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Laufberichte

Sau guat gmacht!

12.09.15

„Der Berg ruaft!“

 

Noch neun Kilometer. Der Untergrund wird langsam ruppig, ein Schlappschritt wie beim Straßenlauf ist nicht mehr möglich, außer man möchte sich auf die Schnauze legen. Die hohen Nadelbäume werden jetzt durch Latschen abgelöst. Die Sonne strahlt auf uns ein und sorgt dafür, dass die feuchten Wege abgetrocknet werden. Knapp 700 Höhenmeter sind auf dem Abschnitt zur Zsigmondy-Hütte zurückzulegen.

Eine Wandergruppe höre ich beim Anfeuern, noch weit oberhalb von mir. Es dauert noch einige Minuten und Kehren, bis ich die fünf Leute vor meine Linse bringe. Knipsen ist ein anderes Problem. Auf die Seite treten und das Geschäft in aller Ruhe erledigen ist nicht, denn der Bergweg ist nur einen halben Meter breit. Somit brauche ich Abstand zum Hintermann oder ich muss in den Serpentinen in das Kurvenäußere treten. Überholen ist jetzt auch fast unmöglich. Mit ein paar schnellen Schritten kann ich an breiteren Stellen den Vordermann überholen, aber bei einem Fotostopp geht der wieder vorbei. Was tun?

 

Weiter hinauf

 

Mein Kilometerschnitt von anfangs sechs Minuten im Fischleintal ist auf über zwölf Minuten angestiegen. Noch sieben Kilometer. Stöcke wären beim Anstieg nicht schlecht, aber die sind verboten. Wahrscheinlich würden sich einige aufspießen. Von einem Vordermann kriege ich eine ausholende Hand in die Fresse. Wenigstens entschuldigt sich der Italiener.

Vor uns baut sich der Zwölferkogel (Croda die Toni, 3094 Meter) auf. Zu bezwingen ist der Zwölfer nur von Kletterern, die den Schwierigkeitsgrad III nach der UIAA-Skala beherrschen. Mir wird’s schon schwindelig, wenn ich die Türme des Zwölfers anschaue. 1874 haben den Gipfel Michel und Johann Innerkofler erstbestiegen. Nur wenige kurze Stücke können noch belaufen werden, dann kommt der nächste Aufschwung über Geröll und Fels. Wer jetzt trittsicher ist, ist im Vorteil. Ein Läufer bettelt um ein Getränk, ich kann aber nicht dienen.

 

Rund um die Zsigmondy-Hütte

 

Dann vernehme ich Alphornklang, kann jedoch noch nichts sehen. Doch nach einem weiteren Absatz sehe ich den Musiker, der auf einem flachen Bergrücken sein Instrument bearbeitet. Rechts von mir sehe ich die Zsigmondy-Hütte (Rif. Comici; 2224 Meter), die im Jahr 1926 erbaut wurde und die heute eine Kapazität von 40 Betten und 40 Lagern hat. Ihren Namen hat sie vom Wiener Alpinist Emil Zsigmondy, die italienische Bezeichnung geht auf den Bergführer Emilio Comici zurück. Die Hütte bietet sich als Ausgangspunkt für Besteigungen des Zwölfers, der Hochbrunnerschneid (3046 Meter) und Oberbachernspitze (2675 Meter) an.

Wir können verpflegen, Orangen, Bananen, Wasser, Elektrolyt und warmer Tee sind im Angebot. Nach einigen Augenblicken mache ich mich auf den weiteren Weg. Noch fünf Kilometer. Das Gelände wird jetzt offener und ein wenig flacher, keine Latschen mehr. Grüne Matten wechseln sich mit Steinen ab. Die Ausblicke werden großartiger und spektakulärer. Wir umlaufen den Einser auf der Südflanke fast komplett. Die Wege sind nun ein weniger breiter geworden, Überholen ist jetzt einfacher und weniger gefährlich geworden, außerdem hat sich das Feld gut verteilt. Wir laufen um eine Felsnase herum, dann sehe ich die Büllelejoch-Hütte (Rif. Pian de Cengia, 2528 Meter), zwischen zwei Felsen hineingeduckt.

 

Endspurt ab der Büllelejoch-Hütte

 

Nach einem Beweissicherungsfoto mache ich mich auf den weiteren Weg. An einem Joch wartet ein Zuschauer auf seine Susi, die noch abgängig ist. Nun geht es steil bergab. Wer Trailschuhe an den Füßen hat, ist im Vorteil. Wer den Berg hinunter springen kann, kann auf dem Gefälle mit rund 150 bis 200 Höhenmeter gleich eine Minute oder zwei herauslaufen. Mir ist es etwas unangenehm, dass der Untergrund hier sandig und feucht ist.

Am Ende des Gefälles wird der letzte Schnee von den Tagen zuvor von einer Läuferin in Augenschein genommen. Nicht mehr lange wird es dauern, dann bleibt er endgültig liegen, denn die Temperaturen sind deutlich einstellig. Letzter Kilometer.

Linkerhand liegt der 2744 Meter hohe Paternkofel (Monte Paterno), den Franz Innerkofler im Jahr 1882 erstbestiegen hat. Im ersten Weltkrieg wurde der Paternkofel von den Italienern und Österreichern hart umkämpft. Da damals die Hauptmacht der Österreicher an der serbisch-russischen Front gebunden war und die Italiener nach Norden drängten, mussten die Tiroler Standschützen (Jugendliche und ältere Männer, die nicht einrücken mussten) die Grenze schützen. Dazu gehörte auch Sepp Innerkofler, der in der Region wohl bekannteste Bergführer seiner Zeit.

Der Sepp kannte die Umgebung wie seine Westentasche, war er doch viele Jahre Hüttenwirt auf der Dreizinnen-Hütte. Innerkofler fiel dann am 04. Juli 1915 am Paternkofel beim Versuch, den Gipfel von den Alpini zurückzuerobern. Genaue Todesumstände sind nicht bekannt, aber die Standschützen waren den Alpini unterlegen. Der tote Innerkofler wurde von dem Alpino Piero de Luca erkannt aus Respekt und am Gipfel bestattet. Das Grab markierte er mit einem Holzkreuz mit der Inschrift „Sepp Innerkofler, Guida“.  Drei Jahre später wurde der Sepp von seinem Sohn Gottfried in das Familiengrab am Friedhof von Sexten umgebettet. Gleich neben dem Haupteingang der Kirche liegt das Grab.

Wer trittsicher und schwindelfrei ist, kann vom Gamsjoch aus über den Innerkofler-De-Luca-Klettersteig zum Gipfel des Paternkofel kraxeln und dabei noch Anlagen aus dem Ersten Weltkrieg besichtigen.

Das Tempo steigt im Läuferfeld, sogar auf Steigungen mit groben Schotter wird jetzt gelaufen. Rechts sehen wir die Bödenseen. Dann müssen wir noch rund 50 Höhenmeter zum Ziel bei der Dreizinnen-Hütte hoch. Die Muskulatur brennt. Der Moderator und Musik sind seit einigen Minuten zu hören. Rechts sind viele Zuschauer. Auf einem Plakat ist zu lesen: „Sau guat gmacht“! Zuerst links, dann rechts herum, dann kommen die Highlights: Die Zinnenhütte, das Zieltransparent und die Drei Zinnen. Hurra, geschafft. 2.42 Stunden. Ich habe eigentlich mit mehr Zeit gerechnet.

 

Zielimpressionen von der Dreizinnen Hütte

 

Eine Läuferin, die mir auf den Fersen ist, kann ich gleich auf den Chip bannen: Anja Gaidamak vom Marathonteam Pegnitztal aus Hersbruck. Vorstand Harald Schmidt berichtet mir später, dass über 30 Läufer zur Vereinsmeisterschaft im Trailrunning angereist sind. Die sind noch verrückter auf die Berge als ich.

Ein paar Meter entfernt ist das gigantische Kuchenbufett, da freut sich nicht nur mein Schleckermaul. Tee, Iso, Aqua, Obst, Joghurt und andere Sachen sind im Angebot. Man sollte hier allerdings nicht zu lange warten und die feuchte Kleidung gegen trockene zu tauschen. Wer zu wenig warme Kleidung hier oben dabei hat, kann sich eine Erkältung einhandeln. Wer seine Klamotten im Rucksack verpackt hat, hat alles richtig gemacht.

Auf der Terrasse der Dreizinnen Hütte (Rif. Antonio Locatelli – S. Innerkofler) sind die Plätze besetzt. Kein Wunder, denn in der Sonne hält man es gut aus. Im Jahr 1882 wurde die Hütte in Betrieb genommen, damals noch als Unterkunft für 18 Personen. 1915 wurde sie zerstört, in den Folgejahren wieder aufgebaut und mehrmals erweitert. Heute wandern bis zu 2000 Gäste bei schönem Wetter herauf, 140 Gäste können übernachten. Die meisten der Touristen kommen über die nahe gelegene Auronzohütte herüber, die mit Pkw und Bus erreichbar ist.

Viele der Läufer lassen sich im Angesicht der Dreizinnen fotografieren. Der nach dem Matterhorn wohl bekannteste Gebirgsstock besteht aus der Großen Zinne (Cima Grande, 2999 Meter), Westlichen Zinne (Cima Ovest, 2973 Meter) und der Kleinen Zinne (Cima Piccola, 2857 Meter). Die Medaille ziert das Motiv der Drei Zinnen.

Wer jetzt glaubt, die Rückfahrt geht bequem mit Bus oder Bahn, den muss ich enttäuschen, denn auf Schusters Rappen müssen wir auf kurzem Weg hinunter zur Fischleinbodenhütte stapfen. Dort wartet dann der Bus, der uns nach Sexten zurückbringt. Im Haus Sexten folgt die Nudelparty. Du bekommst gegen Abgabe des Bons Getränk, reichlich Nudeln mit Sauce und Brot, einen süßen Nachtisch und Obst. Gegen 17.00 Uhr folgt die Siegerehrung, bei der unter allen Teilnehmern wertvolle Preise verlost werden. Haupttreffer ist eine Tour mit einem Bergführer auf einen Zinnengipfel. Mich müsste der da hochtragen.

Am Sonntag starten dann der Läufe für die Kinder, die um das Haus Sexten und die Talstation der Bergbahn zum Helm führt. Für den Nachwuchs wird hier viel getan, denn eine Gruppe aus Antholz sorgt dafür, dass sich die Kinder beim Biathlon probieren dürfen. Und das allertollste, der vielfache ehemalige Weltmeister und immer noch Spitzenbergläufer Jonathan Wyatt macht bei einigen Kinderrennen den Besenläufer.

Na, wie wäre es im September 2016 in Sexten. Gottfried Hofer lädt zum 19. Dreizinnenlauf heute schon ein.

 

Ergebnisse Männer:
1. Dlugosz Andrzej, 1978, PL-Rytro, 1:31.01,7
2. Maestri Cesare, 1993, Bolbeno (TN), 1:32.02,6
3. Perkmann Hannes, 1993, Sarntal (BZ), 1:33.15,9

Ergebnisse Frauen:
1. Confortola Antonella, 1975, Italia, 1:48.06,0
2. Tschurtschenthaler Agnes, 1982, Sexten (BZ), 1:49.02,8
3. Casaro Elena, 1970, Dobbiaco (BZ), 1:56.12,4

973 Finisher

 

Mein Ausflugstipp: Eine Wandertour in den Dolomiten

 

Knapp 350 Kilometer ist Sexten von München entfernt. Die Anreise führt entweder über Innsbruck, den Brenner und Klausen das Pustertal hinauf oder etwas kürzer via Kitzbühel, Pass Thurn, Felbertauern und Lienz in Osttirol. In unserer Wanderwoche sind wir in St. Christina in Gröden (Grödnertal) gestartet. Unsere Wege führten in die Puezgruppe, zum Grödnerjoch, auf den Sellastock mit dem 3152 Meter hohen Piz Boe und zum Pordoi.

Höhepunkt war die Besteigung der 3343 Meter hohen Marmolata mit Seil und Steigeisen. Der Abschluss ging vom Sellajoch über den Schlern und die Seiseralm. Die Tour könnt ihr ohne Bergführer machen. Für die Marmolata braucht es allerdings einen Bergführer, der euch sicher hoch und auch wieder runter bringt. Es war für uns optimal, dass der Sommer abrupt geendet hat, denn der Gletscher war schneebedeckt und somit griffig. Zwei Wochen früher wäre diese Tour aufgrund Blankeis nicht möglich gewesen.

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