Der Vierwaldstättersee gehört zu den beliebtesten Ferienregionen in der Schweiz. Gerade jetzt im Herbst kann er seine ganzen Stärken ausspielen. Im milden Klima gedeihen Zypressen, Feigen und Yuccapalmen, während das bunte Laub an den Ufern hervorragend mit dem großartigen Bergpanorama im Hintergrund korrespondiert. Seine verwinkelten Buchten mit einer Gesamtlänge von 162 km lassen immer wieder neue Perspektiven zu, so dass man sich nie satt sehen kann.
Luzern liegt am Abfluss der Reuss aus dem Vierwaldstättersee. Mit 60 000 Einwohnern ist sie die achtgrößte Stadt der Schweiz und Hauptstadt des Kantons Luzern. Den Beinamen „Leuchtenstadt“ hat Lucerne nicht (oder nicht nur) wegen der vielen schlauen Leute, die hier wohnen. Der Sage nach hat ein Engel mit einem Licht die Stelle markiert, wo die St. Nikolauskapelle gebaut werden sollte, aus deren Ansiedlungen dann Lucerne entstand.
Mit Eröffnung des Gotthardpasses mauserte sich das unbedeutende Fischerdorf zum Zentrum des Warenumschlags in Europa. Ehemals zum Österreichischen Hause Habsburg gehörend, wurde 1332 ein Städtebund mit den Waldstätten, das sind die drei Urkantone der Schweiz, geschlossen. Nicht nur für Luzern, sondern für das Überleben der gerade gegründeten Eidgennossenschaft war dies von großer Bedeutung. So könnte man sagen, dass der Vierwaldstättersee der Nabel der Schweiz ist, weil die vier Gründerkantone Unterwalden, Schwyz, Uri und Luzern an seine Ufer grenzen und ihm so seinen Namen gaben. Eigentlich wäre es folgerichtig, wenn Luzern damals Hauptstadt der Schweiz geworden wäre. Aber am Vierwaldstädtersee hatte man auch politisch schon immer einen eigenen Kopf und so wurde Bern der Vorzug gegeben.
Wegen der Lage am See wurden hier schon früh vier große Brücken gebaut. Die Hofbrücke entstand um 1250; wurde jedoch 1834 abgerissen. Die Kapellbrücke stammt aus dem Jahr 1300 und war damals Bestandteil der Befestigungsanlage. Die Spreuer Brücke hat ihren Namen von den Laub und Spreu, das nur hier in die Reuss geschüttet werden durfte. Die Reussbrücke schließlich war der älteste Flussübergang. Nur so konnte die Stadt in ihren Ausdehnungen überhaupt entstehen. Mittlerweile sind inklusive der Autobahnbrücke noch 5 neuere Brücken hinzugekommen.
Zum 9. Mal wird in diesem Jahr der Swiss City Marathon Lucerne ausgetragen. Unser erster Eindruck ist, dass die optimale Präsentation der Stadt hier große Bedeutung hat. So befindet sich die Startnummernausgabe am Samstag nicht, wie sonst üblich, in einer Turn- oder Messehalle. Nein, mit dem 5 Sterne Hotel Schweizerhof öffnet eine der besten Adressen von Luzern seine Räumlichkeiten. Im gediegenen Ambiente von Stuck und Säulen kann man über die Marathonmesse schlendern und dann direkt seine Startnummern abholen. In einem weiteren Saal gibt es die Möglichkeit, auf der Pastaparty, die im Preis inbegriffen ist, mit Nudeln oder Rösti die Kohlehydratspeicher zu füllen.
Der Start am Sonntag erfolgt in der Haldenstraße, eine der großen Verkehrsachsen im Stadtzentrum. Als wir uns um 8 Uhr zum Start begeben, darf hier nur noch der letzte Bus fahren. Dann übernimmt ein Schiffshuttle über den See den Transport von Läufern und Gästen. Wegen der stabilen Wettervorhersagen können wir auf die angebotene Kleiderabgabe verzichten und sparen uns den Marsch zum Verkehrsmuseum und dem dahinterliegenden Schulhaus bzw. Sportcenter Würzenbach.
Gegen 9 Uhr wird es im Startbereich langsam voll. Weil die Startzeiten für die einzelnen Blöcke vorher bekannt sind, kommt keine Hektik auf. Ich weiß, dass mein Block erst um 9 Uhr 22 dran sein wird und nutze die Dixis, die alle paar Meter im Startbereich verteilt sind. Norbert wird mit mir starten und so genießen wir gemeinsam die rummelige Vorstartatmosphäre und die schöne Aussicht auf den See mit der Bergkulisse. Der Sprecher sagt immer mal wieder die Uhrzeit und die verbleibenden Minuten durch. Langsam wird es ernst. Es wird herunter gezählt und der Startschuss für die erste Gruppe ertönt. Während der Sprecher uns über den Verlauf des Starts informiert, rücken wir langsam auf. Nun werde ich aber doch nervös. Die Führenden sind bereits am Kulturzentrum vorbei, als der unser Startblock auf die Strecke geschickt wird.
Im dichten Feld geht es geradeaus. Bereits kurz hinter dem Start erwartet uns die erste Live Musik. 50 Musikdarbietungen sollen es an der Strecke sein. Da wir die 21 km doppelt laufen, sind das rechnerisch alle 400 m eine Kapelle. Ich kann schon vorwegnehmen, dass das auch tatsächlich so ist. Rechts und links wird die Straße eingerahmt von gründerzeitlichen Gebäuden, wie das langgezogene Casineum, einen bekannten Club mit Casino, während gegenüber die Fassade der Markuskirche einen attraktiven Kontrast bildet. Ein Spalier von Zuschauern säumt die komplette Straße. Am Vortag herrschte hier noch Verkehrsgetümmel und nun steppt der Bär. Musik liegt in der Luft und der Jubel der Zuschauer übertönt das Ganze noch. Links haben wir zwischen den Zuschauern hindurch einen schönen Blick auf den See und die Silhouette der Altstadt. Rechts liegt das bereits erwähnte Hotel Schweizerhof.
Es geht nahtlos weiter auf den Schwanenplatz, wo hinter der Showbühne der Juwelier Bucherer residiert, einem der größten Uhren- und Schmuckhändler Europas. Es geht um eine weite Kurve auf die Seebrücke zu. Rechts liegt als Blickfang ein Turm, der zum „Haus zur Gilgen“ gehört. Das mächtige Privathaus wurde 1510 errichtet und gehörte früher zur Stadtbefestigung. Beim Passieren der langen Seebrücke kann man, da das Feld mittlerweile etwas auseinander gezogen ist, rechts die parallel verlaufende Kapellbrücke bewundern. Sie ist das Wahrzeichen Luzerns und die älteste Holzbrücke Europas, datiert auf das Jahr 1365. Nachdem sie 1993 fast vollständig abgebrannt war, konnte sie bereits ein Jahr später, komplett restauriert, wieder eröffnet werden. Weit über 10 000 Fußgänger überqueren täglich diese Brücke.
Vor dem Bahnhof werden wir links geleitet. Das moderne Gebäude, mit Shopping Mall im Untergeschoss, wurde 2001 neu eröffnet, nachdem der historische Bahnhof einem großen Brand zum Opfer gefallen war. Einzig das große Eingangsportal von 1896 erinnert an den vergangenen Glanz. Während die Straße nach rechts abbiegt, gelangen wir über einen Holzsteg geradeaus auf den Europaplatz vor dem KKL, dem Kultur- und Kongresszentrum. Ursprünglich sollte das Gebäude direkt ins Wasser gebaut werden, was aber den baulichen Auflagen nicht entsprochen hätte. So integrierte der Architekt kurzerhand das Wasser in Form von Kanälen und Brunnen in seine Pläne, was der exponierten Lage an der Bucht des Sees natürlich entgegen kam. So ist nicht nur eine exzellente Konzerthalle entstanden, sondern auch ein architektonisches Juwel, das die internationale Bedeutung der Schweizer Metropole unterstreicht.
Vielstimmiges Alphorngebläse empfängt uns in der Werftstraße. Im Ensemble erscheinen mir die Töne weicher als sonst, irgendwie samtig. Sie tragen einen förmlich davon. Zwischen den Gebäuden von Hochschule, Hotels und Gastronomie scheint es ein Echo zu geben. Ich schwebe nur noch so dahin. Hinter dem Eissportzentrum geht es ein Stück bergauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Im Stadtteil Wartegg / Schönbühl haben die Helfer an der VP alle Hände voll zu tun. Nach knapp 5 Kilometern sind die Getränke bereits heiß begehrt. Die Guggenmusik Rotseemöwen unterhält derweil mit flotten Rhythmen.
Die nächste Steigung ist bereits in Sicht. Hier steht die Guggenmusik „Nölli Grötze Lozärn“ kurz vor dem Gipfel und treibt die Läufer unwiderstehlich hinauf. Dahinter hat sich eine Abordnung der Freiwilligen Feuerwehr von Horw postiert und grüßt mit einem mannshohen Transparent die Läufer. Wir sind nun oberhalb, ganz nah am See. Noch verhindern ein Zaun und hohe Bäume den direkten Blick. Die Berge am gegenüberliegenden Seeufer sind jedoch zum Greifen nah. Es geht wieder bergab.
Alle paar hundert Meter ändert sich die Strecke: Gerade noch sind wir direkt oberhalb des Sees, dann sieht man wieder vereinzelt Häuser und auf einer großen Weide grasende Kühe, kleine und größere Villen liegen versteckt hinter Bäumen. Bei km 7 wird es dann komplett grün mit dem Luzerner Hausberg Pilatus im Hintergrund. Obwohl es heute noch recht diesig ist, ist der Gipfel schon gut zu erkennen. Vom See ab führt die steilste Zahnradbahn der Welt auf 2.132 m Höhe.