu. Zwar fielen in den ersten beiden Laufstunden manchmal ein paar Tropfen. Und nach 2 sowie nach 4½ Stunden Laufzeit gab es auch einen jeweils kurzen Regenschauer. Ansonsten war aber die Bewölkung die meiste Zeit über aufgerissen, und häufig schien sogar die Sonne. Auch der Wind und die kühle Temperatur (ca. +10° Celsius) hielten sich in Grenzen. Dennoch beklagten einige Teilnehmer/innen die Wetterumstände. Na, immerhin befanden wir uns ja inzwischen im Monat November. Was sollte man da noch an Milde erwarten. Und, siehe Wettervorhersage, es hätte viel schlimmer kommen können.

 

Spannende Positionskämpfe und großartige Endergebnisse im Spitzenbereich prägten diesen Wettkampf.

 

Zunächst hatte Ilona Schlegel vom Melpomene Bonn e.V. die Führung bei den Frauen übernommen. Sie ist im Ultralauf schon seit Jahren eine "feste Größe". Es gibt keine Distanz, bei der man Ilona Defizite nachsagen könnte. Beim "Koelner12er 2005" hatte sie sogar mit 131.159 m den Gesamteinlauf gewonnen. Und beim diesjährigen "World Challenge 24h" in Taipei vertrat Ilona als einzige Frau die deutschen Farben.

 

Nach zwei Runden setzte sich jedoch in beherzter Manier Anja Samse vom Marathon-Club Menden an die Spitze des Teilnehmerinnenfeldes. Ob das denn gut gehen würde? Anja hatte zwar im Vorjahr am 02.10. mit 64.344 m beim 6-Stunden-Lauf in Köln-Weiden und am 19.11. mit 9:57:17 Stunden beim 100-km-Lauf von Kairo die Damenwertungen gewonnen. Auch war sie bereits bei mehreren Marathonläufen "auf dem Treppchen gestanden". Dennoch war Anja als Ultraläuferin bislang eher ein "unbeschriebenes Blatt".

 

Ca. 4 Stunden lang konnte sich Anja ihrer Spitzenposition erfreuen. Doch dann spielte Ilona, die Anja stets in kurzer Entfernung gefolgt war, ihre gesamte Routine aus. Sie passierte Anja und setzte sich von dieser sukzessive ab (Endergebnis 70.659 m). Doch wer geglaubt hätte, dass Anja nun resignieren und einbrechen würde, der hatte sich in der zierlichen Mendenerin getäuscht. Anja biss sich durch und steigerte ihre 6-Stunden-Bestleistung von obigen 64.344 m auf 70.034 m. Dies kann man eigentlich nicht als Verbesserung bezeichnen. Man muss es eher schon einen "Quantensprung" nennen. Wenn Anja es gelingt, ihre berufliche Selbständigkeit und ein gezieltes Training "unter einen Hut zu kriegen", werden wir noch viele beeindruckende Ergebnisse von ihr lesen können.

 

Nicht minder interessant war die Situation an der Spitze des Männerfeldes. Helmut Dehaut vom VT Zweibrücken erzielte zwar einen Start-Ziel-Sieg. Damit wiederholte er seinen Vorjahreserfolg, und er übertraf sogar noch seine vorjährige Leistung von 85.352 m mit diesjährigen 85.565 m (erneut also ein echtes Weltklasseresultat). Dennoch konnte sich Helmut seiner Sache nie so ganz sicher sein. Denn mit ebenfalls herausragenden 84.097 m folgte ihm der russische (?) Läufer Alexander Zapretilin.

 

Besonders spannend verlief zunächst das Duell zweier "alter Haudegen". Wolfgang Schwerk (Sri Chinmoy Marathon Team; 100-km-Bestzeit 6:44:58 Stunden, 24-Stunden-Bestleistung 276.209 m, seit über 25 Jahren absolute Weltklasse auf den superlangen Ultradistanzen, Inhaber mehrerer Weltrekorde, im Mai dieses Jahres Sieger beim 48-Stunden-Lauf in Surgéres mit 392.067 m, in Juni/Juli dieses Jahres in New York Verbesserung des eigenen Weltrekordes über 3.100 Meilen [= knapp 5.000 km] auf 41 Tage 8 Stunden 16 Minuten 29 Sekunden) und Robert Wimmer (LG Nürnberg; Sieger des Trans-Europa-Laufes 2003 von Lissabon nach Moskau über 5.016 km in 480 Stunden 29 Minuten und Anfang April dieses Jahres in Stein/NL schon 80.550 m innerhalb von 6 Stunden gelaufen) fegten dicht beisammen in einem Tempo über die Runde, dass man auch ihnen Ergebnisse über 80 km zutrauen musste.

 

René Strosny vom Bautzener LV hingegen hielt sich zu diesem Zeitpunkt noch zurück. Nach ca. 35 km schienen Wolfgang und Robert ihrem hohen Beginntempo Tribut zollen zu müssen. Robert zog sich nun zudem noch eine Oberschenkelverletzung zu. Als auch sein Versuch scheiterte, joggend über die Runden zu kommen, musste Robert nach 15 Runden (37,5 km) das Rennen beenden. Inzwischen war Renés große Zeit gekommen. Er hatte sich mit dem für ihn typischen leichtfüßigen Schritt auf Rang 3 vorgeschoben, und es blieb nur noch die Frage, ob er an diesem Tage die 80-km-Marke überbieten würde. Schade, mit 79.500 m verfehlte René diese Barriere relativ knapp.

 

Auf einen unerwarteten 4. Platz hatte sich in einem beeindruckenden Finale noch Dr. Daniel Beha vom Cis Amberg vorgekämpft (78.087 m). Rang 6 hinter Wolfgang Schwerk (77.217 m) belegte mit 76.579 m Michael Claesges vom TSV Hochdahl, was eigentlich weniger überraschte, wenn man wusste, dass Michael zwei Wochen zuvor mit einer 2:53-Stunden-Zeit den "Toyota-Yvel-Marathon" in Düsseldorf-Garath gewonnen hatte.

 

Ganz besondere Erwähnung verdient noch das großartige Ergebnis von 62.641 m, dass die blinde und deshalb von einem Partner geführte Läuferin Regina Vollbrecht vom SSC Berlin zu erzielen vermochte. Ich möchte diese bewundernswerte Sportlerin von hier aus ganz herzlich zu ihrer Superleistung beglückwünschen.

 

Die drei erstplatzierten Frauen (von 46 Starterinnen):


1. Ilona Schlegel, Melpomene Bonn e.V., 70.659 m
2. Anja Samse, Marathon-Club Menden, 70.034 m
3. Renate Nikelowski, Köln, 67.511 m

 

Die drei erstplatzierten Männer (von 129 Startern):


1. Helmut Dehaut, VT Zweibrücken, 85.565 m
2. Alexander Zapretilin, OAO Uralskaya Folga, 84.097 m
3. René Strosny, Bautzener LV, 79.500 m

 

Informationen: Troisdorfer 6-Stunden-Lauf
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