marathon4you.de

 

Laufberichte

78,5 Kilometer - das ist der Gipfel!

30.07.05
Autor: Klaus Duwe

„Auf die Dauer hilft nur Power"

  

Dieses Jahr feiert der Swiss Alpin Marathon Jubiläum. Kein Mensch hatte vor 20 Jahren dem „verrückten Rennen“ eine solche Lebensdauer, geschweige denn eine solche Entwicklung zugetraut. Als Andrea Tuffli, Ideengeber und OK-Chef, seinerzeit die Gespräche mit Genehmigungsbehörden und potentiellen Sponsoren führte, war man mehr als skeptisch. Aber Tuffli, selbst Marathonläufer, verfolgte  mit Ausdauer und Beharrlichkeit (manche nennen es auch Sturheit) sein Ziel und setzte mit vielen Helferinnen und Helfern (unter ihnen damals schon der „Streckenarzt“ Beat Villiger) seinen Plan in die Tat um und am 27. Juli 1986 startete der erste Swiss Alpine Marathon.

 

Die Ultrastrecke ging damals über den Sertig-Pass und war 67 Kilometer lang. Das Interesse bei den Läuferinnen und Läufern und bei den  Medien war von Anfang an riesig. 1.200  Teilnehmer wurden gezählt. Davon wagten sich über 900 auf die ultralange Strecke.

 

Bei der  10. Auflage 1995 schien der Höhepunkt mit über 3.000 Teilnehmern auf den verschiedenen Laufstrecken erreicht. Der Lauf hatte sich längst etabliert und die Ultradistanz galt als eine der härtesten Prüfungen überhaupt. Dann der große Einschnitt 1998. „Jetzt ist er endgültig übergeschnappt, der Andrea,“ war aus dem Umfeld von Tuffli zu hören. Dabei hatte er „nur“ eine Streckenänderung vorgeschlagen. Nicht mehr der Sertig-Pass (der Abstieg über das Geröll zur Chleinalp hatte vielen arg zugesetzt), sondern die Keschhütte und der Scaletta-Pass sollten auf dem Weg  zurück nach Davos passiert werden.  Die Laufstrecke sollte sich damit auf sagenhafte 78,5 Kilometer und die Höhendifferenz auf 2.320 Meter addieren. Der  K 78 war geboren.

 

2002 werden erstmals mehr als 4.000 Läuferinnen und Läufer gezählt. Trotz des anhaltenden Erfolges ruht sich niemand auf den Lorbeeren aus. Immer neue Ideen werden geboren und umgesetzt. So zum Beispiel 2003 der C 42 von Davos nach Bergün, im Vergleich zu den anderen Strecken eine Art  „Light-Version“.

 

Jetzt zum 20. Jubiläum dann fast eine Revolution. Erstmals gibt es einen Halbmarathon (K 21) und alle Strecken enden in Davos: C 42 - Start in Bergün, K 28 - Start in Filisur, K 21 (mit Walking) Start in Wiesen. Nur für den K 78 (Start in Davos) und den K 42 (Start in Bergün) war das schon immer so. "Der Swiss Alpine Marathon steht vor der grössten Herausforderung der Geschichte. Er kommt nun als komplett neuer Event daher,“ so Andrea Tuffli vor der Presse.

 

Die Neuerungen und das Jubiläum treiben die Meldezahlen nach oben. Schon Wochen vor dem Start zeichnet sich ein neuer Teilnehmerrekord ab. Ich bin nervös wie ein Schüler vor der Prüfung. Letztes Jahr musste ich aussteigen. Ich hatte Herzrhythmus-Störungen und bin nur Dank der Begleitung und dem Zureden von Eberhard, der aus anderen Gründen vom K 78 „umbuchte“,  in Bergün als einer der Letzten noch als Finisher des C 42 gewertet worden.

 

Rothaarsteiglauf im Sauerland, Hornisgrinde-Marathon im Schwarzwald, der Zermatt- und der Arlberg-Montafon-Marathon stehen auf meiner Vorbereitungsliste. Meine Wadenprobleme haben sich erledigt. Ich bin fit. Trotzdem immer wieder Zweifel. Ich tausche unzählige Mails mit Eberhard. Ich will es schaffen, es ist mein Traum seit ich laufe.

 

Im Kongresszentrum, wo sonst Wirtschaftsbosse und Politiker aus aller Welt über deren Verbesserung debattieren, finden schon die ganze Woche über Vorträge und Seminare in Zusammenhang mit dem Swiss Alpine Marathon statt. Bis Freitagabend gibt es hier die Startunterlagen und eine Marathonmesse.

 

Ein ganz besonderes Erlebnis ist der Gottesdienst im Saal Aspen. „Auf die Dauer hilft nur Power“, heisst das Motto. Die Ansprache des lauferprobten Geistlichen Jean-Bernard Berger  ist sehr emotional und nicht minder überzeugend. Als er zum Schluss kommt, hält er einen Energie-Riegel hoch und sagt: „Wenn Ihr die Energie  aus diesem Riegel haben wollt, müsst Ihr ihn essen. So ist es auch mit dem Glauben. Er gibt Euch Power. Ihr müsst Euch nur darauf einlassen.“

 

Jetzt kann nichts mehr schief gehen. Nur der Schweizer Wetterdienst hat sich noch nicht festgelegt. Es kann Gewitter geben. Erst ist die Nacht und der Samstagmorgen dafür vorgesehen, dann der Nachmittag. Fast ist mir das egal. Ich bin hier, und ich will es schaffen.

 

Im Sportzentrum findet die Pastaparty statt. Eine Riesenschlange hat sich gebildet, um die leckeren Nudeln in Empfang zu nehmen. „Große oder kleine Portion?“, fragt die junge Dame. „K 78,“ ist kurz und bündig die Antwort. Die Nudeln passen dann kaum auf den Teller.

 

Die Atmosphäre ist einmalig. Läuferinnen und Läufer aus ganz Europa und Übersee treffen sich und es scheint, jeder kennt jeden. Plötzlich kommen stürmische Winde auf. Die Fahnen flattern aufgeregt, einzelne Werbebande werden aus der Befestigung gerissen. Kommt jetzt das Gewitter? Nicht schlecht, dann haben wir’s hinter uns. Nach 20 Minuten ist der Spuk vorbei. Nichts war’s.

 

In der Stadt wird am Freitagabend ein großes Straßenfest gefeiert. Überall sind Musik- und Aktionsgruppen oder Imbiss- und Getränkestände. Dazwischen zahllose Läuferinnen und Läufer, an den bunten Finisher-Shirts aus aller Welt leicht zu erkennen. „Viel Glück morgen.“ „Danke, Dir auch.“

 

Ich kann nicht gut schlafen. Es ist laut. Erst noch die Musik, dann das Gegröhle der Nachtschwärmer. Allerdings: wäre ich nicht so aufgeregt, würde ich schlafen und es nicht hören.

 

Ab 5.30 Uhr gibt es Frühstück. Ich bin nicht der Erste. Es geht noch anderen so. Als ich das Büffet sehe, denke ich, ich sei auf einer Hochzeit. Die Versuchung ist groß. Ich bleibe aber bei den bewährten Marmeladebrötchen und freue mich schon auf den „Morgen danach“.

 

Endlich treffe ich Eberhard. Er ist gestern erst spät eingetroffen und ich habe ihn deshalb nicht mehr gesehen. Er ist Mathematiker und informiert mich sofort über seine neuesten Zwischenzeit-Berechnungen. Seine und meine Bedenken sind nämlich ausschließlich die unserer Meinung nach „knappen“ Zeitlimite in Bergün (km 39 - 13.00 Uhr) und auf der Keschhütte (km 52 - 15.40 Uhr). Aber jetzt sind wir  sicher: wir schaffen es. Das Wetter ist ideal: Sonne und Wolken, mit 16 Grad eher etwas zu warm. Eine Steelband spielt gekonnt und sorgt für Stimmung.

 

Um 7.45 starten die Biker als erste Staffel des „Alpinathlon“.  Die weiteren Disziplinen sind Skaten und ab Bergün Laufen.  Endlich, 8.00 Uhr, es geht los. 1.300 Läuferinnen und Läufer machen sich auf den 78,5 Kilometer langen Weg. Vor dem Sportzentrum ein Riesenjubel. Auch überall in der Stadt, die wir in einer großen Schleife durchlaufen, stehen die Menschen und bestaunen und beklatschen das bunte Läuferfeld. Es ist wie immer – ich suche den Hebel zur Euphoriebremse. 

 

Im Zuge der vielen Änderungen wurde auch die Strecke des K 78 modifiziert. Es geht nicht mehr über die bequeme Teerstraße nach Frauenkirch, sondern in Davos unter der Bahnunterführung durch und dann links neben den Bahngeleisen talwärts.


Obwohl wir bis Filisur 500 m an Höhe verlieren, wechseln Gefällstrecken mit teilweise kräftigen Anstiegen ab. So zum Beispiel in Spina. Ein grüner Willkommensgruß  ist über der Straße angebracht und ein paar Burschen schwingen unermüdlich riesige Kuhglocken. Dann geht’s weiter nach Monstein. Malerisch steht links die alte Kirche, dann erreichen wir den Ort mit der höchstgelegenen Brauerei Europas. Auch hier haben heute morgen die Menschen nichts anderes zu tun, als die „Alpines“ zu begrüssen. Die Herzlichkeit geht unter die Haut.

 

Das Laufen macht richtig Spass. Ich habe überhaupt keine Probleme und unterbreche meinen Lauf nur an den steilsten Stellen, um Kraft zu sparen. Schließlich habe ich im Gebirge mit einer solchen Distanz überhaupt keine Erfahrung. 42 Kilometer waren bisher das Äußerste.

 

Nun geht es talwärts durch das wildromantische Landwassertal. Dunkle Wälder, steil aufragende Felswände, wilde Bäche und schmale Stege bilden die Kulisse. Bilder zum Staunen. Höhepunkt ist zweifellos das Wiesner Viadukt, das nach dem Lauf durch zwei dunklen Tunnels erreicht wird. Hier wird der Fluß in über 100 m Höhe parallel zur Bahnlinie überquert. Eines der meist fotografierten Motive auf der ganzen Strecke.

 

Gleich erreichen wir bei ungefähr km 25 den Bahnhof Wiesen. Unwillkürlich denke ich an letztes Jahr. Hier begann mein Leiden. Ganz plötzlich wurde mir schwindelig, mein Puls ging hoch und erreichte Werte von weit über 200. Bald hatte ich kaum noch Kraft und konnte immer nur noch für ein paar Minuten gehen, musste dann rasten, bevor es wieder ein Stückchen weiter ging. Jetzt hätte ich gerne Eberhard in meiner Nähe, um ihm noch einmal Danke zu sagen. Aber er hat seinen eigenen Zeitplan und ist etwas hinter mir. Also weg mit der Erinnerung, heute ist alles anders. Heute geht es mir gut, ich schaffe es.

 

Gleich nach dem Viadukt kommt der Bahnhof. Die Schranken sind zu. Ich bleibe stehen. Neben mir eine junge Frau, im Haar eine große, künstliche Margarite. Die kenn ich doch? Genau, letztes Jahr im Bahnhof in Bergün weinte sie bittere Tränen. Sie hatte in Chants das Zeitlimit nicht geschafft, und musste zurück. Daniela heisst sie. Und auch sie ist sich sicher: ich schaffe es.

 

Es geht noch einmal kurz steil bergan und dann nur noch abwärts bis Filisur. Unten sehe ich den türkisfarbenen, kleinen See und höre schon die Lautsprecher, die im ganzen Ort aufgestellt sind. Begrüßungsworte für die Alpines wechseln sich mit fetziger Musik ab. Es ist ein Hochgenuss, in dieser einmaligen Atmosphäre durch die engen Gassen mit den alten Holzhäusern rechts und links zu laufen. Wieder stehen viele Menschen an der Straße, klatschen und rufen uns Aufmunterndes zu. 30 Kilometer sind erreicht und ich bin kein bisschen müde.

 

Am Ortsausgang ist eine der ungezählten Verpflegungsstationen. Es gibt Wasser, Iso, Tee, Bananen und Riegel. Über die Hauptstraße geht es ein Stück abwärts ins Tal des Flüsschens Albula. Ungefähr 7 Kilometer zieht sich der Weg dahin, erst ganz langsam und dann hinter Bellaluna steil ansteigend. Irgendwo davor steht der Hinweis „45 Kilometer“. Nach hiesiger Schreibweise heißt das, noch 45 Kilometer zu laufen. Mehr als ein Marathon. Es erschreckt mich nicht.

 

Dann sind wir auf der Verkehrsstraße nach Bergün. Ein Blick zurück ins tiefe Tal, dann trabe ich langsam wieder los. Die Sicht auf den alten Ort mit der markanten Kirche ist einmalig schön. Auf die Sekunde genau um 12.30 Uhr bin ich am Kleiderdepot am Ortseingang. Genau so war meine (heimliche) Kalkulation. Per Lautsprecher und mit viel Applaus werden wir begrüßt. Ich hab mir meinen Laufrucksack mit Getränk, Gel-Chips, Shirt und Anorak hierher bringen lassen. Ich schaue zum Himmel, sehe halb grau und halb blau und entscheide mich dafür, nur den Anorak, die Chips und die Trinkflasche mitzunehmen. Den (ungewohnten) Rucksack lasse ich zurück. Noch eine Stärkung, dann geht es auf der  schmalen Hauptstraße durch den Ort. Häuser und Straßen sind bunt geschmückt.

 

Um 11.30 Uhr wurde in Bergün der K 42 und um 11.45 Uhr der C 42 gestartet. Der C 42 ist mit einigen Ausnahmen identisch mit dem K 78 in Gegenrichtung. Der K 42 macht eine Schleife um den Ort und teilt sich dann die weitere Strecke mit dem K 78 bis zum Panoramatrail. Bis dahin ist aber noch lange hin. Noch einmal denke ich an letztes Jahr, als hier für mich Schluss war. Ich bin dankbar, dass es mir heute gut geht und bin gespannt, wie es weiter geht.

 

Viele Menschen feuern uns an und wünschen Glück. Ich  genieße den Lauf durch den Ort. Es geht die gepflasterte Dorfstraße hoch, dann links hinunter, über den Bach und schließlich hinein ins Val Tuors. Zuerst ist der Weg noch geteert, dann wird er schmaler und steinig. Die Steigung ist moderat und ich laufe über weite Strecken. Rechts ist der tosende Gebirgsbach unser ständiger Begleiter.

 

Irgendwann kommt das Schild „35 Kilometer.“ Mehr als die Marathondistanz liegt hinter mir. Das spüre ich auch in den Beinen. Aber der Kopf ist frisch, die Motivation stimmt, ich kenne nur ein Ziel: Keschhütte und dann Davos. Ich erreiche die kleinen Häuschen von Davant und kurz vor 14.00 Uhr Chants, das herrliche Ausflugsziel am Talschluß. Hier herrscht ziemlich Betrieb. Alles ist unterwegs, Wanderer, Biker, Spaziergänger und Schaulustige. Alle machen uns Mut vor dem Aufstieg, der gleich nach der Überquerung des tosenden Baches beginnt.

 

Zuerst geht es ja noch ganz „gemütlich“ in Serpentinen bergauf, dann wird es steiler, steiniger und immer unwegsamer. Alpine, wie der Name schon sagt. Der Wald ist nicht sehr dicht und spendet nur hin und wieder etwas Schatten. Ich bin froh, dass ich etwas zu trinken bei mir habe. Bald liegt die Baumgrenze hinter mir. Immer noch geht es steil bergauf. Dann weit vor und über mir ein weißes Zelt, die nächste Verpflegungsstelle – vielleicht die Keschhütte? Nein, aber ich sehe sie jetzt - am Ende eines ewig langen, schmalen und steilen Pfades.


Viele Wanderer kommen uns aus der Richtung entgegen. Sie sind voller Bewunderung, klatschen und spornen uns an. Es ist genau 15.00 Uhr. Vierzig Minuten habe ich demnach noch Zeit. Das reicht. Um 15.25 Uhr bin ich an der  Keschhütte. Der Empfang auf 2.632 Meter Höhe ist unglaublich. Eine Jazzband spielt unermüdlich und die umstehenden Menschen sind vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen.

 

Es ist frisch hier oben. Es geht ein starker Wind und der Himmel zieht sich immer mehr zu. Nur hinter dem Piz Kesch (3.417 m) ist der Himmel blau. Nach der Hütte geht es steil abwärts. Der Weg ist so schlecht, dass ich mich konzentrieren muss. Ich komme das erste Stück nicht viel schneller vorwärts, als vorhin bergauf. Dann teilt sich der Weg. Der K 42 geht geradeaus abwärts zur Alp Funtauna. Ich gehe links auf den legendären Panoramatrail. Der Weg ist so schmal, dass er die Läufer des K 42 nicht zusätzlich aufnehmen kann. Heute ist er sogar für alle anderen Wanderer gesperrt. Flache Passagen wechseln sich mit leichten Anstiegen und Gefällstrecken ab. Immer wieder kreuzen mehr oder weniger breite und tiefe Bächlein den Weg. Der Langsamste bestimmt das Tempo. Überholen ist mit Drängelei verbunden und tut hier niemand. Manchmal bleibt jemand stehen und lässt mich passieren. Dann mach ich ein Foto, und bin wieder hinten. Ich hab absolut keinen Druck mehr. Ich liege in der Zeit und bin sicher, ich schaffe es.

 

Sogar mitten in diesem unwegsamen Gelände kommt eine Verpflegungstelle. Zusätzlich zur schon gewohnten Vollpension gibt es hier Rosinen. Ich kann davon nicht genug kriegen. Dann geht’s weiter. Die Wolken werden dichter und bald sind wir mitten drin. Ich sehe nur noch auf den Weg, überquere zwei kleine Schneefelder, dann geht es über Felsbrocken weiter bergauf. Rechts und links sind durchgängig Markierungsbänder angebracht. Dann höre ich von weitem Stimmen.  Ganz unspektakulär hab ich um 17.10 Uhr den Scalettapass (2.606 m) erreicht und sehe ein kurzes Stück weiter unten die Verpflegungsstelle. Hier gibt’s den viel beschriebenen Händedruck und den tiefen Blick in die Augen durch Doc Beat Villiger. Wer’s braucht, kriegt hier sogar eine Massage. 

 

Es ist kalt und ich bin froh, dass ich mir den Anorak überziehen kann. Dann geht’s steil abwärts. Auch hier ist äußerste Vorsicht angesagt. Eile bringt nichts, erhöht nur die Sturzgefahr. Weiter unten wird der Weg besser. Ich trabe los. Zwischen den Felsen blüht es mal weiß, blau, orange oder gelb. Am häufigsten sind die lilafarbenen Glockenblumen. 

 

Das Abwärtslaufen geht jetzt mächtig in die Knie. Spaß habe keinen mehr. Die Frage nach dem Warum geht mir durch den Kopf und der Vorsatz, „das mach ich nicht noch einmal,“  setzt sich durch. Es ist ungemütlich und ich will runter. Um 17.50 Uhr bin ich im Dürrboden. Hier gibt es das groß angekündigte Alpinebrötli mit Rosinen und Feigen. Schmeckt ganz gut. Renate ist plötzlich da. An sich müsste sie hier im alpinen Gelände mit ihren 155 cm Körpergröße ganz gut zurecht kommen. Aber Ihre  Knie sind blutig und die Hand geschwollen.

 

Von jetzt an pass ich auf sie auf. Es geht durch's Dischmatal. Noch 14 Kilometer sind zu laufen. Gerne würde ich die unebenen Wiesenwege mit der parallel laufenden Teerstraße tauschen. Ich trabe langsam vor mich hin und nur wenn ein Hügel kommt, gehe ich ein Stück. Rainer überholt mich in einem Tempo, dass ich glaube, ich stehe. Er ruft mir noch zu, dass Eberhard die Keschhütte passiert hat. Ich freue mich und weiss jetzt, er wird es schaffen. Teufi heißt die nächste Almsiedlung, noch 7 Kilometer. Dicke Wolken hängen am Himmel und ganz leicht fängt es an zu nieseln. Was ist das schon, gegen die Schmerzen in den Beinen.

 

Endlich kriege ich Asphalt unter die Füße. Gleich wird alles leichter. Noch einmal geht es links bergauf in den Wald. Nicht lange und nicht steil. Aber es tut weh. Dann wieder leicht bergab. Erst noch 5, dann noch 2,5 Kilometer. Gleich sind wir im Ort. Rechts ab und wir sind auf der Straße Richtung Stadion. Der Zielbogen ist zu sehen. Die Menschen klatschen und jubeln. Wir geben ja auch ein tolles Bild ab. Renate, 155 cm und ich 190 cm. Wie oft habe ich mir vorgestellt, diesen Abschnitt zu laufen. Jetzt geht es auf die Kunststoffbahn im Stadion. Ich laufe wie auf Federn. Als ich über die Lautsprecher unsere Namen und dann den Applaus höre, spüre ich keine Schmerzen mehr. Nur noch Glück und Freude pur. Ich nehme Renate an der Hand, laufe mit ihr ins Ziel und umarme sie. Wir haben den Alpine geschafft. Die Medaille und das Finisher-Shirt sind dafür äußeres Zeichen.

 

Viele fallen sich um den Hals, klatschen sich ab und beglückwünschen sich gegenseitig. Der Alpine verbindet. Jetzt kommt Eberhard. Er straht. Ich weiß, wie sehr auch er sich gewünscht hat, diesen Lauf  zu bestehen. Wir liegen uns in den Armen und ich verdrücke eine Träne.

 

Noch einmal gibt es Vollverpflegung. Am meisten gefragt ist aber das Erdinger. 20 Alphornbläser formieren sich. Für jedes Jahr Swiss Alpine einer. Der Klang ihrer Instrumente im Stadion schafft eine einmalige Atmosphäre. Ich werde diese Augenblicke nie vergessen. 

 

 

Informationen: Davos X-Trails
Veranstalter-WebsiteE-MailFotodienst AlphafotoHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024