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Laufberichte

Nordischer Sommerregen

01.06.13

Anfangs Juni führen uns unsere Wege nach Nordschweden. Es ist unmöglich, in Stockholm umzusteigen und weiterzufliegen, ohne einen Abstecher zum Stockholm Marathon zu machen.

Der einzigartige Lauf in Schwedens Hauptstadt hat für meinen Mann Andreas und mich eine besondere Bedeutung. 2004 liefen wir hier zum allerersten Mal über 42.195 Kilometer. Bei schönstem Wetter landen wir in Arlanda. Auf der Bus-Fahrt in die Stadt zeigt das Thermometer 24 Grad an. Hier versteckt sich also die in Mitteleuropa so lange vermisste Sommer-Wärme!

Wir haben ein Hotel in der Nähe von Start und Ziel gewählt. Nach dem Einchecken schnüren wir sofort die Schuhe und laufen zur Startnummern-Ausgabe. Ob der ungewohnten Sommerwärme klettert der Puls beim lockeren Traben schnell. Mein Bauch zwickt, und ich hoffe, dass ich mich bis zum Start vollständig von der eben durchgemachten Bauchgrippe erholen werde.

Das Zelt mit der Startnummern-Ausgabe und der Marathon-Messe liegt 500 Meter hinter dem Olympiastadion beim Östermalms Idrottsplats. Von hier aus gelangt man am Lauftag in die verschiedenen Startfelder. Es ist empfehlenswert, sich gut umzusehen. Wenn die Wege bekannt und die Treffpunkte vereinbart sind, kommt am Tag X kein Stress auf. Die Pasta Party findet am Tag vor dem Lauf ebenfalls hier statt.

Im Messe-Zelt ist es drückend heiss, der Schweiss rinnt. Im Nu sind wir im Besitz unserer Startnummern samt gut mit Präsenten gefülltem Kleiderbeutel. Darin steckt auch ein Schwamm, den man mittragen soll, um sich unterwegs zu erfrischen. In der eher kleinen, aber reichhaltigen Ausstellung findet man alles, was das Läuferherz begehrt. Laufkleidung, Zubehör, Sportlernahrung, Schuhe und unzählige Ideen für weitere (nordische) Laufabenteuer. 

Am Stand der Schwedischen Marathon-Gesellschaft bleiben wir hängen. Der Sekretär Jan schwärmt gerne mit uns von den vielen schönen, oft erstaunlich kleinen, familiären und doch gut organisierten Laufevents in Schweden. Eine ältere Läuferin gesellt sich zu uns. Gunilla Franzén (Jahrgang 1944) wird uns als kändis (Berühmtheit) vorgestellt. Keine Schwedin hat mehr Marathons auf ihrem Konto - weit über 300! Sie hat eben den Ehrenpreis für 25 absolvierte Stockholm Marathons erhalten. Wir werden nach unserer Marathon-Erfahrung gefragt. Etwas stolz erzählen wir, dass wir morgen Nummer 24 bzw. 26 laufen werden! "Då är ni ju nybörjare!“ (Da seid ihr ja Anfänger!), ernten wir mit einem Augenzwinkern! Ja, alles ist relativ im Leben!

Gunilla läuft nicht mehr gegen die Uhr, sondern nur des Erlebnisses willen (morgen wird sie nach 5:39:20 Stunden ins Ziel kommen). Wir haben uns ebenfalls einen Genusslauf vorgenommen, hoffen aber doch, das knapp verpasste Zeitziel unseres allerersten Marathons (4 Stunden) diesmal zu schaffen. Die ungewohnte Wärme und die durchgemachte Bauchgeschichte setzen aber ein Fragezeichen hinter unser Vorhaben.

Am Abend lassen wir uns in einem italienischen Restaurant in der Altstadt nordisch angehauchte mediterrane Gerichte schmecken. Was das Wetter wohl am Marathon-Tag für uns bereithält? Genau zur Startzeit ist ein Gewitter mit starkem Niederschlag angesagt!

 

Der Marathon

 

Am Laufmorgen lässt es sich gemütlich ausschlafen und frühstücken, sofern dies die Nerven zulassen. Der Start ist erst um 12:00 (Starblöcke A bis D) bzw. 12:10 Uhr (Block E und F). Die Startkarte oder -nummer dient am Marathontag als Fahrkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Per U-Bahn machen wir einen Abstecher in die Innenstadt. Der kurze Einkaufsbummel hilft das lange Warten zu überbrücken. Zurück im Hotel strecken wir die Beine aus und schmökern in den neu gekauften Krimis.

Um Viertel nach elf Uhr traben wir zum Start. Am blauen Himmel zieht leichte Bewölkung auf, im Schatten zeigt das Thermometer knappe 20 Grad, die Luft ist drückend feuchtheiss. Aber keine Spur von einem Gewitter. Bei der Backsteinkirche Engelbrekts kyrka sind Helfer dabei, Wasserbecher für die Versorgungstelle von km 16 bzw. 41 herzurichten. Wir werden heute über jede Erfrischung froh sein.

Aus der U-Bahn-Haltestelle Stadion fliesst ein dichter Strom von Läufern und Zuschauern am Olympiastadion von 1912 vorbei. Es ist legendär. In keiner anderen Arena der Welt sind mehr Leichtathletik-Weltrekorde aufgestellt worden (bisher 83!). Die Ziellinie des Marathons liegt auf der Rundbahn genau vor der der königlichen Tribüne. Der Zieleinlauf ist unvergleichlich.

Noch nie waren 21‘736 Läufer aus 81 Nationen zum Stockholm Marathon eingeschrieben. Rekordmässige 16‘744 strömen nun dem Sportplatz im Stadtteil Östermalm entgegen. Der Eingang ist ein Nadelöhr. Die Läufermasse stockt. Ob wir es rechtzeitig in unseren Startblock schaffen werden? Ballons mit der Aufschrift 4:30 tanzen vor uns in der Luft. Die Zugläufer sind auch noch nicht weiter vorangekommen.

Auf dem Sportplatz verteilen sich die Startenden schnell. Über drei Wege werden die verschiedenen Startgruppen zu den Startbereichen geführt. Wir landen in der Mitte des eindrücklichen Feldes.  In einem grösseren standen wir bisher nicht! Das Startband ist so weit vorne gespannt, dass wir es kaum erkennen können. Das Feld hinter uns scheint unendlich! Auffällig ist ein Meer von weissen Schirm-Mützen. Wir tragen selber auch welche. Vom Wetter her muss man in Stockholm mit allem rechnen. 1982 war es 31° heiss und 2012 bei Dauerregen und starkem Wind eisige 3° kalt.  Was erwartet uns heute? Sonne oder Regen?

Über der Startlinie kreist der Presse-Helikopter. Zuvorderst stehen die Favoriten Isabella Andersson und Mustafa Mohamed. Den schwedischen Lokalmatadoren werden grosse Siegeschancen eingeräumt. Auf die Frage des Speakers, ob wir alle bereit seien für den Marathon, wandern alle Hände in die Luft. Annähernd 50 % der Läufer kommen nicht aus Schweden. Finnland stellt wie immer das grösste Kontingent der auswärtigen Teilnehmer. Im Feld wird häufig Deutsch, Norwegisch, Englisch, Dänisch, Französisch, Italienisch und Spanisch gesprochen.

 
 

 
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