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Laufberichte

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Ausgesteckt mit Fähnchen wie auf einer Landebahn laufe ich im Ziel der Kurzstrecke ein, 18,7km. Getränke und Kuchen gibt es für mich. Ich werde gefragt, ob ich weiter laufen möchte. Ich bin sprachlos. Klar, deswegen bin ich hier. Ich bin doch nicht 220km hierher gefahren, um jetzt aufzugeben. Das ist mein 116. Rennen und auch das werde ich im Ziel beenden!

Nach mir kommen auch noch welche, die sind aber alle auf der anspruchsvollen Kurzstrecke unterwegs und somit hier im Ziel. Im Gegensatz zu mir. Die folgende Forststraße ist gut zu laufen, steigt auch an. Es geht wieder rein auf einen Waldweg, die dunklen Wolken werden weniger. Stellenweise ist der Boden quatschnass, aber nicht für lange. Ich höre stimmen hinter mir. Gerhard und Gerald montieren hinter mir die blauen Kunststoffbänder von den Zweigen ab, die zusätzlich zur gelben Bodenmarkierung angebracht worden sind. Sie wollen mich aber nicht hetzen, wie sie betonen. Da und dort macht mir der Wind zu schaffen, mit der rechten Hand wärme ich mein Ohr.

Bei der nächsten Labe, km24, scheint tatsächlich die Sonne. Alle freuen sich, mich zu sehen, dann haben sie nämlich Feierabend. Ein zweiter Beutel MulticarboGel ist fällig. Ich soll auch möglichst viel essen und trinken, dann muss weniger weggeräumt werden. Voller Bauch läuft nicht gern, also Zurückhaltung!

Auf einem Wiesenweg den Hang entlang, die Sonne wärmt etwas. Das tut gut, außerdem werde ich mit fantastischer Fernsicht verwöhnt. Einen Weidezaun gilt es zu überklettern. Dazu sind Trittbretter angebracht. Oder aber auch Schikanen zum Durchschlängeln, damit das Weidevieh auf der Weide bleibt.

Die nächste Labe ist bald erreicht. „Sepp 1“ in Damenbegleitung, auch hier soll ich die „Restl saufen“. Ein paar Waffeln esse ich gerne, die Biskotten verweigere ich. Zur nächsten Labe sind es nur 3km. Kaum Höhenmeter bis dahin, aber viel Sonne!

Mittels Funkgerät werde ich der nächsten Labe angekündigt. Nr. 16 kommt!  Nach 31,7km (1.242m) der zweite Übergabepunkt der Staffel. Hier kann man sich abholen lassen, falls es heute nicht so läuft. Wie es aussieht, warten zwei aufs Taxi. Einer davon bietet mir sein PowerGel an. Gerne, vielen Dank. Denn die nächsten 3km bereiten mir Kopfzerbrechen, seit ich vor Wochen das Streckenprofil studiert habe.

Erst noch etwas Gefälle, dann wird es unwegsam und steil. Der Ausblick ist erstklassig. Ein Weidezaun ist wieder zu überklettern, meine Geschmeidigkeit hat schon etwas gelitten. Mit Gerhard und Gerald bin ich ins Gespräch gekommen, sehr angenehme Begleiter die beiden. Ich wünsche mir Trailschuhe an meine Füße. Meine Schuhe machen erst ihren dritten Marathon, das Profil ist auch noch gut. Für hier aber nicht gut genug, ich rutsche zurück. Den Fotoapparat habe ich in der Jackentasche. Deswegen bin ich auch mit Jacke unterwegs, damit ich zwischen km33 und km36 die Hände frei habe.

Wir kämpfen uns  zu einer leer stehenden Almhütte hoch, als mir das Fehlen der gelben Markierung auffällt. Beim Start hat es geheißen, wenn ihr auf 100m keine gelbe Markierung seht, seid ihr falsch. Wir schwärmen aus und finden keine Markierung. G+G wissen aber, wo ich hin muss.

Wir erklimmen den Gipfel und erkennen, diesen hätten wir uns auch sparen können. Die gelbe Markierung finden wir erst unten wieder. Das waren einige Höhenmeter extra. Wie kann man solche Markierungen übersehen? Keine Zeit nachzudenken, es geht gleich wieder rauf. Als Aufstiegshilfe nehme ich Bäume und Wurzeln. Gut, wenn man die Hände frei hat.

Das Gipfelkreuz kommt und kommt nicht in Sicht.

Schließlich doch, von oben herab werden wir angefeuert. Gipfelsieg am Hochschlag, 1.580m ü.d.M. Für uns wird peeroton-Iso angerührt, ein Stamperl Salzwasser kann jetzt nicht schaden. Prost! Ich bin der 75., der heute hier rauf ist, Einzel und Staffel addiert. Nachdem ich das Bergpanorama ausgiebig genossen habe, mache ich mich wieder auf den Weg. Es geht steil runter, erneut ein Pfad am Grat entlang, und gleich wieder rauf. Mir wird klar: die mussten das ganze Wasser alles andere hier raufschleppen, keine Straße weit und breit! Hut ab!

Ich nähere mich von oben der Hütte am Aibel (1.394m). Erst noch über einen Weidezaun, zwei Kühe beobachten mich. Wenig später bekomme ich ein Trompetenduett zu hören. Das Warten hat ein Ende, der Städter mit der roten Laterne ist endlich da. Der hat noch 10,1km vor sich und hat bis Stanz noch 764 Höhenmeter zu vernichten. Eigentlich bin ich satt. Als Wegzehrung bekomme ich eine Banane in die Hand gedrückt. Die Gegend ist nicht nur für schöne Bergwanderungen bekannt, sondern im Winter bei den Schitourengehern sehr beliebt.

Es geht weiter meist über Almen, da und dort ein Kuhfladenslalom, hin und wieder  Gegenanstiege, aber nur mehr kurze. An einem Unterstand für Kühe vermisse ich die gelbe Markierung, G+G erkennen sie hinter uns, also zurück. Nun wieder laufen auf einer Forststraße. Ob das unter 8 Stunden noch etwas wird?

Ich bin knapp über der Marathondistanz und seit 7 Std und 25min unterwegs! Mein bisher langsamster Marathon hatte 1300 Höhenmeter, den habe ich in 5 Std 21min absolviert. Da liegen Welten dazwischen.

Die letzte Labe, 4 Helfer warten auf mich. „Wenn du nicht die Nr. 16 hast, haben wir ein Problem!“ Wir haben kein Problem, ich stärke mich. Danke Gerhard, danke Gerald, die beiden fahren ab hier mit den 4 Helfern ins Tal, die letzten 4,1km schaffe ich auch so. Die Sonne ist bereits merklich gesunken, es ist halb 5.

Man warnt mich vor dem kommenden Gatsch. Dort habe ich einige Mühe, die nächste gelbe Markierung auszumachen, bis ich weiß, wie es weiter geht. Meist im Wald geht es auf einer Forststraße talwärts, da und dort schöne Ausblicke, Fotostopps sind Pflicht. Eine Birke spannt sich in weitem Bogen über mich. In einer Kurve weht mir ein Duft von Pilzen in die Nase, Champignons wachsen auf der Straße.

Ein Polizeikombi kommt mir entgegen. Aha, die halten Ausschau nach mir. Und: wenn da ein PKW rauf kommt, ist die restliche Strecke gut zu belaufen. Der Kombi kommt zurück. Im Vorbeifahren informiert mich die Polizistin am Beifahrersitz: noch 1,5km.

Dann wird es eben, bald beginnt der Asphalt. Überm Bach das Ortsschild von Stanz, das ich vor 8 Stunden von der anderen Seite fotografiert habe. Diesmal scheint die Sonne. Die Blumen in den Blumenkisteln, 140 sind es im ganzen Ort, glänzen in kräftigen Farben. Der Polizist hinterm Lenkrad aufmunternd: Nur noch 500m!

Schon von weitem höre ich den Zielsprecher, der das Publikum in Stimmung versetzt. Unter tosendem Applaus und Jubel laufe ich ins Ziel. Ist das geil, hier Letzter zu werden!

Ein neuer Freund von gestern, heute hat er mich bei km18,7 verköstigt, eilt herbei. Er knipst mich mit meiner Kamera, die Uhrzeit ist auch mit am Bild. Ich bekomme ein Gösser alkoholfrei – herrlich - und ein Tablett mit einer Auswahl an hausgemachten Kuchen. So viel kann ich gar nicht essen!

Saubere Duschen und warmes Wasser, was für eine Wohltat! Eine besonders gute Idee: Zu Beginn der Siegerehrung fordert Robert Maierhofer die Läufer auf, den 110 Helfern dieser Veranstaltung Applaus zu spenden. Wir tun das gerne und ausdauernd. Ganz beachtlich, was die leisten, schon Tage vorher und sicher noch das restliche Wochenende. Ohne die Helfer und ohne die Sponsoren geht so etwas halt nicht.

Ob der 5. Stanzer Trailrun am 20. September 2014 auch so eine gelungene Veranstaltung werden wird, kann jeder selber heraus finden. Ich bin überzeugt davon!

Ganz wichtig:  Vorher bitte gut trainieren, ausgeruht an den Start gehen, mit Trailschuhen laufen und Augen auf unterwegs!

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Informationen: Stanzer Trailrun
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